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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

entspricht. Denn auch hier wird die Wärme durch Reibung entwickelt. Der an der scharfen Kante des Steines geriebene Stahl gibt so viel Wärme, daß die von ihm abgerissenen Stahltheilchen in’s Glühen gerathen und den Zunder entzünden, während bei dem Feuerzeuge der Wilden das harte Holzstück die durch seine Reibung von der weicheren Unterlage getrennten Holzstäubchen entzündet.

Das bärtige Geschlecht faßte den Stein mit der Linken, den Stahl mit der Rechten und führte als Vorrecht den Feuerschwamm, welcher wahrscheinlich eine urdeutsche Erfindung ist. (German tinder, deutscher Zunder heißt er in England.) Von andern Zündern, selbst dem bequemen Schwefel, machten die Männer selten Gebrauch und verschafften sich, wie Voß in der Louise so niederländisch genau darstellt, eine helle Flamme lieber durch Schwenken des Schwammes mit Laub.

Das schöne Geschlecht dagegen hielt den plumpen Stahl mit der Linken und bearbeitete ihn mit einem plumpen Steine, den die rechte Hand führte; als Zunder diente ausschließlich verkohlte Leinwand, als Flammenerzeuger der Schwefelfaden. Das Feueranzünden mit diesem Werkzeuge war eine der mühseligsten Arbeiten für die Hausfrau. Erst war der Zunder zu brennen und Schwefelfaden herzustellen, denn haushälterische Frauen übten auch diesen Zweig der Küchenchemie eigenhändig; dann galt es, im Dunkeln den Stahl mit dem Steine zu bearbeiten, daß er seinen Funkenregen in die Zunderbüchse ergieße. Das gab ein minutenlanges Ticken und Hämmern, und nicht selten trugen die Knöchel Spuren davon, daß sie statt des Stahles Streiche bekommen hatten. Das war eine Noth, wenn des Nachts ein schreiendes Kind Licht nöthig machte; Funken gab es genug, aber keiner fiel in den Zunder; der Mann brummte, das Kind zeterte und die arme „bedüpperte“ Hausfrau „pitschte“ noch immer vergebens und sah sich in der Angst ihrer Herzens nicht selten genöthigt, durch Nacht und Wind zur Nachbarin zu eilen, und Feuer zu borgen.

Aeltere Leser sind vielleicht ungehalten, daß ihnen solche Alltäglichkeiten erzählt werden; aber es gilt, dem jüngeren Geschlechte, für welches die Zunderbüchse schon ein sagenhaftes Alterthum geworden ist, zu zeigen, wie sauer es ihren Müttern geworden ist und welchen gewaltigen Fortschritt in der Cultur sie erlebt haben, einen Fortschritt, der für die Haushaltungen fast so bedeutsam ist, wie die Erfindung des Buchdrucks für die Welt des Geistes.

Die erste bedrohliche Erschütterung erlitt die Alleinherrschaft des Stahl- und Steinfeuerzeugs durch eine vor etwa dreißig Jahren gemachte Erfindung, welche nicht die durch Reibung, sondern die durch den chemischen Proceß entwickelte Wärme zum Zünden verwandte. Man wußte seit längerer Zeit, daß chlorsaures Kali in Berührung mit Schwefelsäure rasch zersetzt werde und dabei so viel Wärme frei mache, daß diese leicht entzündliche Körper in Brand steckt; ein praktischer Kopf benutzte diese Eigenschaft jener Stoffe zu dem Vitriolfeuerzeuge, bei dem man nur das rothe Köpfchen des Schwefelholzes in das Säurefläschchen zu tauchen hatte, um es brennend herauszuziehen. Alles war begeistert von dem neuen bequemen Feuerzeuge, und jeder Bauer, der seine Frau lieb hatte, brachte ihr vom Markte ein „Titsch-Feuerzeug“ mit. Noch hafteten daran zwei Mißstände. Die Zündmasse durfte nur die Oberfläche der Säure berühren, sonst wurde die Flamme durch die Flüssigkeit wieder erstickt; und doch war es im Dunkeln kaum möglich zu ermessen, wie tief das Zündholz einzutauchen sei. Dann war die Schwefelsäure, die beim Umstoßen des Flaschchens ausfloß, für Kleider und Haus gefährlich. Ein Deutscher, Romer, beseitigte sogleich diese Mißstände. Er füllte das Fläschen mit Amiant (Asbest), einer von der Säure kaum angreifbaren faserigen Steinart und tränkte diese Fasern nur so stark mit Säure, daß sie eben benetzt waren. Jetzt schien das neue Feuerzeug vollkommen zu sein, es war einfach, klein, wohlfeil, leicht zu handhaben; man jubelte und hielt den Gipfel der Erfindungen, für erklommen.

Aber das Bessere ist der Feind des Guten. Congreve’s Lucifer matches bewiesen, daß das Reibfeuerzeug, das älteste Mittel zum Feuerzünden, das einfachste und müheloseste sei, wenn man nur als Reibstoff eine leichtentzündliche Masse wähle. Diese war in einer Mischung von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon gefunden; man bedurfte dabei keine Säure mehr, das Schwefelholz entzündete sich mit einem Knalle durch einen Strich an der Wand.

Derselbe Romer, der eben als Verbesserer des Vitriolfeuerzeugs erwähnt wurde, bewies auch hier sehr bald sein Verbesserungstalent; er zog einen Stoff zur Anwendung, der wahrscheinlich für immer als der beste, praktisch zu verwendende Zündstoff dastehen wird, nämlich den Phosphor. Ein Hamburger Goldmacher, Brandt, hatte ihn im Jahre 1669 zufällig entdeckt, als er den Rückstand von eingetrocknetem Urin glühte, in dem er wahrscheinlich Gold zu finden hoffte; er hielt sein Verfahren geheim, aber der Berliner Kunkel erfand bald den wunderbaren neuen Stoff durch eigenes Probiren. Wohl keiner der Entdecker und kein Chemiker der vorigen Jahrhunderte hat sich träumen lassen, daß diese „curiose Rarität“ dereinst so in allgemeinen Gebrauch kommen werde, wie Eisen und Thonerde, und der Phosphor mag den Schüler trösten, der sich darüber beklagt, viele praktisch unnütze Thatsachen der Lehrbücher lernen zu müssen; denn gar Vieles, was jetzt theoretischer Ballast dünkt, wird mit der Zeit zur praktischen Goldbarre. Jetzt könnte die Menschheit leichter das Gold missen, als den Phosphor. Uebrigens ging es mit der Verwerthung des neuen Stoffes langsam genug. Selbst nachdem, hundert Jahre nach der ersten Entdeckung, Scheele und Gahn eine reiche Fundgrube des Phosphors in den Knochen nachgewiesen hatten, dauerte es fast noch ein Jahrhundert, ehe man den nunmehr billiger herzustellenden Stoff nützlich anwenden lernte.

Wie jede große Reform fast nie ohne schädlichen Einfluß auf Einzelne in’s Leben tritt, so erging es auch dem Phosphor, dem Lichtbringer (dies ist die wörtliche Bedeutung des chemischen Ausdrucks). Nicht wenige Arbeiter in den Zündhölzchenfabriken erlitten durch den Phosphordampf der trocknenden Hölzer Krankheiten, die mit dauernder Entstellung verbunden waren. Viele Feuersbrünste entstanden durch den unvorsichtigen Gebrauch des neuen Zünders, manches vorwitzige Kind erlitt dadurch den schmerzlichsten Tod. Darum riefen Viele Weh und Zeter über die gefährliche Neuerung und nicht wenige Regierungen verboten den Verkauf der gefährlichen Waare.

Aber kein echter Lichtbringer, der Phosphor so wenig als Guttenberg’s Presse, läßt sich auf die Dauer deshalb unterdrücken, weil er durch Mißbrauch schaden kann. Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich die neuen Zündhölzer über alle civilisirten Länder und jetzt haben sie fast überall die Alleinherrschaft. Nur der Holzhauer und Förster, der bei Wind und Regen im Walde rauchen will, und der Maurer, der sich durch das „Aufpitschen“ Mußeminuten verschafft, führen noch Stein und Stahl, sonst brauchen fast alle Männer, selbst der Kutscher auf dem Bocke, dies neue Feuerzeug. Und vollends die Frauen sind ohne Ausnahme zur Partei des Phosphor übergetreten. Eine Zunderbüchse findet sich selbst im conservativsten Bauernhause nur noch im Alteisenkasten, und keine Frauenhand berührt andern Stein und Stahl, als Edelsteine und Scheere und Nadeln.

Und Niemand wird wohl diese Umwandlung bedauern, als vielleicht ein Bewohner der Champagne, der keine Feuersteine mehr in den Handel bringen kann, und ein Maler, der Nachtstücke darstellt. Für solche Nacheiferer Schalckau’s war freilich eine Zunderbrennerin, deren Gestalt wie ein Phönix aus der Flamme der Leinwand vortrat, oder eine Frau, welche in den glimmenden Zunder blies und von der matten Gluth roth angestrahlt wurde, eine wahre Augenweide. Wir Andern aber alle freuen uns, daß die Frauen von jenem sauren Geschäfte entbunden sind; ein Nachtlicht zu brennen, ist kaum noch nöthig; die neue Hausbequemlichkeit ist so vollkommen, daß auch der Reiche, der jede Anstrengung scheut, sich kein bequemeres Feuerzeug wünschen kann, und zugleich so wohlfeil, daß es auch dem Aermsten erschwinglich ist. Fast die Leinwand allein, die sonst zu Zunder verkohlt wurde, jetzt aber in die Papiermühle wandert, bringt die Ausgabe für die Zündhölzer wieder bei. Kauft man doch bei den Hausirern das Tausend Zündhölzer für einen Silbergroschen, wofür man nicht einmal die zu so vielmaligem Anzünden mit dem alten Feuerzeuge nöthigen Feuersteine anschaffen konnte.

Diese Wohlfeilheit ist eine heilsame Folge der Theilung der Arbeit. Wie hoch würde uns wohl ein einziges Schwefelholz zu stehen kommen, wenn wir es selbst spalten und mit dem Zündstoffe versehen müßten oder gar auch die Zündstoffe herstellen sollten!

Jetzt ist die Herstellung der Zündhölzer in folgende Geschäfte gegliedert. Zuerst erfolgt die Anfertigung etwa spannlanger, walzenförmiger

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_042.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)