Seite:Die Gartenlaube (1858) 049.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

einander, und verdämmen sich mehr noch als die Bäume unserer Waldungen. Selbst die schon hocherwachsenen und einer großen Masse von Nahrungsstoffen bedürftigen Stämme empfinden den Einfluß ihrer noch mächtigeren Nachbarn, bleiben bei Entziehung der Nahrung plötzlich im Wachsthum zurück, und fallen so in kurzer Zeit den allgemeinen Naturkräften anheim, die sie einer schnellen Auflösung entgegenführen. Man sieht so die edelsten Bäume nach wenigen Monaten eines tropischen Leidens von Ameisen und anderen Insecten zernagt, vom Grund bis an die Spitze von Fäulniß ergriffen, bis sie plötzlich zum Schrecken der einsamen Bewohner des Waldes unter krachendem Geräusch zusammenstürzen. Im Allgemeinen machen die Landbauer die Bemerkung, daß Stämme, welche einzeln zwischen mehreren einer andern Art stehen, leichter von letzteren unterdrückt werden. Eine regelmäßige Forstcultur, an die freilich bis jetzt in diesen wenig bevölkerten Wäldern noch nicht gedacht worden ist, wird daher hier künftig nicht sowohl das Wachsthum der Stämme gedrängter Nachbarschaft befördern, sondern vielmehr dafür Sorge tragen müssen, daß die Pflanzen in der zweckmäßigen Entfernung von einander aufwachsen.

Es wäre zu weitläufig, hier das Pflanzenwachsthum des Urwalds näher zu charakterisiren. Leichter läßt sich das eigenthümliche Thierleben desselben veranschaulichen. Der Naturforscher, zum ersten Male hierher versetzt, weiß nicht, ob er mehr die Formen, Farben oder Stimmen der Natur bewundern soll. Den Mittag ausgenommen, wo alle lebenden Geschöpfe der heißen Zone Schatten und Ruhe suchen, und wo daher eine majestätische Stille über die im Sonnenlichte glänzende Tropennatur verbreitet ist, ruft jede Stunde des Tages eine andere Welt von Geschöpfen hervor. Den Morgen verkünden das Gebrüll der Heulaffen, die hohen und tiefen Töne der Laubfrösche und Kröten, das monotone Schmettern und Schwirren der Cicaden und Heuschrecken.

Ein brasilianischer Urwald.

Hat die aufsteigende Sonne den ihr vorangehenden Nebel verdrängt, so freuen sich alle Geschöpfe des neuen Tages. Die Wespen verlassen ihre schuhlangen, von den Zweigen herabhängenden Nester; die Ameisen kommen aus ihren künstlich von Lehm aufgethürmten Wohnungen, womit sie die Bäume überziehen, hervor und beginnen die Reise auf den selbst gebahnten Straßen, ebenso die das Erdreich hoch und weit umher aufwühlenden Termiten. Die buntfarbigsten, an Glanz mit den Farben des Regenbogens wetteifernden Schmetterlinge, besonders zahlreiche Hesperiden, eilen von Blume zu Blume oder suchen ihre Nahrung auf den Straßen oder, in einzelne Haufen zusammengestellt, auf besonnten Sandufern der kühlen Bäche, der blauspiegelnde Menelaus, Nestor, Adonis, Laertes, die bläulich weiße Joea und der große, mit Augen bemalte Eurylochus schwingen sich, Vögeln ähnlich, durch die feuchten Thäler zwischen grünen Hügeln hin. Die mit den Flügeln schnarrende Feronia fliegt eilig von Baum zu Baum, während die Eule, der größte der Nachtschmetterlinge, mit ausgebreiteten Flügeln unverrückt am Stamme festsitzend, den Abend erwartet. Myriaden der glänzendsten Käfer durchschwirren die Luft und blinken gleich Edelsteinen aus dem frischen Grün der Blätter oder duftenden Blumen hervor. Indessen schleichen Eidechsen von auffallender Form, Größe und Farbenpracht, düster gefärbte, giftige oder unschädliche Schlangen, welche an Glanz den Schmelz der Blumen übertreffen, aus dem Laube, den Höhlen der Bäume und des Bodens hervor und sonnen sich, an den Bäumen sich hinaufwindend und auf Insecten oder Vögel lauernd. Von nun an ist Alles voll thätigen Lebens. Eichhörnchen, Heerden von geselligen Affen ziehen neugierig aus dem Innern der Wälder nach den Anpflanzungen und schwingen sich pfeifend und schnalzend von Baum zu Baum. Die hühnerartigen Jacus, Haccos und die Tauben verlassen die Zweige und irren auf dem feuchten Waldboden umher. Andere Vögel von den sonderbarsten Gestalten und dem glänzendsten Gefieder flattern einzeln oder gesellig durch die duftenden Gebüsche. Die grün, blau und roth gefärbten Papageien erfüllen, auf den Gipfeln der Bäume versammelt oder gegen die Pflanzungen und Inseln hinfliegend, die Luft mit ihrem krächzenden Geschwätz. Der Tucan klappert mit seinem großen hohlen Schnabel auf den äußersten Zweigen und ruft in lauten Tönen wehklagend nach Regen. Die geschäftigen Pirolen schlüpfen aus ihren lang herabhängenden beutelförmigen Nestern

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_049.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2020)