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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

arbeitend, tausend Tonnen Wasser in einer Minute entfernen kann, so daß es mittelst derselben leicht ist, ein selbst achtzig Fuß tief im Wasser liegendes Schiff (der Hafen von Sebastopol hat nur 66 Fuß Tiefe) auszupumpen, mit Luft zu füllen und dann unbeschädigt emporzuheben. In gleich riesenhaftem Maßstabe sind die andern Maschinen und Werkzeuge eingerichtet. Die Kette z. B., welche man anwendet, die Schiffe emporzuziehen, ist gegen dreihundert Ellen lang; jedes einzelne Glied oder Gelenk daran wiegt dreihundert Pfund und ist einzeln durch eine Last von 2000 Centnern geprüft worden.

Nachdem Gowan an Ort und Stelle, im Hafen von Sebastopol, die genauesten Besichtigungen gehalten hatte, auch in einem Taucheranzuge dort selbst auf den Meeresgrund hinabgestiegen war, um die da liegenden Schiffsleichen zu mustern, wiederholte er gegen die russische Regierung, daß die versenkten Schiffe theils ganz, theils in Stücken heraufgebracht werden könnten. Nach dem Contracte, den er abgeschlossen, sollte Gowan gegen zweihundert amerikanische erprobte Arbeiter, darunter mehrere der besten Taucher, die Taucheranzüge und alle nöthigen Maschinen liefern, während ihm die russische Regierung vier- bis fünftausend Arbeiter zur Beifügung stellt, sowie alles nöthige Material, dessen Kosten sich auf mehr als zwei Millionen Thaler berechnen, und ihm gewisse Procente an dem Werths der geretteten Schiffe und Schiffsmaterialien gewährt.

Die Amerikaner sind mit ihren Maschinen im vorigen Sommer in Sebastopol angekommen, und haben ihre Operationen fortgesetzt, bis der Eintritt des Winters sie unterbrach. Wir hatten Gelegenheit, einen Brief von einem dabei beschäftigten Ingenieur zu lesen und theilen die Hauptsachen daraus mit, weil er einen Einblick in das Verfahren bei diesem bewundernswürdigen und riesenhaften Unternehmen gibt.

Man vermuthete oder vermuthet vielleicht, heißt es in dem Briefe, daß die Schiffe ganz, nicht zerstört, emporgehoben werden würden; da sie aber bereits so lange im Wasser gelegen haben und von den Würmern sehr zerfressen sind, ist es zweifelhaft, ob sie bei dem Emporheben zusammenhalten. Würden sie aber auch wirklich ganz an die Oberfläche heraufgebracht, so dürften sie doch als Kriegsschiffe keinen Werth haben, und die Kosten der Ausbesserung so bedeutend sein, daß man neue dafür würde bauen können. Es kann also nur auf den Werth des Materials gerechnet werden. Einige eiserne Dampfer und einige wenige von Holz wird man allerdings ganz herausheben; die andern werden unter dem Wasser gesprengt. Das ist bereits mit drei Schiffen von 120 Kanonen, z, B. den „zwölf Aposteln“ und einigen andern geschehen.

Das Zersprengen ist von höchstem Interesse, erfordert aber die größte Vorsicht und Genauigkeit. Vor allem wird ein erfahrener Taucher hinuntergeschickt, der das Schiff zu besichtigen und über den Befund zu berichten hat. Das Taucherboot wird dann gerade über das Schiff gelegt oder doch so nahe als möglich. Von dem Boote reicht bis hinunter auf den Meeresgrund eine Strickleiter, auf welcher der Taucher auf- und niedersteigt, der überdies ein Tau um den Leib geschlungen hat, das im Boote oben befestigt ist, mit dem er Signale gibt und durch das man ihm auch heraufhilft. Auf dem Kopfe trägt der Taucher eine Art Helm, der eine gewisse Luftmenge enthält, welche immer frisch erhalten wird durch eine Luftpumpe in dem Boote und einen Gutta-Percha-Schlauch. Manchmal bleibt ein solcher Taucher acht bis zehn Stunden ununterbrochen unten auf dem Meeresboden oder im Schiffe, und verrichtet da schwere Arbeiten, indem er z. B. starke eiserne Ketten mit Meißel und Hammer zu trennen, Balken zu zersägen, starke Bolzen herauszutreiben hat und anderes, was man unter solchen Umständen fast für unmöglich halten sollte. Alles Bewegliche, Ketten, Anker, Geschütz u. s. w. wird von dem Taucher unten, wie man auf der Abbildung sieht, an ein Tau gebunden und dann von der Mannschaft oben im Boote hinaufgewunden. Ist Alles bereit das Schiff zu sprengen und das Pulver zu legen, so bringt man ein großes Pulverboot mit zehn bis zwanzig Gutta-Percha-Pulversäcken in die Nähe. Diese Pulversäcke, die natürlich wasserdicht sind, haben an dem einen Ende einen Holzpflock, durch welchen zwei Kupferdrähte bis in die Mitte des Pulvers gehen, wo sie durch ein ganz kleines Platinastückchen verbunden sind. Der Taucher trägt einen solchen Pulversack hinunter in den Theil des Schiffes, der zuerst gesprengt werden soll, und steigt dann wieder hinauf in das Pulverboot, welches etwa zehn Mann und die galvanische Batterie trägt. Bringt man die Drähte oben in Verbindung, so entzündet sich unten das Pulver, es erfolgt die Explosion, das Wasser wird aufgewühlt und Holzstücke schwimmen empor (nebst einer großen Anzahl todter Fische). Gewöhnlich dauert es drei bis vier Stunden, bis das Wasser wieder so ruhig und hell geworden ist, daß der Taucher von Neuem hinuntersteigen und seine Arbeit fortsetzen kann. Alles Werthvolle, was emporgeschleudert oder sonst von dem Schiffe unten losgerissen worden ist, wird geborgen und der Versuch wird so lange fortgesetzt, bis das Schiff gänzlich zerstört ist.

Bisher sind alle diese Sprengungen sehr glücklich von statten gegangen, die Arbeiten aber nicht gleich leicht. Einige der Fahrzeuge liegen unten auf festem Boden und sie bieten gar keine Hindernisse; andere aber sind tief in Schlamm gesunken und sehr schwer zugänglich.

Ein Unglück ist doch auch schon vorgekommen, wenn auch nicht unter dem Wasser. Es mußte an dem einen Ufer ein Schuttdamm aufgeräumt werden. Dabei gelangten die Arbeiter auf gefüllte Bomben und, aus welcher Ursache es geschehen, weiß man nicht, sie platzten. Sechs der Arbeiter blieben auf der Stelle todt und viele andere wurden verwundet.




Die Wasserleitung in Newyork.

Die Menschen der Neuzeit lieben es, auf die Vergangenheit hinzuweisen, als die Erzeugerin alles Großartigen, mit welcher die jetzige Welt nicht in Concurrenz treten könne. So geschieht wenigstens immer, wenn von Bauten die Rede ist, und hier gelten hauptsächlich die Römer als ein Muster, das gar nicht übertroffen werden könne. In der That, sie haben auch Großartiges geleistet und die Ruinen ihrer Werke weisen auf eine Entfaltung von Kräften, auf einen Aufwand von Geld hin, worin neuere Völker es selten ihnen werden gleichthun können. Daß es aber doch möglich ist, das hat die Stadt Newyork durch ihre Wasserleitung bewiesen.

Es ist ein immenses Werk.

Etwa siebzig Meilen oberhalb der Stadt Newyork, nur wenige Stunden vom Hudson entfernt, da wo Westchestercounty aufhört, in einer von Anhöhen durchschnittenen Gegend, entspringen dem felsigen Boden einige mächtige Quellen, die sich nach kurzem Laufe einigen und früher als nicht unbedeutender Bach dem Hudson zuflossen, um sich nach einem kurzen Laufe mit diesem zu vereinigen. Dieser Bach fließt Sommer und Winter fast gleich stark und sein Wasserquantum ist so mächtig, daß er einen Kessel von 1000 Fuß Durchmesser und 10 Fuß Höhe in weniger als einer Stunde bis obenauf füllen würde. Auch süß ist das Wasser und fast chemisch rein, so daß es wegen seiner Weichheit zu jeglichem Zwecke verwendet werden kann. Diesen Bach, diesen kleinen Fluß hat die Stadt Newyork gefaßt und bis nach Newyork geführt, und dieser Fluß ist es, der jetzt die ganze Stadt mit einer Einwohnerzahl von 800,000 Menschen, die ganze Stadt mit all’ ihren Fabriken und Werkstätten mit Wasser versieht und – in Hülle und Fülle versieht!

Es war ein riesenhaftes Werk! Und doch war es in wenigen Jahren vollendet! Es war ein Werk, das Millionen und nochmals Millionen kostete und doch leistete Alles die einzige Stadt Newyork. Siebzig Meilen weit über Berg und Thäler, über Flüsse und Ströme, über Felsen und Moräste ward der Fluß in seinen riesenhaften Teicheln geführt, und trotz alle dem, – so fest ist der Unterbau, so gut ist das Material der Teichel, so meisterhaft ist Alles geleitet, daß nur selten, beinahe gar nicht ein Ausbruch des Wassers stattfindet oder überhaupt nur eine Reparatur nöthig ist! – Die alten römischen Wasserleitungen sind heute noch in ihren Trümmern ein Gegenstand der Bewunderung, und doch dürfte die Frage entstehen, wo Größeres geleistet wurde, in Rom oder Newyork! Jedenfalls ist die Highbridge über den Harlemfluß,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_106.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)