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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Meere. Ein zweiter führte durch den persischen Golf nach dem Euphrat und mündete in den syrischen Häfen. Ninive, Babylon, Palmyra und Tyrus verdankten ihren Wohlstand vorzüglich der Vermittelung dieses Handels, und als diese Städte, sammt den Reichen, die sie verherrlichten, in Trümmer zerfielen, erbten Basrah, Bagdad und Mosul freilich nur einen Theil der Blüthe ihrer mächtigen Vorgängerinnen. Die dritte Straße zwischen Ost und West lief durch den arabischen Busen über Egypten, theilweise mit Benutzung des ptolemäischen Canals, nach den Mündungen des Nils und endete in dem weltberühmten Hafen Alexandria’s.

Als Vermittler dieses Austausches nennt die Geschichte die Phönicier, das kühnste und bedeutendste Handelsvolk der alten Welt, hierauf die Perser und die verschiedenen Colonien griechischer Abkunft.

Der Sturz des weströmischen Reiches, das Vordringen gewaltiger Barbarenhorden in die Gefilde weitvorgeschrittener Bildung störte für eine Zeit die Beziehungen beider Welttheile zu einander; doch hörten dieselben selbst nach Begründung der Araberherrschaft, so wie mit dem Auftreten der Osmanen in Vorderasien nie gänzlich auf. Alexandria und Constantinopel versahen den Occident mit den Gütern des Morgenlandes.

Als Abnehmer und Weiterbeförderer der hier, so wie in andern minder ansehnlichen Häfen aufgestapelten Waaren trat zuerst Venedig und hierauf dessen kühne Nebenbuhlerin, Genua, auf. Die Kreuzzüge, indem sie die europäische Menschheit mit dem Osten in unmittelbare Berührung versetzten, erweckten von Neuem die Begierde nach dem Besitze der Schätze Indiens, und das Wiederaufleben der Künste und Wissenschaften, auf welches Wohlstand und Genußsucht folgten, setzten die Völker in den Stand, ihre Bedürfnisse in größerem Maße zu befriedigen. Bald nahm auch der Norden an dieser Thätigkeit Theil und die Hansastädte setzten die von den Venetianern und Genuesen zugeführten Waaren nach verschiedenen Ländern weiter ab.

Indeß gestaltete sich der orientalische Handel für keinen Staat so gewinnreich, als für die Königin des adriatischen Meeres. Sie war es, die selbst nach Eroberung Constantinopels (1453) und Egyptens durch die Türken ihre Verbindung mit dem Osten aufrecht zu halten, ja zu einem Monopol für sich umzuwandeln wußte. Die hierauf entstandene Vertheuerung der Waaren, so wie der Neid, welchen Bevorzugung und Glück erzeugen, riefen in den am atlantischen Oceane wohnenden Nationen den heißen Wunsch hervor, sich die zum Leben nöthig gewordenen Gegenstände auf anderem Wege zu verschaffen. So kam es, daß, im Auftrage seines Königs, der Portugiese Bartolo Diaz zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts das Cap der guten Hoffnung erreichte und daß, von den Andeutungen der Wissenschaft unterstützt, Christoph Columbus, in der Absicht, den Seeweg nach Ostindien für den spanischen Hof zu entdecken, auf eine neue Welt, Amerika, stieß.

Nicht mehr rastete der Unternehmungsgeist, und was Diaz und Columbus versucht, erreichten wenige Jahre später Vasco de Gama und Magellan. Ersterer fuhr auf dem von seinem Landsmanne bezeichneten Wege um das Vorgebirge der guten Hoffnung, damals von den bestandenen Stürmen Cap der Stürme genannt, und traf im Jahre 1498 zu Melinda auf dem Strande von Zanguebar, kurz darauf aber auf der Malabarküste zu Calicut ein; während Magellan funfzehn Jahre nach dem Tode des genialen Mannes, der selbst nach Entdeckung Amerika’s die Durchfahrt nach dem indischen Meere zu suchen nicht aufgehört, diese an der südlichen Spitze des neuen Continents glücklich bewerkstelligte.

Ein Schiedsrichterspruch des Papstes Alexander VI. hatte die zwischen Spanien und Portugal entstandenen Streitigkeiten wegen des Besitzes der neuentdeckten und noch zu entdeckenden Ländereien dahin gelöst, daß alles Land 360 Meilen westlich von den Azoren den Spaniern, östlich den Portugiesen gehören sollte. Wie die westliche Halbkugel unterworfen, gehört nicht in den Rahmen gegenwärtiger, den orientalischen Verkehr schildernden Skizze. Während die Spanier in Amerika blutigen Fuß faßten, eroberte der tapfere Albuquerque Calicut, Goa und überhaupt die Küsten von Malabar, nahm ferner Malacca und ermöglichte das weitere Eindringen in die indische Inselwelt. Die Eroberung von Ormuz machte die Portugiesen zu Gebietern im persischen Golfe.

Vergebens trachtete die Lagunenstadt, die ihrem Monopol drohende Gefahr von sich abzuwenden. Der Karavanenzug konnte mit dem directen Seehandel den Wettstreit nicht bestehen, um so weniger, als jener wegen des brutalen Regiments der Türken immer unsicherer und kostspieliger wurde. Die Königin der Adria, auch von der Ligue von Cambray angefochten, büßte ihr Meeresscepter und ihren Reichthum ein.

Fast hundert Jahre hindurch behauptete Portugal sein Handelsreich in den indischen Gewässern. England, Frankreich und Holland, in continentale Kriege verwickelt, konnten während des sechzehnten Jahrhunderts ihre Aufmerksamkeit überseeischen Angelegenheiten nicht widmen. Doch mit Anfang des siebzehnten Jahrhunderts traten die nordwestlichen Staaten mit in die Reihe der Seemächte.

Zuerst wagten die Holländer einen Kampf um die Schätze Indiens und China’s mit den Portugiesen und es gelang ihrer Tapferkeit, sich auf dem gesegneten Boden festzusetzen. Kurz darauf erschienen die Engländer und die Franzosen, um an der reichen Beute Theil zu nehmen. Indeß verloren die Letzteren nach vielfältigen Wechselfällen bis auf einen geringen Rest alles Erworbene an ihre zur See übermächtigen Rivalen. Während sich nun auch die Holländer auf die Inselwelt beschränkten, dehnte seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts der britische Dreizack seine Gewalt nach und nach auf den ganzen indischen Continent aus, erstreckte seinen Einfluß auf Hinterindien, China, in die Gewässer Persiens und Arabiens, bemächtigte sich des Vorgebirges der guten Hoffnung, ergriff Besitz von dem neuentdeckten fünften Welttheil und zog mit Hülfe ungeheuerer Vorräthe an Handels- und Kriegsschiffen und Dank seinem mercantilen und Colonisirungs-Genie den östlichen Verkehr mit Europa fast ganz an sich. Indien ward zum Hauptquell des Reichthums und der Macht Großbritanniens.

Dies konnte dem scharfen Blicke Bonaparte’s nicht entgehen. Von englischem Vorurtheil und englischem Gold bekriegt, faßte der große Heerführer der französischen Republik den Entschluß, den Todfeind seines Vaterlandes an der verwundbarsten Stelle anzugreifen. Die Siege des Obergenerals in Egypten, so wie der Verlust dieses Schlüssels zu Indien wegen der Unfähigkeit seiner Stellvertreter und der Superiorität der englischen Marine, sind allgemein bekannt. Weniger verbreitet sind die Bemühungen Bonaparte’s für die Wiedereröffnung des alten Verkehrsweges zwischen dem rothen und dem mittelländischen Meere. Von Gelehrten, der sogenannten egyptischen Akademie, begleitet, ordnete der geniale Mann Forschungen an über die Möglichkeit einer Wasserverbindung durch die Landenge von Suez. In kriegerischer Eile und mit unvollkommenen Werkzeugen vollbracht, fiel die Untersuchung leider unbefriedigend aus. Die französischen Ingenieurs bestätigten den seit Aristoteles verbreiteten Irrthum, daß der Spiegel des arabischen Busens höher gelegen sei, als das Niveau des Mittelmeeres, und daß somit das Graben eines Canals die Ueberschwemmung Egyptens nach sich ziehen müßte.

Indeß, ob zu Wasser oder zu Land, der Weg über Egypten blieb immer der kürzeste. Ein Blick auf die Karte drang einem Jeden die Ueberzeugung und mit ihr den Wunsch auf, mit Umgehung der langen und gefahrvollen Fahrt um das Cap, eine Handelsstraße über die Ostecke Afrika’s herzustellen. Die steigende politische und commercielle Bedeutung Indiens, die ungeheueren Interessen, welche die Krone Großbritanniens nicht minder als die ostindische Compagnie an ihre Besitzungen knüpften, wiesen darauf immer nachdrücklicher hin. Dennoch, ob aus Rancune oder Eifersucht auf die am Mittelmeere gelegenen Häfen, thaten weder Regierung noch Handelsgesellschaft[WS 1] Schritte zur Erreichung des gedachten Zweckes. Privatmänner, von patriotischem Eifer beseelt, waren es, welche die Aufmerksamkeit ihrer Landsleute auf den großartigen Plan lenkten.

Nach unsäglichen Kämpfen und den härtesten Geldopfern gelang es um das Jahr 1830 dem Capitain Waghorn, die sogenannte Ueberlandpost zwischen Indien und Europa herzustellen. Eine Dampfschifffahrtsgesellschaft, unter dem Namen „Orientalische und Peninsular-Dampfschifffahrts-Compagnie“, führte die lebenskräftige Idee Waghorn’s aus. Die Anlage einer Eisenbahn von Alexandria nach Cairo, welche, weiter geführt, in Kurzem bis Suez vollendet sein soll, vervollständigt das Unternehmen. So namhaft jedoch auch die Vortheile dieser abgekürzten Verbindung für Brief- und Personenverkehr, so wie für Versendung kostbarer Waaren sein mögen, – man empfängt auf diesem Wege binnen 27 bis 30 Tagen Berichte aus Bombay in London, während die Fahrt um’s Cap drei Monate fordert, – so ist klar, daß sie den Nutzen einer


  1. Vorlage: Handesgesellschaft
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_146.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)