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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

„Was wünschen Sie aber von mir, womit kann ich Ihnen dienen?“’

„Eigentlich mit gar nichts. Ich wollte blos einmal fragen, was wir für Ihre Mühe schuldig sind? Wir wollen gern bezahlen. Sie thaten mir einen rechten Gefallen, wenn Sie mir gleich auf der Stelle sagen wollen, was die ganze Rechnung macht. Uebertheuern werden Sie uns nicht, das weiß ich.“

Diese Forderung der Frau machte dem Arzte wegen ihrer Originalität Vergnügen und er wollte sich mit ihr einen kleinen Scherz erlauben. Er kannte den Charakter des Berliner Volkes, das bei jeder Rechnung gewohnt ist, noch eine Kleinigkeit abzuhandeln; deshalb beschloß er, eine möglichst niedrige Summe zu nennen, die er natürlich nicht genommen hätte. Nach einigem Besinnen, wobei er that, als rechnete er zusammen, wandte er sich wieder an das Weib, das mit großer Spannung seinen Ausspruch zu erwarten schien.

„Na, sagen Sie nur immer dreist, wie viel wollen Sie, Herr Geheimrath?“ fragte sie.

„Zwei Thaler, Mutterchen, wird wohl nicht zu viel sein?“ erwiderte Heim, durch die ganze Scene belustigt.

„Ein Thaler und zwanzig Silbergroschen werden wohl auch genug sind,“ lautete die Antwort der guten Frau.

Lachend steckte Heim das Geld ein, das sie ihm überreichte. Er pflegte später jungen Aerzten gern diese Geschichte zu erzählen, die er selbst erlebt, um sie auf die zu erwartende Dankbarkeit der Patienten vorzubereiten.

Trotzdem blieb der alte Heim bis an sein Lebensende der Wohlthäter der leidenden Menschen, der treueste Freund der Armen, das Muster eines teilnehmenden und gefühlvollen Arztes, der seinen Lohn in seinem Berufe und im Innern seines edlen Herzens fand.

Max Ring.



Ein Besuch in Hubertusburg.
Bau des Schlosses. – Seine Glanzperiode. – Die Zerstörung. – Der Friede. – Das Lazareth. – Das Magazin. – Erster Eintritt in’s Schloß.
– Die vereinigten sächsischen Straf- und Versorganstalten.

Wohl selten hat ein Schloß ein so wechselvolles Geschick gehabt, als Hubertusburg. Welche Gegensätze! – Das glänzende, prunkvoll ausgeschmückte Lustschloß August des Starken und seines Nachfolgers und – das geplünderte, zerstörte Hubertusburg im siebenjährigen Kriege. Einstmals Schauplatz der üppigsten Hof- und Jagdfeste und dann – Sterbestätte von vielen tausend verwundeten Kriegern. Vorher bewohnt von den Herren der Erde und jetzt – eine Wohnstätte körperlich und geistig elender Menschen. – Ich beschloß, dieses geschichtlich merkwürdige und durch seine Straf- und Versorgungsanstalten so berühmte Gebäude genauer kennen zu lernen. Die Leipzig-Dresdner Eisenbahn brachte mich bald nach Luppe-Dahlen, dem Hubertusburg am nächsten liegenden Bahnhofe. Es war ein schöner Morgen – ich wartete deshalb die Post nicht ab, sondern pilgerte zu Fuß dem Schlosse zu. Der einsame, fast zwei Stunden lange, zum Theil durch Wald und an Teichen vorbeiführende Weg gab mir genug Muße, die Geschichte der Hubertusburg an meiner Seele vorbeiziehen zu lassen.

Auf Befehl August des Starken, der in der mutzschner Haide oft Parforcejagden abhielt, wurde 1721 der Grundstein zum Jagdschloß Hubertusburg gelegt und schon im Jahre 1724 bezog der Kurprinz Friedrich August das in großartigem Style und mit ungeheueren Kosten erbaute Schloß. In vollendeter Pracht, von den Zeitgenossen unvergleichlich genannt, stand es erst 1742 da, nachdem der Graf Brühl die Oberleitung des Baues übernommen. Besonders zeichneten sich durch Glanz und Herrlichkeit die katholische Capelle, der große und kleine Hubertussaal aus. Prachtvolle, mit orientalischem Luxus abgehaltene Hof- und Jagdfeste, schimmernde Aufzüge bilden die Hauptgeschichte des Schlosses während seiner kurzen Glanzperiode und machten es zum Versailles des sächsischen Hofes.

An einem dieser Feste stiftete Friedrich August II., bei Gelegenheit seines Geburtstages und um seine tapfern Officiere, durch deren Hülfe er König von Polen geworden war, zu ehren, den Militair-St. Heinrichsorden. Der benachbarte Horstsee gab genug Veranlassung zu Wasserfahrten und Fischerfesten, allein um hierin ebenso Bewundernswerthes, wie in Moritzburg, veranstalten zu können, fehlte es an der erforderlichen Anzahl prachtvoller Gondeln und an einer Verbindung des See’s mit dem Schloßgarten. Auch dem sollte abgeholfen werden. Der Horstsee, dessen Umfang eine Stunde Wegs beträgt, sollte mit seiner nächsten Umgebung durch eine Mauer eingeschlossen, mit einer Flotille besetzt und mit dem Schloßgarten verbunden werden. Die nachfolgende Kriegszeit machte diese Verschönerungsidee und bald auch die ganze Herrlichkeit zu Nichte.

Siebzehn Jahre hatte das Schloß in seiner Vollendung, seinem Glanze gestanden, da durchtobten Preußische Kriegshaufen die Hubertusburg, der heitern Pracht ein klägliches Ende machend. Preußens großer König nahm Rache für sein von Russen und Sachsen zerstörtes Lustschloß Charlottenburg. Und was der rohe Soldatenhaufe übriggelassen, das durchwühlten schmutzige Berliner Juden, die damaligen Münzpächter Ephraim und Itzig, an die es von dem Hauptmann Quintus Icibius, der mit der Plünderung beauftragt und dafür zum Major befördert wurde, für 72,000 Thlr. verkauft worden war. Das Kupferdach wurde abgerissen, der Thurm seiner großen Glocken und seiner kunstreichen Uhr beraubt. Aus dem gewonnenen[WS 1] Metalle, der Thurm hatte allein 90 3/4 Ctr. Kupfer dazu geliefert, wurde in den Trotzergewölben der Pleißenburg in Leipzig schlechtes Geld, die sogenannten Ephraimiten, geprägt. Alles, was nur einigermaßen werthvoll war, wurde fortgeschleppt. Die starkvergoldeten Schlösser und Bänder, Riegel und Beschläge der Thüren und Fenster wurden abgerissen, die schweren Vergoldungen an Thüren und Wänden abgekratzt und dann chemisch zersetzt. Aus diesen Vergoldungen allein sollen die Juden gegen 12,000 Thlr. gewonnen haben.

Reiche Beute versprach ihnen die prachtvolle katholische Capelle. Schon wollten sie Hand an’s Heiligthum legen, da kam, auf inständiges Bitten des damaligen Hofcaplans, der Befehl Friedrichs, die Plünderung aufzuheben, und die schmutzigen Juden waren geprellt.

Einige Jahre später – und in den Räumen der Hubertusburg versammelten sich die Bevollmächtigten der kriegführenden Mächte, um im Hubertusburger Frieden dem geplagten Deutschland die ersehnte Ruhe zu geben. Als die bevollmächtigten Minister im Schlosse ankamen, fand sich im ganzen großen Hauptgebäude kein Zimmer, das sie hätte aufnehmen können. Nach langem Suchen fand man in der Mitte des dem Hauptpalais gegenüberliegenden ersten Rundflügels einen Saal, in dem die Verhandlungen stattfinden konnten.

Hier kam den 15. Februar 1763 der Friede zu Stande und am 1. März wurden die Ratificationsurkunden in diesem Friedenssaale ausgewechselt. So wurde ein Krieg beendet, von dem Friedrich der Große selbst sagt, daß er ihm etwa 240,000, seinen Feinden aber weit über eine halbe Million Menschen gekostet habe. Längere Zeit stand nun die Burg öde und leer.

Ihre Dächer sind zerfallen,
Und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen drüber hin. –

Nach und nach wurde das Schloß nothdürftig restaurirt und einzelnen verarmten adeligen Familien als Gnadenwohnung überlassen. Da kam die Napoleonische Zeit, die weitläufigen Räume des Schlosses wurden zum Lazareth benutzt und da, wo früher glänzende Freudenfeste abgehalten wurden, da rangen verwundete Krieger mit dem Tode. Auch diese Zeit rauschte vorüber. Die Todesseufzer verstummten. – Im benachbarten Walde grub man ungeheure Gräber und scharrte die Opfer des großen Kaisers hinein. Von etwa 9000 Soldaten, die in dieses Lazareth gebracht wurden, sind kaum 1000 zurückgekehrt, die übrigen harren des großen Appells. Jetzt kennt man diese Begräbnißstätten nur daran, daß dort das Getreide üppiger wächst, und ein speculativer Sohn der Neuzeit dachte sogar daran, die Gräber zu öffnen, um – Knochenmehl daraus gewinnen zu können.

  1. Vorlage: gewonnnenen
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_151.jpg&oldid=- (Version vom 22.6.2020)