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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

wird, bin ich ein elender Mensch und sehe meinen Untergang vor Augen. Die Liebe zu ihr brennt mir wie Feuer im Herzen und in allen Gliedern und dörrt mir das Blut.“

„Bist ein Narr! Diese Traube hängt zu hoch für Dich. Such’ Dir eine andere, in die Du am Stocke beißen kannst.“

„Warum soll sie zu hoch für mich hängen? Ich kann sie mit der Hand erreichen und ich will und muß sie haben. Ihre Mutter ist eine slovakische Magd gewesen –“

„Aber ihr Vater war ein deutscher Edelmann und Bergmeister.“

„Was geht mich der deutsche Edelmann an? Ich will seine Tochter zur Frau. Was der ehemalige Bergmeister? Er ist todt und man weiß nicht, ist er als Schelm oder ehrlicher Mann gestorben. Ihr selbst habt schon gesagt, über dieser Sache ruhe ein Schleier, der wohl niemals gehoben werden würde. Das Mädchen ist arm; sie und ihre Mutter müssen sich ja schier von ihrer Hände Arbeit nähren; denn die paar Gulden Wittwengehalt reichen wahrlich nicht weit.“

„Junge, es gibt noch andere Dinge, um deren willen ich Dir befehle: schlag’ Dir das Mädchen aus dem Sinn. Sieh, das Weib, ihre Mutter, hat mir mein ganzes Leben verdorben. Ein böser Fluch ruht auf diesem Geschlecht. Das Weib hat schwere Sünden auf sich geladen und es steht im Worte Gottes geschrieben: die Sünden der Väter werden heimgesucht an den Kindern. Ich möchte nicht, daß Du auch solch’ ein unglücklicher Mensch würdest, wie ich gewesen und noch heute bin.“

„Vater, das hilft Alles nichts! Ich muß die Lina haben, sonst bin ich verloren. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie mir’s zu Muthe ist. Mir ist, als war’ ich vom Satan besessen. Ich beschwör’ Euch bei meinem zeitlichen und ewigen Heil, thut dazu, daß sie meine Frau wird. Sprecht mit ihrer Mutter, die mir abgeneigt ist.“

„Ich könnte die alte falsche Katze wohl zwingen,“ murmelte der alte Mann mehr in sich hinein, als dem Sohne zu. „Ein Wort und sie müßte.“

„So geht und sprecht das Wort!“ schrie Leberecht auf.

„Dummkopf! Weißt Du denn, ob das Mädchen Dich will?“

„Ach, darüber hab’ ich keine Sicherheit! Sie tanzt mit mir, wie mit unserm Feind Tomanek; sie läßt sich die Huldigungen des Oberbergmeisters gefallen. Seit Ihr den Proceß gegen Tomanek verloren habt, ist dieser bei der Alten Hahn im Korbe, und wenn Herr von Hammerstein Ernst machte, so hätte sie dieser. Ja, ich glaube, sie gäbe ihr Kind dem schlechten Theodoro, wenn er ein reicher Mann wäre, ohne zu fragen, wie er zum Reichthum gekommen.“

„Ich kenne sie; Du beurtheilst sie recht. So war sie stets, und weil sie schön war, wie eine Fee, so hat sie der Männer Herzen bethört und jammervoll unglücklich gemacht.“

„Mir hat sie gestern das Haus verboten und dunkle Worte fallen lassen, als wärt Ihr ein böser, der Hölle verfallener Mann.“

„Hat sie?!“ Die Augen des Alten funkelten unheimlich. „Sie wird dem Teufel auch nicht entgehen.“

„Und als hättet Ihr Umgang mit dem Schachtgespenst, das sich zuweilen in ihrem Hause zeigen und den Ring suchen soll. Sie sagt, Ihr hetztet den Geist auf sie und sie würde nicht unrecht thun, wenn sie Euch deshalb beim Priester verklagte.“

„Mag sie doch!“ lachte der Alte. „Aber sie wird nicht; sie wird Dir im Gegentheil ihre Tochter geben, wenn ich will. Aber es wird Dein Unglück sein.“

„Auf! Geht heute Abend zu ihr! Zwingt sie. Mein Unglück will ich selbst tragen.“




VI.
Die Heirathswerbungen.

Am Abend saß in einem hübschen, kleinen steinernen Hause ein liebliches Mägdlein sinnend am Fenster, eine alte Cither in der Hand, und schaute in das Thal unter ihr und auf die Berge, aus welchen eben die Bergknappen hervortraten. Ihr Auge ging ruhig über die Gegenstände hin und blieb an keinem verlangend haften. Sie selbst war eine ungemein reizende Gestalt. Plötzlich verdüsterten sich ihre reinen Züge. Sie sah einen Mann rasch den Bergpfad nach ihrem Hause heraufschreiten. Sobald sie ihn erkannt hatte, stand sie unwillig auf und verließ die Stube. Wenige Augenblicke später trat der Handelsmann Theodoro herein. Da er das Zimmer leer fand, so rief er auf die Hausflur: „Frau Kathinka!“

Eine ältliche Frau trat herein, die noch deutliche Spuren ehemaliger Schönheit verrieth. Beide grüßten einander vertraulich.

„Ich will Ihnen eine frohe Nachricht bringen,“ sagte er hastig. „Ich erbe ein großes Vermögen und bin in kurzer Zeit ein steinreicher Mann.“

„Von wem?“

„Mein Bruder Georg ist gestorben und hinterläßt es mir.“

„Wo?“ rief die Frau mit Leidenschaft.

„Das weiß ich noch nicht. Aber ich bin hierher gekommen, um meine Legitimationspapiere aufzutreiben. Dann wird mir mein Eigenthum ausgeliefert. Und jetzt bin ich da, um bei Ihnen um Lina’s Hand zu werben. Sie werden sie mir nicht versagen.“

„Wenn Du wirklich ein so gemachter Mann bist, sollst Du meine Tochter haben. Aber erst muß Dein Gerede zur Wahrheit geworden sein; dann seh’ ich Deine Verbindung mit ihr als eine Gerechtigkeit des Schicksals an.“

„Ich verstehe. Sie hätten meines Bruders Frau werden müssen.“

„Er ging und kehrte nicht wieder, untreu seinem mir gegebenen Worte.“

„Ich werde Alles wieder gut machen.“

„Du kannst mir meine Jugend nicht wieder geben.“

„Rufen Sie das Mädchen und sagen Sie ihr, daß sie meine Braut ist.“

„Heute noch nicht, erst muß ich sie vorbereiten; sie hat den halsstarrigen Sinn ihres Vaters. Du mußt Dich ihr erst sehr angenehm machen, eh’ sie Dich nimmt.“

„Wenn ich ihr den Tisch voll Goldstücke zähle, wird sie sich den Mann gefallen lassen.“

„Habe nur erst das Geld, für das Uebrige laß mich sorgen.“

Noch waren Beide im Gespräch begriffen, als ein bürgerlich gekleideter Mann hereintrat, welcher mit dem Griechen in gleichem Alter sein mochte und nach kurzem Gruße sich patzig niedersetzte, als sei er hier Herr im Hause. Hochmüthig warf er den Kopf zurück und sagte:

„Ich habe ein paar Worte mit Ihnen unter vier Augen zu reden, Frau von Schönebeck.“

Dabei sah er den Griechen verächtlich herausfordernd an. Die Frau verständigte sich mit diesem durch Blicke und er verließ die Stube.

„Was ist Ihnen gefällig, Herr von Tomanek?“ fragte die Frau kalt höflich.

„Es ist Ihnen wahrscheinlich schon bekannt, daß ich den langjährigen Proceß gegen den Obersteiger Ambrunn durch alle Instanzen gewonnen habe. Die Grundstücke sowohl, als die Silbergrube „Heiligensegen“ sind nun mein völliges Eigenthum und die Revenuen, die seit fünfundzwanzig Jahren deponirt wurden, sind mir zugefallen, so daß ich, erst schon ein reicher Mann, nun ein noch weit reicherer geworden bin. Nachdem nun Gott mir meine Ehefrau durch den Tod entrissen hat, bin ich gesonnen, mich anderweit zu verehelichen und meine Wahl ist auf Ihre Tochter Caroline gefallen. Ich habe gestern Abend mit ihr in der Tanne getanzt und mich überzeugt, daß sie mir nicht abgeneigt ist, also bin ich gekommen, bei Ihnen geziemend um Lina’s Hand anzuhalten.“’

„Herr von Tomanek, ich danke Ihnen sehr für die Ehre, die Sie mir und meinem Kinde zugedacht haben und ich würde ohne Zaudern Ihr Anerbieten annehmen, wenn ich daran nicht durch ganz besondere Umstände im Augenblick verhindert wäre, was mir absonderlich leid thut. Seien Sie übrigens versichert, daß der gezwungene Anstand sich durchaus nicht auf Ihre Person bezieht und daß, wenn derselbe gehoben, Ihre Wünsche wohl erfüllt werden dürften.“

„Ist der Anstand mit Geld zu beseitigen,“ sagte Tomanek mit einer unverschämten Gebehrde und klapperte dazu mit harten Silberstücken in der Hosentasche, „so nennen Sie mir die nöthige Summe, damit ich sie Ihnen heute noch überliefere.“

„Schönsten Dank, Herr von Tomanek,“ antwortete die Wittwe freundlich, wie ein Kätzchen. „Mit Geld ist die Sache nicht abgethan;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_158.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)