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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Beschützerin stiegen die Treppe hinauf; der General blieb unten und indem er Jenen nachsah, sagte er lächelnd für sich:

„Sieh da, ein allerliebster Ersatz für meine kleine ungetreue Leontine.“

Ein paar Schritte weiter gehend, begegnete ihm Fellmer, jener herumtreiberische frühere Schauspieler, den der Leser bereits kennen gelernt hat. Er grüßte seinen vornehmen Gönner mit großer Unterwürfigkeit. Der General rief ihn zu sich heran.

„Hm, wie gehts, alter Bursche?“

„Excellenz zu Befehl, ganz wohl.“

„Er schleicht noch immer herum und fängt Mäuse für vornehme zahnlose alte Kater?“

„Excellenz haben mir lange keinen Auftrag gegeben.“

„Unverschämter! gehöre ich etwa –“

„O, nichts als ein submisses Eingehen auf gnädige Scherze,“ erwiderte Fellmer und machte eine tiefe Verbeugung.

„Hat Er die junge Dame bemerkt, mit der ich eben die Straße herunter kam?“

„Hab’s, Excellenz.“

„Kennt Er sie?“

„Noch nicht.“

„So such’ Er sie kennen zu lernen und bringe Er mir morgen, nach der Parade, Rapport; ich werde im Kastanienwäldchen auf Ihn warten.“

„Werde nicht ermangeln.“

„Jetzt fort, bei Seite! Ich sehe den Wagen meiner Braut herankommen.“

„Die Excellenz, die Gräfin Wellenthal neben der Excellenz, der Frau Ministerin,“ schmunzelte Fellmer, indem er auf die andere Seite der Straße schlüpfte und vor einem Bilderladen stehen blieb.

Der Wagen hielt an und der General, nachdem er einige Worte mit den darinsitzenden Damen gewechselt, stieg ein und der Wagen rollte der Wilhelmsstraße zu, in der die Ministerin wohnte.

Fellmer schlich sich in das Haus der Präsidentin, dessen Portier er kannte.




V.

Am Vorabend des Benefiztages fuhr eine leichtgebaute Chaise, in der zwei Herren saßen, den Weg dahin zum Oberforstamte zu Wilhelmsfelde. Es war in den warmen Mittagsstunden, trotzdem aber hatte sich einer der Herren in einen Pelz gehüllt und mit einer Mütze bedeckt, während sein Gesellschafter mit einem leichten Mantel bekleidet war, der, halb von seinem Nacken herabgleitend, die breite Brust und die stolzen Schultern des kräftigen Mannes sehen ließ, zugleich saß der elegante Hut auf der Fülle der lichtbraunen Locken keck auf einer Seite. Die dunkeln Augen dieses Mannes, dem man es nicht ansah, daß er bereits weit im vorgerückten Mannesalter stand, sahen sich mit Lust in der Landschaft um und schienen die wohlbekannten Gegenstände zu begrüßen. Es war drei Uhr, als man im Forsthause anlangte.

Der Oberförster kam seinen Gästen entgegen und auf der Schwelle des Hauses stand die Frau Oberförsterin mit zwei Töchtern. Iffland und der Collaborator Roland, denn dieses waren die Reisenden, stiegen aus und Iffland warf sich in die Arme des Oberförsters. Der Collaborator bat, man möchte ihm erlauben, erst in der Stube seinen Pelz abzulegen, da er die noch immer rauhe Luft scheue. Die beiden Mädchen nahmen den ängstlichen Mann in ihre Mitte, führten ihn in das große Besuchzimmer und nahmen ihm hier vorsichtig die Winterbekleidung ab; ein kleines Jäckchen, leicht gefüttert, behielt er jedoch an, da, wie er sagte, man in dieser Zeit gewöhnlich aufhöre zu heizen und daher die Zimmer oft empfindlich kühl seien.

Der Oberförster, der bereits dreißig Jahre dieses Amt bekleidete, war ein Mann von altem Schrot und Korn, von einfachen Sitten und mit einer Physiognomie, die Ehrlichkeit und Herzensgüte ausdrückte. Sein bereits völlig ergrautes Haar trug er zurückgekämmt und mit einem Hornkamme im Nacken festgehalten; die Eheliebste dieses Ehrenmannes war eine noch ganz wohlerhaltene, hübsche Matrone in einem ländlichen einfachen Putze. Die Kaffeekanne stand auf dem Tische und eben aus dem Ofen gekommenes Backwerk dampfte in einer Porzellanschüssel. Der Fußboden des Zimmers war mit Sand bestreut und die Vorhänge des Fensters blendend weiß. Die Fenster standen offen und gestatteten einen Blick in den bereits ziemlich grünen Wald.

„Alter Bruder,“ rief Iffland, nachdem die ersten Fragen und Begrüßungen vorbei waren, „ich komme, Dich zu morgen in’s Schauspiel einzuladen. Der arme geplagte Mann, der Iffland, hat sein Benefiz; ich hoffe, Du wirst dem armen Teufel den Trost Deiner Gegenwart nicht versagen.“

Der Oberförster sah seine Frau an und Beide nickten und sagten mit einem freundlichen Lächeln:

„Wir werden kommen.“

„Herr Collaborator, eine Pfeife echten Knasters, wenn’s beliebt,“ sagte der Alte zu dem Gaste, der beschäftigt war, eins der Fenster zu schließen.

„Ich rauche nicht, lieber Herr.“

„Sie rauchen nicht? Ei, wer nicht liebt Wein, Tabak und Gesang, der bleibt ein Thor sein Lebenlang,“ sagte der Alte und setzte darauf hinzu: „Sie bemerken wohl, ich habe das Lied verändert, statt Weiber nehme ich Tabak, und das thue ich meiner Alten zum Verdruß, die den Tabak nicht leiden mag.“

„Weil er die Vorhänge schwärzt,“ erklärte die Oberförsterin, die dem Collaborator einen freundlichen Blick zusandte.

„Uebrigens, wenn Dr. Luther den Tabak gekannt hätte, wer weiß, ob er nicht selbst das Lied so gedichtet hätte, wie ich es singe,“ gab der Oberförster noch zum Besten und sah sich schalkhaft dabei das weibliche Personal seines Hausstandes an.

„Sicherlich nicht, alter Freund,“ erwiderte Iffland, der eine kurze Thonpfeife genommen hatte und diese ziemlich ungeschickt handhabte, denn er war auch kein Raucher; „unser Doctor Martinus hatte an seiner Bora die Frauen von einer Seite kennen gelernt, die ihn lehrte, sie dem besten virginischen Kraute, wenn er es auch gekannt und geliebt, weit vorzuziehen.“

„Nun, es war auch nur Scherz,“ begütigte der Sprecher. „Was macht denn Euer Junge?“

„Er exercirt fleißig.“

„Das ist recht. Ein junger Hund will einen Knochen haben, an dem er nergelt und die Zähne übt. Das unnütze Herumwirthschaften mit Gewehr und Patronentasche ist dazu gut, daß die junge Kraft etwas zu thun hat und nicht auf Abwege geräth. So sehe ich die Sache an. Sonst ist der Soldat im Frieden eigentlich eine alberne Figur.“

„Er hat neulich wieder den ersten Preis im Scharfschützencorps erhalten,“ sagte Iffland. „Der Junge schießt, wie der Teufel.“

„Nicht wie der Teufel, lieber Director,“ verbesserte die Frau Oberförsterin, „der böse Feind ist allezeit ein erbärmlicher Schütze gewesen; er hat, wo er es auch darauf angelegt, nie in’s Ziel getroffen.“

„Was weißt Du davon, Alte,“ bemerkte der Mann, „hat Dir das unser Herr Pfarrer gesteckt, mit dem Du gestern Abend eine Partie l’Hombre spieltest?“

„Ich weiß, was ich weiß,“ erwiderte das Mütterchen schnippisch. „Aber wo ist denn Mamsell Lohmann? Hat sie keine Zeit gehabt, mit Ihnen herauszukommen?“

„Sie studirt ihre Rolle.“

„Hm!“ nahm der Oberförster das Wort, „das Mädchen ist brav, ich habe nichts gegen sie, ihr seliger Vater ist mein Jugendfreund – dennoch, ich sage es nochmals, nehme ich sie nicht zur Tochter an – denn eine Schauspielerin –“

„Nun – nun! Sprich nur aus, alter Knabe!“ brummte Iffland.

„Du bist mein Freund, August, und bist ein Ehrenmann. Alle Welt kennt Dich als solchen, von Dir also kann nicht die Rede sein. Ich spreche nur von dem Stande überhaupt. Es ist noch gar nicht so lange her, daß die Obrigkeit und die hohe Geistlichkeit sogar ein ehrliches Begräbniß einem Manne versagte, der vor den Lampen agirte.“

„Eben weil es so war, so ist es jetzt nicht mehr so und wird noch besser werden!“ rief Iffland. „Der Schauspieler ist eingetreten in die Reihe der Künstler, und ein echter Künstler soll seine Mitmenschen belehren, bessern und alles dieses, indem er sie erheitert und erfreut. Ich will nicht sagen, daß ich ein guter Schauspieler bin, es gibt bessere wie ich, und dennoch ist es mir mehr als einmal gelungen, junge Verirrte auf die Bahn der Tugend einzig durch meine Kunst zurückzuführen. Nur an ein Beispiel

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_230.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)