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verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Räume in einen hellen, wo ein beliebiger Mensch in Ruhe dastand oder saß, so währte es nicht lange und die Person stand auf, wendete den Kopf oder eilte wohl gar fort, obgleich der Beobachter durch eine enge Ritze sah und durchaus nicht gesehen werden konnte. Blickt man ein schlafendes Kind eine Weile an, so wird es sich regen und endlich erwachen.

„Unsere nächste Aufgabe war es nun, zu ermitteln, ob nicht der Gedanke die Ursache dieser auffallenden Erscheinung sei. Zu diesem Behufe wurden nun fortgesetzte Versuche angestellt und nun Objecte nicht mehr betrachtet, sondern an sie gedacht, verschiedene Alter und verschiedene Entfernungen gewählt, mit ihnen geistig correspondirt und wirklich ausgefunden, daß der Gedanke gleich einem elektrischen Funken überspringt. Die überraschendsten Versuche gelangen mir im Kreise meiner Familie und es kam sehr häufig vor, daß mein eben gefaßter Gedanke von einem der bei mir stehenden Kinder fast mit denselben Worten ausgesprochen wurde, und zwar geschah es meist augenblicklich. Diese Versuche gaben oft zu vielem Vergnügen Anlaß, zumal wir nie an Personen telegraphirten, bei welchen wir eine Beleidigung vermuthen konnten. Am häufigsten gelang das Telegraphiren mit einem Herrn .... aus Leipzig, welchen wir regelmäßig citirten, wenn Briefe an ihn zum Abholen vorlagen. Einer der interessantesten Versuche wurde mit einem jungen, eben über See gekommenen Manne gemacht, wo wir bei Zeugen telegraphieren, die Zeit genau aufschrieben und ihn bei seiner Ankunft ausfragten, wann er den Entschluß gefaßt habe, zu uns zu kommen; die Zeit stimmte mit der unsrigen so genau überein, daß der Beweis damit geliefert war, daß der Gedanke selbst bis zu einer Viertelstunde Weges in demselben Augenblicke hingelangt war.

„Allmählich dehnten wir unsere Operationen so aus, daß wir uns nicht nur allerlei Modifikationen und Seitenversuche erlaubten, sondern daß wir sie nach allen Richtungen und Entfernungen gehen ließen. So fanden wir, daß das Telegraphiren zwischen Newyork und Albany, zwischen Newyork und Chicago gerade so leicht auszuführen war, wie nach einer Straße der Stadt Newyork, nur bleibt es unerklärlich, daß man seine Gedanken an eine Person senden kann, welche man gar nicht wohnen weiß und auch lange Zeit nicht gesehen hat.

„Endlich wagten wir uns über’s Meer und auch hier waren zwei Versuche nach Wunsch ausgefallen, der eine zwischen Sachsen und Newyork, wo jedoch die Zeit nicht bestimmt werden konnte, der zweite zwischen Hessen-Cassel und Newyork, und bei letzterem wurde am Abend nach sieben Uhr telegraphirt und am frühen Morgen des nächsten Tages war die Wirkung hier. Es wurden bei letzterem Versuche ebenfalls Zeugen hinzugenommen, die Zeit genau aufgeschrieben und gewartet, bis das nächste Dampfschiff einen Brief brachte. Alles traf pünktlich ein und die Zeit stimmte, nur vermuthen wir, da eine Nacht dazwischen war, daß dies die Wirkung um mehrere Stunden verspätet hat. Die nächsten Versuche sollen nun mit Hülfe genauer Tabellen fortgesetzt werden.

„So sind noch eine Menge Versuche gelungen, welche aufzuzählen sicher ermüden würde, und wir heben nur hervor, daß schon oft wichtige Entdeckungen, z. B. astronomische Berechnungen u. s. w. zu ganz gleicher Zeit an ganz entfernten Orten gemacht und veröffentlicht wurden, ohne daß Einer von dem Anderen vorher etwas erfahren hatte.

City Newyork.

Ludwig H–ss–.“



† Adolf Schults. Am 2. April. Deutschland hat einen schweren Verlust zu beklagen. Am 2. April in der Frühstunde starb nach langem Siechthum der Dichter Adolf Schults in Elberfeld.

In ihm ist uns ein Talent entrissen, was in seiner Art zu den bedeutendsten gehörte, welche die deutsche Literatur besitzt. Wir haben keinen Dichter, der die Poesie des Hauses so tief erfaßt hätte, wie Schults, und die Leiden und Freuden des häuslichen Heerdes mit solcher Innigkeit und solcher Wärme des Gefühls ausgesprochen. Viele seiner dahin gehörigen Gedichte, namentlich in „Haus und Welt“ und im „Harfner am Heerde“ stehen geradezu einzig da. Wir erinnern unsere Leser nur an das neulich abgedruckte illustrirte Gedicht: Abends, wenn die Kinder mein etc.

Wir sehen, was er geworden ist, und wir fühlen, was er hätte werden können, wenn das Glück, das gewohnt ist, an tausend Unwürdige seine Schätze mit vollen Händen zu verschleudern, ihm nur so viel gewährt hätte, um sich frei entfalten zu können. Aber die Arbeit des Tages (er war Commis im Hause der Herren Simon’s Erben) mußte für ihn und die Seinigen das Brod erringen; ihm selbst gehörten nur die wenigen Abendstunden und die Stunden der Nacht. Körperlich und geistig müde und abgespannt, schuf er dennoch da seine Lieder voll Duft und Frische, und seine epischen Dichtungen, den „Luther“, den „Servet“ und den „Ludwig Capet.“ – Diese stillen Stunden des Schaffens, es waren die Sonnenpunkte in seinem Leben; sonst hat es nur selten ein freundlicher Strahl erhellt, wohl aber war es reich an gescheiterten Hoffnungen, zerstörten Plänen, an Jahren voll herben Kummers! Das hat ihn vor der Zeit aufgerieben. Man sagt oft, das Talent wachse unter dem Drucke; wo aber der Druck zu stark wird, da geht es zu Grunde, und Schults ist mitten in seiner Entwickelung zu Grunde gegangen. Ein Dichtergemüth, wie er es im Busen trug, mußte zuletzt unter den anstürmenden Sorgen, wirklichen und eingebildeten, erliegen.

Mit Schults starb einer der edelsten Menschen. Er war in Allem Muster, ein liebender Gatte, ein sorgsamer Vater, ein aufrichtiger Freund, – überall ganz offen, wahr und ohne Falsch! Was seine Familie und seine Freunde an ihm verlieren, das ist so hart und schwer, daß es gar nicht zu sagen ist!

Wir können es nicht unterlassen, sein letztes Gedicht, das er wenige Tage vor seinem Tode niederschrieb, hier mitzutheilen, und sind überzeugt, daß es jeden Leser auf das Tiefste ergreifen wird.


Friedhof, drauf mein Vater ruht,
Deine Weiden seh’ ich winken!
O, mich dünkt, sie meinen’s gut:
Ruhe, Ruhe soll ich endlich trinken.

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Aber nein, ihr Winker, nein,

Darf noch nicht bei euch erscheinen!
Augenpaare, groß und klein,
Sieben Augenpaare würden weinen!

O, und eins, das Tag und Nacht

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Jene sieben mußte lenken,

Das für mich gefleht, gewacht, –
Würde trostlos seine Wimper senken.

Du, o meines Vaters Geist,
Kannst du mir kein Zeichen senden,

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Das Genesung mir verheißt?

Das da sagt: noch einmal wird sich’s wenden?

Still! die Weiden auf der Gruft
Lassen ab von ihrem Winken, –
Soll in Gottes reiner Luft

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Ich noch einmal mir Genesung trinken?


Du, mein Vater, habe Dank,
Daß für mich dein Ohr noch offen!
Ach, dein Sohn, so schwach und krank,
Will noch einmal hoffen, hoffen, hoffen!

* * *

Wie wir hören, ist in Elberfeld eine Subscription zu Gunsten seiner zahlreichen Hinterlassenen eröffnet worden, an der sich die reichsten Häuser mit namhaften Summen betheiligen werden. – In einer der nächsten Nummern werden wir Portrait und Biographie des Frühverschiedenen bringen.





Braunschweig geht in den kommenden Jahren mancherlei Conflicten entgegen, wenn der ältere, in Paris lebende Herzog Karl den jüngeren, jetzt regierenden überleben sollte. Entweder tritt dann der Herzog Karl in seine vollen Regierungsrechte wieder ein, oder es wird, da bekanntlich der deutsche Bundestag die Regierungsfähigkeit des Verbannten bezweifelt, eine Regentschaft aus die Zeit seines Lebens für ihn eingesetzt, oder der König von Hannover, dem die braunschweiger Lande nach Absterben der jetzigen Linie zufallen, sieht die Erbschaft bereits als zugefallen an und nimmt das Herzogthum für sich in Besitz, um es sofort mit seinem Königreiche zu verbinden. Das Letztere wäre im Interesse des gut regierten Herzogthums am wenigsten zu wünschen, auch werden sich die braunschweiger Staatsdiener, die meist einer freien Richtung huldigen, sehr wenig in der Rolle als königliche Diener gefallen. – Ueber den Aufstand der Stadt Braunschweig am 6. Septbr. 1830 und den Herzog Karl selbst ist übrigens vor Kurzem in Leipzig ein Buch in actenmäßiger Darstellung erschienen, das mit großer Unparteilichkeit geschrieben ist und mancherlei Aufschlüsse bringt, die bis jetzt unbekannt waren.




Berichtigung.[1] In Nr. 14 der Gartenlaube kommt in dem Artikel: „Heimgegangene, von Herm. Marggraff“ in Bezug auf Jahn eine Stelle vor, die einer Berichtigung bedarf.

Jahn hat nämlich während der Erleidung seiner Festungsstrafe in Küstrin und Kolberg niemals in Ketten und Banden gesessen, wie der Verf. angibt, und wissen dies seine noch heute hier lebende Wittwe und der Unterzeichnete, ein näherer Bekannter von ihm, ganz genau. Wenn nun aber der Verf. sogar noch überdies anführt, daß Jahn in den Freistunden mit den auf dem Walle liegenden Kanonenkugeln athletische Uebungen angestellt, sich auch der nöthigen Leibesbewegung halber auf demselben hin- und hergewälzt habe (wiederum sehr unglaublich und ganz unwahrscheinlich, weil doch wohl jeder intelligente Turner sich noch auf andere Weise auf dem ihm gebotenen Raume nützlichere Bewegung verschafft haben würde, als sich im Staube und Schmutze herumzusuhlen), so fällt die pikante Behauptung eigentlich schon dadurch in sich selbst zusammen, daß es einem mit Ketten Belasteten wohl an und für sich schon unmöglich sein dürfte, dergleichen gefährliche athletische Spiele vorzunehmen, wozu doch die volle freie Bewegung des Körpers durchaus erforderlich ist. Eduard Fiedler in Freiburg a. d. U.



  1. Die Redaction der „Gartenlaube“ hat die Güte gehabt, mir die vorstehende sogenannte Berichtigung vor deren Abdruck zur Einsicht mitzutheilen. Ich kann dagegen nur bemerken, daß Jahn selbst zu verschiedenen Zeiten und gegen verschiedene Personen behauptet hat, eine Zeit lang in Küstrin Ketten getragen zu haben, wie das mir auch von meinem verstorbenen Bruder, einem Augen- und Ohrenzeugen, erzählt worden ist. Dieselbe Behauptung findet sich in Pröhle’s bereits 1855 erschienenem Buche über Jahn. Da ich dieses gerade nicht zur Hand habe, so kann ich nur aus W. Alexis’ Aufsatz darüber in den „Blättern für literarische Unterhaltung“ die betreffende Stelle mittheilen. Hier heißt es in Nr. 12, Jahrgang 1856, Seite 211: „Er soll, was wir aus der Pröhle’schen Biographie erfahren, einige Zeit in Küstrin Ketten getragen haben!“ Freilich nur eine Zeit lang, und vielleicht eine nur sehr kurze Zeit; auf wessen Anordnung, können wir nicht wissen. Von seinen Uebungen auf den Wällen mit Kanonenkugeln u. s. w. ist nicht blos von einem, sondern von mehreren Augenzeugen berichtet und später von Jahn gegen mich selbst bestätigt worden; Recke u. s. w. gab es ja dort nicht. Entweder fielen diese Spaziergänge auf den Wällen bereits in die Zeit, wo er überhaupt nicht mehr in Ketten saß, oder man nahm sie ihm für die Freistunde ab, in welcher es ihm gestaltet war, sich unter militairischer Begleitung in freier Luft zu erholen.
    Herm. Marggraff.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1858, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_240.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)