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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

nichts auszurichten. Sophie befand sich im Forsthause. Das liebenswürdige Mädchen schmeichelte sich durch täglichen Umgang in das Herz der redlichen, alten Frau, und es gelang ihr, selbst die Starrheit des Vaters nach und nach zu lösen, indem ihr der günstige Eindruck, den das Schauspiel auf den Alten gemacht, vorarbeitete. Er schrieb an Iffland:

„Ich fange an, zu glauben, daß, nachdem ich Dich habe Komödie spielen sehen, es doch auf den mir so verhaßten Bretern ehrliche und brave Menschen geben kann, die Gott, ihren Nebenmenschen und der guten Sache dienen, wenn es auch nicht auf die Weise geschieht, wie wir Andern es thun. Mein Anton hat seinen Kopf aufgesetzt und da er eben so eigensinnig ist, wie der Anton im Stücke, und ich ihn eben so lieb habe, wie mein Amtsbruder im Stücke seinen Anton lieb hat, so – nun, das Weitere wird sich finden. Der Wald steht jetzt im besten Flor; komm bald zu uns heraus oder erlaube, daß ich mit meiner Alten zu Dir komme; Riekchen, oder vielmehr Mamsell Sophie, muß doch säuberlich von uns dort wieder abgeliefert werden, von wo wir sie bekommen, sonst passirt es zum zweiten Male, daß ein herumstreifender Spitzbube, wie Ihr sie in Euren Städten groß zieht, sie meinem Jungen vor der Nase wegfischt.“

Dieser Brief trug sehr viel zu Ifflands Genesung bei. Sein erster Ausgang war in das Haus der Ministerin, die ihn hatte zu sich bitten lassen. Er traf eine kleine, aber auserlesene Gesellschaft beisammen, in der sich auch die Gräfin Wellenthal befand. Die Vorgänge der letzteren Wochen waren diesem Kreise nicht fremd geblieben; doch war es dem vornehmen und angesehenen Wüstlinge, um dessen Verbrechen es sich hier besonders handelte, gelungen, alle Schuld von sich zu wälzen und jede Spur eines Mitspielens in diesem unglücklichen Drama zu tilgen. Iffland wußte um die Künste, die der Freche angewendet hatte, vor der Welt sich die reiche Braut und den Namen eines ehrlichen Mannes zu bewahren, und er beschloß, sie zu nichte zu machen. Seine Gönnerin, die Gemahlin des Ministers, war seine Vertraute und Helferin. Auch ihr lag Alles daran, die Freundin aus ihrem Wahne zu reißen, sie den Charakter des Verhaßten klar sehen zu lassen, wo denn nothwendig das Bündniß getrennt werden mußte. Die Aufschlüsse, die man der Gesellschaft geben, die Strafe, die man den Schuldigen zukommen lassen wollte, mußte in die Form eines gesellschaftlichen Scherzes eingekleidet werden. Iffland entwarf rasch den Plan eines kleinen Drama’s, in welchem nur er allein agirte. Seine Gabe, fremde Stimmen täuschend nachzumachen, kam ihm dabei trefflich zu statten. Es wurden Sprüchwort-Spiele aufgeführt, und als die Gesellschaft eine Anzahl derselben bereits gesehen und sich daran erfreut hatte, wurde geschickt das betreffende Stück eingeschoben. Die Bühne stellte den Gang in einem Gefängnisse vor, zur Rechten und zur Linken zwei vergitterte Thüren.

Iffland erschien. Er stellte einen Fürsten vor, der sich in den Kerker begeben hatte, um selbst zu hören und zu sehen, weshalb und wie man die Strafbaren eingeschlossen. Nachdem er bereits ein paar Gemächer durchspäht, näherte er sich der Gitterthüre zur Rechten. Er fragte, weshalb der Gefangene hier eingeschlossen sei, und eine bekannte Stimme, die Iffland täuschend nachmachte, indem er sich halb wie lauschend in die Coulisse bog, erwiderte: „Man hat mich eingesperrt, weil ich mich lächerlich gemacht habe.“

„Ach,“ sagte Iffland, „das ist allerdings ein großes Verbrechen, ja, ich möchte behaupten, das größte, welches sich innerhalb der Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, begehen läßt. Doch wie hast Du Dich lächerlich gemacht, mein Freund?“

„Einen harmlosen Scherz,“ entgegnete die Stimme, „wollte ich dadurch rächen, daß ich gegen die Ehre, die Ruhe, ja gegen das Leben eines ehrlichen Mannes zu Felde zog.“

„Wer war dieser ehrliche Mann? War er etwa aus Deinem Stande?“

„O nein! alsdann hätte ich ihn zu schonen nöthig gehabt; es war nur ein elender Komödiant.“

„Wie!“ rief Iffland, „hör’ ich recht! Gerade dieser elende Komödiant hat mich, dem Fürsten, gebeten, Dir die Freiheit wiederzugeben. Geh’ – und wenn Du künftig wieder Helfershelfer dingen willst, um den elenden Komödianten öffentlich beschimpfen zu lassen, so wisse, daß seine Börse Dir zu diesem Behufe zu Gebote steht.“

Man lachte, und Graf Sylchon, der gegenwärtig war, verschwand in dem Augenblicke, als er seine eigene Stimme aus dem Gitter des Gefängnisses hatte ertönen hören. Wenige Tage darauf verließ er Berlin, nachdem er einem Freunde geschrieben:

„Es ist unmöglich, mit diesem Teufel von einem Possenreißer Krieg zu führen und Sieger zu bleiben. Ich gehe um meinen Abschied ein und sehe Berlin nie wieder.“

Vor der zweiten vergitterten Thüre stehen bleibend, richtete der Fürst obige Frage auch hier an den Eingekerkerten. Auch hier antwortete eine der Gesellschaft bekannte Stimme:

„Frage nicht, Fürst, nach meinem Vergehen; nur eine Frau kann mir verzeihen, und ich zweifle, daß sie es thun wird, wenn sie den ganzen Umfang meiner Schuld inne wird.“

„Alsdann wende Dich an die, welche Du am tiefsten beleidigt hast; ich habe hier nichts zu thun,“ entgegnete der Fürst.

Alle in der Gesellschaft wußten, auf wen sich diese Worte bezogen, allein man hütete sich wohl, die Gräfin anzublicken, die, in ihren Shawl gehüllt, in den Polstern ihres Fauteuils lag, scheinbar völlig unberührt von dem, was sich ihrem Auge und Ohr darstellte. Nur die Ministerin konnte es nicht lassen, einen besorgten Blick auf ihre Freundin und einen höhnenden auf den General Xavier zu richten, der ihr zur Seite am Eingange der kleinen Bühne lehnte.

Wenige Tage darauf wurde dem Hofe und der Gesellschaft bekannt gemacht, daß das Verlöbniß des Generals mit der Gräfin Wellenthal gelöst worden. Iffland erhielt von seiner schönen Gönnerin eine goldene Tabatière mit einem Zettel darin, auf dem die Worte standen:

„Groß auf der Bühne, größer außer derselben.“

Wir eilen jetzt zum Schlüsse unserer Erzählung. Daß Anton und Sophie sich im glücklichen Bunde für’s Leben vereinten, erräth nun wohl der Leser. Daß aber in der festlich ausgeschmückten Wohnung des berühmten Schauspielers noch ein zweites Paar an demselben Abende sich ein feierliches, gegenseitiges Gelöbniß that, möchte der freundliche Beschauer, der bis hierher unser Gemälde betrachtet hatte, nicht so deutlich haben vorhersehen können. Es war der Collaborator, der seine Florine heimführte. Iffland’s Freude über dieses zweite Bündniß war nicht geringer, als über das erste. Der Collaborator aber verbat sich alle zu sehr aufregenden Bemerkungen und Glückwünsche und ging gerade an diesem Abende eine halbe Stunde früher zu Bette, indem er behauptete, daß eine Hochzeit bei so vorgerückten Jahren kein Fest, sondern nur eine neue, bequeme und diätetische Anordnung sei, die, wie jede medicinische Vorschrift, in der größten Ruhe und ohne alle Störung vorgenommen werden müsse. An der Abendtafel wurden die Toaste ausgebracht:

„Anton und Sophie – Ottokar und Florine.“

Iffland setzte in seliger Freude hinzu: „Und August und Laura.“

Die Präsidentin reichte ihm die Hand über den Tisch hin und der Präsident fügte hinzu: „Hierbleiben!“

„So sei es!“ rief Iffland, „aber nun laßt uns auch die Gläser erheben auf das Wohl von Preußens schönster und hochgestelltester Frau.“

Mit dem Namen „Louise“ erklangen hell die Gläser.




Eine Reise im Apenninengebirge – – des Mondes.
Ein Beitrag zur Verbreitung naturgemäßer Ansichten von H. Wendel.
Erster Artikel.

Wie mag es denn wohl auf dem Monde eigentlich aussehen? Mag es dort auch Menschen, Thiere, wie bei uns, geben? – Diese und ähnliche Fragen hat sich wohl Jeder schon einmal gestellt. Es dürfte darum gewiß von allgemeinem Interesse sein, eine genauere Schilderung der dortigen Natur zu hören. Von Zeit zu Zeit sind zwar einzelne solche Unternehmungen in’s weitere

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_244.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)