Seite:Die Gartenlaube (1858) 266.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

(in welchen allen nur ganz wenig Baumwolle gepflanzt wird, weil nur die heißesten Niederungen dazu passen), so würde das Gehässige derselben nicht so sehr hervortreten und man könnte sogar dafür einstehen, daß in wenigen Jahrzehnten das ganze Institut verschwunden wäre, weil der Weißen Arbeit erwiesenermaßen billiger, praktischer und nutzbringender ist, als Sclavenarbeit. Etwas ganz Anderes aber ist es in den Reis-, Zucker- und Baumwollenstaaten, wo Arbeit von Weißen der Hitze wegen radical unmöglich ist und wo also auch nicht das Land in kleinere Farmen zerspalten wird, weil sich der Bauer nicht hindrängen kann, sondern Alles in den Händen der „Reichen“, der „Plantagenbesitzer“ lassen muß. Nach Mississippi, Louisiana, Georgia, Alabama etc. muß man gehen, wenn man wissen will, was Sclaverei ist, und ehe einer auf einer „Plantage“ war, kann er auch kein Urtheil fällen, wie es mit dem „schwarzen Volke“ gehalten wird.

Allerdings gibt es gewisse Grundzüge und Gesetze, welche allen Sclavenstaaten gemeinsam sind. Darunter ist namentlich zu rechnen, daß der Sclave gesetzlich kein Individuum ist, sondern eine Sache, so zu sagen ein „persönliches Object“, ein Ding nicht anders anzusehen, als ein Pferd oder ein Ochse! Darüber sind alle Sclavenstaaten einig, wie auch darüber, daß ein Sclave weder als Ankläger, noch als Zeuge gegen einen Weißen auftreten kann. Ferner geben die Meisten einem Jeden das Recht, einen flüchtigen Sclaven zu tödten, wo man ihn trifft. Viele erlauben dem Herrn sogar, einen blos widerspenstigen Nigger kalt zu machen. Ja, nicht' Wenige sind darüber einverstanden, daß ein Sclave schon, wenn er einen Weißen nur beleidigt, dem Tode verfallen sei. Aber – ein übereinstimmendes, in allen Einzelnheiten übereinstimmendes Sclavengesetz gibt es nicht, sondern jeder Staat macht sich seine Gesetze hierüber selbst, und je milder und sanfter die Behandlung der Sclaven in einem Staate für gewöhnlich ist, um so milder und sanfter sind auch die Gesetze. Ueberdies – in den Tabaksstaaten ist die Handhabung dieser Gesetze, die Art und Weise ihrer Ausführung eine ganz andere, als in den Baumwollen- oder gar den Zuckerstaaten. Gesetzlich ist der Sclave auch in Delaware und Missouri eine Waare, aber in der Praxis fühlt’s derselbe nicht, weil man es ihn nicht fühlen läßt, weil er generationenweise in derselben Familie lebt und mehr als Mitglied derselben angesehen wird, denn vielleicht der gemiethete weiße Söldling! Gesetzlich ist es dem Sclaven auch in Texas und Maryland nicht erlaubt, gegen einen Weißen als Zeuge aufzutreten, aber rechtlos ist derselbe deswegen in diesen Staaten doch nicht, denn die Tabaksstaaten alle haben Gesetze erlassen, welche den Sclaven vor den Mißhandlungen seines Herrn schützen, und man darf nicht daran zweifeln, daß, wo eine Mißhandlung vorkommt, auch die Untersuchung nicht ausbleibt.

Ganz anders ist’s in den Baumwollen-, Reis- und Zuckerstaaten, in welchen die schwarze Bevölkerung zum mindesten 50, oft aber auch 60 und 70 Procent ausmacht. Hier ruht alle Händearbeit (wenigstens alle Feldarbeit) auf den Sclaven und man würde ihnen auch die geistige (die des Kaufmanns, Künstlers etc.) aufbürden, wenn sie die Capacität dazu hätten. Betrachten wir einmal eine der Plantagen, wie man sie in den südlichsten Staaten vorfindet. Wie die eine, so sind sie alle. Der Unterschied liegt blos in dem größeren oder kleineren Umfange, in der mehr oder minder großen Anzahl der Sclaven, in der milderen oder strengeren Herrschaft des Aufsehers.

Die Plantage liegt in der Niederung. Vielleicht an der Sabine, vielleicht am Redriver (rother Fluß), oder am Arkansas, oder am Mississippi. Sumpf und Oede herrscht vielleicht nur eine Stunde von der Plantage, denn der Fluß mit seinen flachen Ufern überschreitet oft seine Grenze, und die Plantage unseres Baumwollenpflanzers erscheint daher im Gegensatz gegen jenen Sumpf nur wie ein Blüthengarten. Auf erhöhtem Räume, ganz versteckt zwischen dunkeln Orangen- und Granatbaumhecken liegt das Herrenhaus. Es ist ein großes, luftiges Gebäude, vielleicht noch mit einem Thurme aus den Zeiten der ersten ritterlichen Gründer von hundert Jahren her versehen, jedenfalls mit vielen kleinen, unregelmäßigen Anbauten, wie es der Zuwachs der Familie und die Liebhaberei der späteren Besitzer erheischte. Sechs Fuß breite Portale, hohe Ballone, verandaartige Vorbaue gereichen ihm zu nicht geringer Zierde. Ringsum blüht ein herrlicher Garten mit chinesischen Bäumen und sonstigen tropischen Gewächsen. Breite lange Alleen durchschneiden ihn, alle mit den eben so zierlichen, als schattigen Chinabäumen besetzt, von denen einige so groß werden, daß man seine Wohnung in den Zweigen aufschlagen und ein rundes Tischehen mit einer Bank ringsherum, nebst einer zierlichen Wendeltreppe hinauf, darin anbringen kann, so daß eine kleine Gesellschaft in dem grünen Laube, vor Sonne und Hitze geschützt, die Abende hier zuzubringen vermag. Weithin durch die Alleen sieht man ungeheuere Baumwollenfelder oder Zuckerplantagen und einen Schwarm von Schwarzen mitten darin in eifriger Geschäftigkeit.

Etwa 600 Schritte vom Herrenhause entfernt liegen die Negerhütten. Es sind ganz gleichförmige, einstöckige Häuschen, die einander, in ganz gleichmäßiges Linien gegenüber stehen. Jedes Häuschen ist mit einem kleinen, etwa 100 Quadratfuß großen Gemüsegarten umgeben und sieht in seinem weißen Anstrich freundlich und einladend genug aus. Das Ganze aber erscheint wie ein kleines Dorf am Fuße des herrschaftlichen Schlosses. Zwischen dem Herrenhause und den Sclavenhütten steht die Wohnung des Aufsehers (gewöhnlich Overseer genannt). Es ist meist ein geräumiges Haus mit einem Portico, von dem aus alle Sclavenwohnungen und der größte Theil der Plantage mit Bequemlichkeit übersehen werden kann. Das Privatzimmer des Aufsehers ist mit Büchsen und Pistolen wohl ausstaffirt, aber von außen sieht das Gebäude so unschuldig und lieblich aus, wie die ganze freundliche Umgebung, die auch das verstockteste Gemüth erheitern muh. Doch ehe wir uns mit dem Overseer und seinen Untergebenen unterhalten, gehen wir auf einen Augenblick in’s Herrenhaus, um dieses nicht blos von außen, sondern auch von innen zu betrachten.

Wir brauchen uns nicht zu geniren; im Süden ist die Gastfreundschaft zu Hause und auf den Herrensitzen der reichen Plantageninhaber hat sie ihre Lieblingsheimath. Jeder gebildete Weiße ist herzlich willkommen, sobald es kein Emancipationsprediger ist, der unter dem scheinheiligen Aeußern des Friedenshirten Aufruhr und Revolution unter die „schwarze Heerde“ zu verbreiten kommt. Wir werden mit der ausgesuchtesten Artigkeit, mit der zuvorkommendsten Herzlichkeit empfangen, sogar wenn wir Deutsche sind (jedenfalls sind Deutsche beliebter, als Irländer).

Wir finden hohe, luftige, bequeme Zimmer, die mit einem Luxus ausgestattet sind, wie man auf dem Lande keinen größeren in Anspruch nehmen darf. Es fehlt weder an Empfangs- noch Spielzimmern; Piano’s und Bücher sind nicht vergessen, und aus der Bibliothek treten wir unmittelbar in den Tanzsalon. Hier auf den Edelsitzen der südlichen Pflanzer ist die feine Bildung zu finden, die man in dem Gewühl der größeren Städte selten findet, denn der Plantagenbesitzer des Südens ist nichts anderes, als der Landedelmann Englands und Europa’s. “Wie hier die größeren Gutsbesitzer die Träger der „Gesellschaft“ sind, so auch im Süden Amerika’s die Plantagenbesitzer. Wie aber noch vor kurzer Zeit die Unterthanen dieser Edelsitzinhaber in Europa oft im tiefsten Elend schmachteten, ohne daß diese auch nur die geringste Notiz nahmen, so auch auf dem Edelsitze des amerikanischen Pflanzers. Was kümmert sich dieser um seine sclavischen Unterthanen? Dazu hat er seinen Overseer! Dieser ist sein Premierminister und Verwalter in Einer Person. Die Plantage mag blos fünfhundert Acres (ein Acre gleich 1¼ Morgen würtembergisch Maß) oder zehntausend groß sein, es mögen blos fünfzig oder tausend Sclaven darauf gehalten werden, der Oberaufseher hat die ganze Pflanzung sowohl, als auch die Arbeit der Sclaven zu leiten. Nur wenn der Arbeit zu viel für ihn ist, werden einige Unteraufseher ernannt, welche aber aller Selbstständigkeit entbehren. Der Plantagenbesitzer wird recht oft und viel seine Felder in eigener Person durchreiten, er wird vielleicht hie und da seine Sclaven sogar mit Namen kennen, aber er setzt sich mit ihnen in keine unmittelbare Verbindung, sondern seine Befehle ergehen blos durch den Mund des Overseer’s, der den ganzen Tag zu Pferde sitzt und die Arbeit der Nigger an allen Enden der Plantage beaufsichtigt, um allabendlich seinem „Herrn“ Bericht zu erstatten. Auf den Overseer kommt es also an, ob die Sclaven menschlich oder unmenschlich behandelt werden, denn sein Herr empfiehlt ihm als Richtschnur blos den Grundsatz, aus dem „schwarzen Eigenthum“ so viel Nutzen zu ziehen, als es „unbeschadet des Werthes und der Gesundheit“ dieses lebenden Eigenthums geschehen kann. Ein guter Landwirth weiß wohl, daß man einem „gut gefütterten,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_266.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)