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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Die Frauen in Indien.

„Nichts Besser’s lob’ ich mir an Sonn- und Feiertagen,
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit in der Türkei,
Die Völker auf einander schlagen.“

So sagt der ewige, bekannte Philister in Faust’s ewigem Ostermorgen.

Es ist gerade wieder Ostern, während ich hier schreibe. Wer sorgte diesmal für Krieg und Kriegsgeschrei zum Osterfeste? Die Engländer. Wenn diese nicht waren, wo sollt’s herkommen jetzt in dieser stillen, stillen Zeit zu Hause? Und wie besorgen sie’s dem Philister! Nicht Hirten in der Türkei, nein, noch viel weiter hinten in China und Indien „spalten sie sich die Köpfe, geht Alles durcheinander und nur zu Hause bleibt’s beim Alten,“ wie der zweite Philister sagt. Und nicht blos dahinten, ganz weit hinten sorgen die Engländer für unsere politischen Osterkuchen, auch zu Hause bei sich im Parlamente, wo sie Indien reformiren und dadurch das ganze Land in Bewegung setzen, weshalb sie auch die Reformen zu Hause wieder aufschieben.

Indische Frauen im Hause.

Was liegt am eigenen Hause? Es ist nobel, es ist erhaben, sich für die fernsten Völker und deren Wohl aufzuopfern, wie dies die Engländer für Indien thun. Das Parlament, heißt es, wird nichts weiter reformiren, als Indien. Für Indien hat man das Zollmaß der Größe für Rekruten erniedrigt und das Kaufgeld erhöht. Die Werbeofficiere lassen Geld und Bier und Schnaps fließen in den Kneipen, um Lust zu machen und gut zu kaufen. Bekommen sie doch auch noch für jede Quantität eingelieferte Waare Extra-Prämien. Man dachte sogar an Soldatenwerbung unter den Negern in Afrika für Indien. Alles für Indien und für die deutschen Philister, die wenigstens an Sonn- und Feiertagen ihr Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei haben wollen. Das Schlimmste scheint in Indien überwunden zusein. Scheint! Das Schlimmste kommt noch, die Reform! Sie liegt dem Parlamente zwar fix und fertig als Regierungs-Recept vor, aber sie muß erst parlamentarisch durch friedliche Interessen hindurchfiltrirt und dann auch den Indiern eingeimpft werden, diesen still wüthenden, zerfleischten, gegen Engländer todfeindlichen, in die verschiedensten Racen, Völker, Religionen, Stände, Classen und Kasten zerklüfteten, unverstandenen, fernen, verschlossenen, versteckten, unheimlich brütenden und lauernden Bewohnern ungeheuerer Ländermassen. Wie will die Reform den tiefgewurzelten Verhältnissen dieser Völker, ihrem furchtbaren Feudalismus zwischen Zemindar’s und Ryot’s (aristokratischen Grundeigentümern und Pächtern), ihrem Muhamedanismus, Brahmaismus und Buddhismus (in verschiedenen Secten) beikommen? Von alle dem ist in der Reform gar nicht die Rede. Es ist blos eine andere, problematische Reform des Formalismus, mit welchem Engländer Indien beherrschen sollen. Von inneren Verbesserungen weiß man auch nichts. Die allerwesentlichste wird nur beiläufig außerhalb des Parlaments von Zeitungen vorgeschlagen – die Erziehung des weiblichen Geschlechts in Indien. Napoleon sagte schon ganz richtig, daß das Wohl und Wehe der Länder und Völker von Frauen, Müttern, Erziehung des nachwachsenden Geschlechts und nicht von Diplomaten abhänge. In Indien haben die Eingebornen seit Jahrhunderten das weibliche Geschlecht ohne Erziehung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_297.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)