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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Lieblingsdiener, auch die Frau hat einen, eben so die Tochter und der Sohn. An schwarzen Kammerzofen, Bedienten für die Gäste ist eben so wenig Mangel und die Aufwärter bei Tische sind natürlich ebenfalls alle schwarz. Es ist eine kleine Hofhaltung, nur daß alle Aemter und Aemtchen von Negern ausgefüllt sind. Natürlich gestaltet sich das Schicksal des Sclaven, der bei seinem Herrn den Kammerdiener spielt, oder der Sclavin, die als Kammerfrau fungirt, ganz anders, als das Loos des Feldsclaven, welchen der Herr kaum sieht und um den er sich auch nie bekümmert. Den Feldsclaven kauft der Herr, wenn er ihn braucht, und verkauft ihn, wenn er ihn nicht mehr braucht. Er betrachtet ihn blos vom Standpunkte der „Nützlichkeit“ aus; deshalb preßt er auch so viel „Nutzen“ aus ihm heraus, als irgend möglich ist. Ueberdies steht der Feldsclave nur mittelbar unter dem „Herrn“, unmittelbar aber unter dem Sclavenaufseher und seiner grausamen Ruthe.

Ganz anders der Haussclave. Er bekommt seine Befehle unmittelbar von seinem Herrn; er hat es nur mit diesem zu thun, der sich doch jedenfalls unter die „Gebildetsten“ der amerikanischen Union rechnet und auch fast ohne alle Ausnahme darunter zu rechnen ist. Er ist in steter, unmittelbarer Berührung mit dem „Herrn“, der „Frau“, der „Tochter“, dem „jungen Herrn“ und den „Gästen“. Seine Behandlung ist daher eine ganz andere, weil seine Stellung eine andere ist. Der „Herr“, die „Frau“, die „Miß“ (das Töchterlein des Hauses) stehen auf vertrautem Fuße mit ihm; er hört Alles, was gesprochen wird; er sieht Alles, was in der Familie vorgeht; er ist der vertraute Diener, wächst mit dem jungen Herrn auf, wie sein Vater mit dem alten, und lebt und stirbt mit ihm. Durch ganze Generationen hindurch gehören sie zu einander. Dadurch entsteht ein ganz anderes Verhältniß; der Herr und die Dame des Hauses haben sich an ihre „Diener“ gewöhnt, sie können sie kaum mehr „entbehren“; der Sclave oder die Sclavin betrachtet sich aber als „zur Familie gehörig“. Der Haussclave oder die Haussclavin sind also weniger Sclaven als Kammerdiener oder Kammerfrau, und daher kommt es, daß eine Anhänglichkeit zwischen „Herrn und Sclave“ entsteht, die im freien Norden Amerika’s (und ohnehin im freien Europa) gar nicht begriffen wird. Man hat Hunderte von Beispielen, daß ein solcher Haussclave von den „Abolitionisten“ (den Feinden der Sclaverei und den Freunden einer alsbaldigen, wenn auch gewaltsamen Befreiung der Nigger) freigemacht wurde und nun thun konnte, was er wollte, daß er aber nichts Besseres zu thun wußte, als sich bald wieder unter die Botmäßigkeit seines früheren Herrn zu begeben. Freiwillig und mit Lust und Freude kehrt er in die Gefangenschaft zurück, die ihm eine liebe Heimath ist. In der That hat es auch der Haussclave in materieller Beziehung meist weit besser, als der freie Diener des freien Herrn in den freien Staaten. Seine Arbeit ist gering, fast für Nichts anzuschlagen, sein Essen und Trinken ist gut, seine Behandlung sanft, vertraulich. Es fehlt ihm die abstracte, die theoretische Freiheit, aber die praktische Freiheit, das praktische Wohlergehen hat er in vollem Maße. Von Strafe oder gar von körperlicher Mißhandlung ist selten oder nie die Rede, und wenn eine Strafe nöthig ist, so verhängt sie der „Herr“ selbst und dieser züchtigt mit „gebildeten“ Händen. Die härteste Strafe für einen Haussclaven ist daher die, zu den Feldsclaven verstoßen zu werden. Es ist ihm dies so viel, als den Russen eine Verbannung nach Sibirien, es ist sein Tod. Selten aber kommen solche „Verstoßungen“ oder gar vollends „Verkaufe“ von Haussclaven vor, nur bei wirklichen Verbrechen (Diebstahl u. dgl.). Im Gegentheil, die ganze Familie des Haussclaven, vom Jungen bis zum Greise, vom lallenden Mädchen bis zur alten Matrone, die vielleicht die „Herrin des Hauses“ vor vierzig Jahren auf den Armen getragen, – Alles wird als „unveräußerliches Gut des Herrenhauses“ betrachtet. Es ist der Stolz des Sclaven so wie des Herrn, daß ihre Großväter schon einander angehört haben. Was bekümmert sich ein solcher Sclave um die ideelle Freiheit? Er hat gar keinen Begriff davon.

Anders steht es mit dem „ausgemietheten Sclaven.“

In den Städten des Südens (nicht auf dem Lande, den Plantagen, denn ein Mittelding zwischen Pflanzung und Stadt, also ein Dorf, gibt es nicht) leben viele Reiche, die ihr Vermögen in „Sclaven“ stecken, gerade wie ein Stallmeister sein Geld in Pferde steckt. Der Stallmeister hält die Pferde nicht, um selbst darauf zu reiten, – dazu braucht er blos eins, höchstens zwei, – sondern um sie auszuleihen. Gerade so macht es der städtische Sclavenhalter auch. An Leuten, die Sclaven miethen, ist aber nie Mangel. Im Süden gibt es, wie schon oben bemerkt, keine weißen, keine freien Diener. Der Weiße würde sich brandmarken, wollte er sich zu einem solchen Dienste hergeben. Darum sind in einem Hotel z. B. alle Bedienstete – Sclaven; die Köchin ist’s eben so gut, als der Aufwärter bei Tische, die Weißzeugverwalterin, wie der Zimmerkellner. Ja, der Oberkellner sogar ist ohne Ausnahme ein Schwarzer. Eben so ist’s in den Kaufläden, an den Werften, in den Docks und überall. Der Nigger und die Niggerin ist’s, welche die „Dienstarbeit“ verrichten. Somit fehlt es nie an Leuten, welche auf kürzere oder längere Zeit eines „gemietheten Sclaven“ bedürfen. Versteht dieser „Miethling“ ein Handwerk, z. B. das Schmiedehandwerk, oder ist er ein gelernter Barbier, Schreiner u. dgl. so ist er noch mehr gesucht als einer, der blos „arbeiten, dienen oder lasttragen“ kann. Man zahlt für solch’ einen gemietheten Sclaven, je nach seiner Tüchtigkeit, so und so viel per Tag, per Woche, per Monat. Diesen Gehalt zieht der Sclaveninhaber an sich und nicht selten steht sich der „Herr“ bei dieser Manipulation sehr gut, da ein geschickter Sclave fast nie unter dreißig bis vierzig Thalern nebst freier Station verdient. Damit aber der Sclave einen Impuls habe, fleißig zu sein und immer geschickter zu werden, nimmt ihm sein Herr nur eine gewisse, im Voraus unter ihnen abgemachte Summe ab, und den Ueberverdienst darf der Sclave einstecken. Der Herr hat das vollkommenste Recht, Alles zu nehmen, was der Sclave verdient, aber wenn er dies thäte, würde meist der Sclave am Ende lässig werden. Würde er sich bestreben, ein Uebriges zu thun? Es liegt daher nicht nur in der Billigkeit, sondern sogar im Vortheil des Herrn, dem Sclaven einen Theil des Verdienstes zu lassen. Ja oft macht er auch einen Contract mit seinem Sclaven und seiner Sclavin, daß sie ihm jährlich so und so viel abzuliefern haben, alles Uebrige aber einstecken dürfen; dabei ist dann dem Sclaven gänzlich freigestellt, zu treiben, was er will, sich nutzbar zumachen, auf welche Art es ihm gutdünkt, natürlich unter der Bedingung, daß das Geschäft, das er treibt, in der Stadt ist, denn die Stadt darf er unter keinen Umständen verlassen. Diese Art von Contract ist die größte Aufmunterung für die Nigger, so viel als möglich zu arbeiten, um so viel als möglich für sich zurücklegen zu können. Ein solcher ausgemietheter Sclave ist also in gewissem Sinne sein eigener Herr. Er hat eigenes Vermögen und kann dieses nach Belieben zu seinem Vortheil, auch zu seiner Loskaufung (der Preis der Sclaven ist bei solchen Contracten immer im Voraus festgesetzt) verwenden. Jedes Jahr weiß er, wie viel Zeit er noch arbeiten muß, um frei zu sein, und nicht selten reichen fünf Jahre hin, um dieses Ziel zu erreichen, wenn der Sclave nur irgend will. Hieraus folgt, daß der „ausgemiethete Sclave“ auf der freiesten Stufe des Sclaventhums steht, denn es bleibt ihm sogar überlassen, lesen und schreiben zu lernen und sich so auszubilden, wie es der Beruf, den er sich erwählt, mit sich bringt. Außer der Geldlieferung an seinen Herrn alle Wochen oder alle Monate, ist er in allen seinen Bewegungen ungehindert, er ist frei, so weit ein Sclave frei sein kann.

Dies sind die verschiedenen Abstufungen der Sclaverei in Amerika. Natürlich aber läßt sich eine genaue Grenzlinie zwischen denselben nicht ziehen. Es kommt zumeist dabei auf den Charakter des „Herrn“, so wie auch des „Niggers“ selbst an, ob die Sclaverei in einem gehässigeren oder milderen Lichte auftritt. Was das Erstes anbelangt, so läßt sich nicht leugnen, daß der „Amerikaner“, d. h. der in Amerika geborne Abkömmling der Anglosachsen ein bei weitem milderer und ruhigerer Herr ist, als der hitzige „Creole“, d. h. der Abkömmling von Franzosen und Spaniern, – romanisches Blut in reiner, unverfälschter Race, aber in Amerika geboren. Noch weniger läßt sich in Abrede stellen, daß, wenn auf einer Plantage der „Herr“ gestorben und die „Herrin“ die Erbin und Herrscherin ist, die grausame Behandlung der Sclaven überwiegend wird. Ich will es dem Leser überlassen, sich den Grund dieser Erscheinung herauszuklügeln; es dürfte nicht allzuschwer sein. Was ich hier zu thun habe, ist, Thatsachen, anerkannte Thatsachen zu geben, nicht Reflexionen. Als Beweis nur zwei Dinge.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_300.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)