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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Die Sterblichkeit unter den Sclaven im Süden ist fast immer größer, als ihre Selbstfortpflanzungs- und Reproductionskraft. Es kommt dies von der strengen Arbeit in einem glühheißen Klima her. Die „guten Herren“ lassen daher ihre Sclaven unter sich Heirathen nach Belieben und da sie immer mehr Sclaven bedürfen, als bei ihnen geboren werden, so denken sie nicht daran, einen Sclaven zu verkaufen, sondern kaufen im Gegentheile alle Jahre noch mehr dazu. Die Familien der Nigger werden also auf solchen Plantagen nicht getrennt. Darum jedoch bekümmern sich die Creolen wenig. Sie kaufen nützliche Sclaven und verkaufen unnützliche, ganz nach Gutdünken, und kümmern sich nicht ein Jota darum, ob das Kind von der Mutter oder der Gatte von der Gattin wegverkauft wird. Das Folgende ist aber der häßlichste Punkt bei der ganzen Sclaverei. Es betrifft den geschlechtlichen Umgang der „Herren“ mit den Sclavinnen. Man wird selten viel davon hören, wo Amerikaner die Plantagenbesitzer sind; gewöhnlich aber ist er, wo Creolen herrschen. Kommt dann noch dazu, daß Kinder, die aus solchem Umgang entsprossen sind, auf Befehl des eigenen Vaters nicht blos gezüchtigt und gepeinigt, sondern verkauft werden, so sträubt sich das Gefühl des Menschen dagegen, solche Scheußlichkeiten nur zu glauben. Und doch sind sie geschichtlich constatirt! Aber auch constatirt ist’s, durch Acten constatirt, daß die meisten dieser gräßlichen Tragödien nur auf den Pflanzungen der stolzen, heißblütigen und sinnlichen Creolen spielen. Hat doch einstens (wie durch gerichtliche Untersuchung erwiesen) ein solcher Wüstling sich des Umgangs mit den Töchtern seiner Sclavinnen – seinen eigenen Töchtern – gerühmt und wurde dafür von seinen über solche Niederträchtigkeit wüthenden Nachbarn so behandelt, wie Origenes sich selbst behandelte.

Als Beweis für die Grausamkeit der Frauen gegen ihre Sclaven führe ich hier nur ein Beispiel an, obgleich es deren Hunderte gibt. In Neworleans lebte vor wenigen Jahren eine Creolenwittwe. Als sie starb, fand man die Gebeine von fünf männlichen Sclaven, die im Souterrain ihres Hauses begraben waren. Es wurde gerichtlich erwiesen, daß sie vorher ermordet, auf Befehl der Herrin ermordet wurden, die ihres Umgangs überdrüssig geworden war und ihre Schande nicht laut werden lassen wollte. Doch genug! Zum Glück sind solche Beispiele so selten und werden selbst von Sclavenbesitzern mit solchem Abscheu betrachtet, daß man sie nicht als nothwendige Folge der Sclaverei, sondern einfach als Tollhausgeburten eines verbrecherischen Wahnsinns ansehen kann. Kommen doch hier und da im freien Europa ähnliche Schändlichkeiten zum Vorschein, wobei die Schlachtopfer freie Weiße, statt halbschwarze Nigger sind.

Nun noch ein Wort über den Charakter des Niggers. Er ist ein glückliches Gemisch von Fröhlichkeit, Aberglauben und Eitelkeit. Für den Aberglauben ist der Neger vielleicht nicht verantwortlich, denn der Weiße zieht ihn mit Absicht nicht aus demselben heraus. Wird ihm auch alle Sonntage vorgepredigt, so kann doch dieses Christenthum, das ihm da gelehrt wird, ihn unmöglich aufklären. Im Gegentheil, eben diese auf seine Sinne berechneten Predigten bestärken ihn nur in seinem Aberglauben. Allerdings ist sein Glaube nicht mehr der reine Fetischglaube, den seine Ahnen hatten, sondern es sind nur noch Bruchstücke desselben, aber in schöner Amalgamation mit den europäischen Sagen von Zauberern und Hexen; sein Gemüth ist viel zu kindlich, um sich über diese geistigen Schranken erheben zu können. Mit seinem kindlichen Gemüthe hängt aber auch seine Fröhlichkeit, sein Leichtsinn zusammen. Singen und Tanzen ist seine Liebhaberei. Wenn Samstag Abends die Wochenarbeit zu Ende ist, dann versammeln sich die Sclaven alle vor einem Hause ihres kleinen Dörfleins; einer holt das Bagno, ein Mittelding zwischen Guitarre und Cither, und nun beginnt das Tanzen. Ei, wie wird da gejubelt! Alle früher erlittene Unbill ist vergessen und die Lustigkeit steigert sich oft bis zur Tollheit. Den Nigger kümmert nicht das „Gestern“, ihn kümmert nicht das „Morgen“. Was geht ihn die Zukunft an? Sein Herr hat für ihn zu sorgen. Was hat er um Kleider und Essen sich zu bekümmern? Das ist Alles Sache seines Herrn. Er ist der Mann der Gegenwart und diese sucht er sich so angenehm als möglich zu machen. Darum benutzt er alle und jede Gelegenheit, sich vergnügt zu machen, er mag Feldsclave, Haussclave oder vermietheter Sclave sein. Sein Hauptvergnügen aber besteht darin, sich zu putzen. Die Eitelkeit ist seine Hauptpassion, sie geht ihm über Alles, und nicht selten, ja meistens, verwendet der „vermiethete Sclave“ seinen ganzen Ueberverdienst in – schöne Sachen und eitlen Tand, statt an den Erwerb seiner Freiheit zu denken. Der Aufputz eines Niggers, besonders am Sonntag, ist in der That spaßhaft. Wo möglich trägt er schwarze Hosen und einen schwarzen Rock, dazu eine weiße Weste, ein schneeweißes Hemd mit weitvorstehendem Jabot, einen thurmhohen, runden schwarzen Hut, besonders aber eine weiße Cravatte mit breiter Masche und immense, himmelanstrebende, bocksteife Vatermörder, zwischen denen die Rollaugen wie zwei Feuerrädchen herauslugen; dazu wo möglich noch ein leichtes Spazierstöckchen, Ringe in den Ohren und hellgelbe Glacehandschuhe. So ist der Anzug vollkommen und er stolzirt einher, wie ein kalikutischer Hahn, und bildet sich ein, der Nobelste der Erde zu sein.

Gerade so halten’s auch die Niggerdamen, nur lieben sie statt „schwarz“ – „bunt“. Oft und viel kann es begegnen, daß man einer vorausgehenden Dame nachläuft, die in einem rothen, enganschließenden Spencer einhergeht, mit blauem, faltenreichem, ausgepolstertem, schwerseidenem Oberkleide, in weißem Atlashute mit schwankenden Federn, auf leichten, zierlichen Stiefelchen, das feinste Musselintaschentuch in der einen und einen elfenbeinernen Fächer in der andern Hand, sich drehend und wendend, wie eine kokette Pfauhenne, und wenn man dann im schnellsten Schritte vorangeht und sich umdreht, um die üppige Schönheit auch im Gesicht zu betrachten, so sieht man sich ein paar schwülstigen Lippen, einer platten Nase und einem Unterkiefer gegenüber, wie ihn kein Schwein hervorstehender und rüsselartiger aufweisen kann. Doch nicht immer war es eine „Niggerin“, d. h. eine Schwarze im vollsten Sinne des Wortes. Oft ist’s auch wohl ein Wesen, so voll und rund, so üppig und lüstern, wie kein zweites unter der weißen Race zu finden. Aber dann ist’s ein Mischling von Schwarz und Weiß schon in der vierten Generation, eine Quadronin. Die Haare sind nicht mehr wollig, die Nase nicht mehr platt, die Farbe nicht mehr schwarz. Es ist ein mattes Weiß, weißer Holzasche ähnlich, es sind feine gelockte Haare, es ist ein lächelnder Mund mit kußeinladenden Lippen, es ist ein Auge, welches das kälteste Herz durchbohrt, es ist eine Körperform, die einer Venus oder Juno entnommen zu sein scheint. Und doch ist sie eine Sclavin und ein Hauch ist über ihr Gesicht verbreitet, der die Abkömmlingin vom Negerstamme im Augenblicke verräth, – ein Hauch, der sich nicht verwischen läßt, und wenn noch vier Mischungen und vier Generationen darüber gehen. Und verriethe es die Hautfarbe nicht, so verriethe es ihr Gang, ihr Benehmen, ihr Thun und Treiben; denn auch sie ist lustig bis zur Ausgelassenheit, auch sie ist putzsüchtig über alle Maßen. Ist sie eine „ausgemiethete Sclavin“, so besinnt sie sich keinen Augenblick, wie sie das Geld am leichtesten verdienen kann, welches sie allwöchentlich ihrem „Herrn“ abgeben muß. Und dieser? Was liegt ihm daran, ob’s ehrlich und ehrbar erworbenes oder Sündengeld ist, wenn er nur sein Geld hat! Die Sclavin aber verwendet, was sie mehr verdient, was sie „Ueberschuß“ hat, auf ihren Putz; sie denkt nicht daran, sich loszukaufen. Was liegt ihr an Freiheit, wenn sie seidene Kleider hat! Dies ist Sclavenleben![1]

Th. Gries.


Die neuen Markthallen in Paris.

Eine Lebensfrage für jede Stadt ist das Vorhandensein eines bequem gelegenen und hinreichend geräumigen Platzes, auf welchem die Bewohner alle ihre Lebensbedürfnisse kaufen können. Schon die alten Griechen sorgten deshalb, wenn sie eine neue Colonie gründeten und eine neue Stadt anlegten, ehe Wohnhäuser erbaut wurden, vor allen Dingen für einen Tempel und einen Marktplatz,

  1. Den Zustand der freien Neger werde ich in dem Aufsatze „Norden und Süden“ (s. oben) abhandeln: die Frage aber, wie es möglich ist, die Sclaverei „ohne Import aus Afrika“ trotz der Sterblichkeit im Süden „fortzuerhalten“, soll in einem besondern Artikel: „der Sclavenmarkt zu Richmond“, ihre Beantwortung finden.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_301.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)