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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Geschöpf nicht erreichbar. Was die göttliche Gerechtigkeit aus ihr hat werden lassen, weiß ich nicht; ich hatte keine Gelegenheit, ihr späteres Schicksal zu erfahren.

Was Ottilie Braun, oder eigentlich die Frau Wrigley betrifft, so kam, wie sie fest erwartet hatte, der Jäger Anton nach acht Tagen zurück, aber nicht allein, der Gemahl der jungen Dame, Harry Wrigley, kam mit ihm. Das furchtbare Ereigniß, das seine Gattin betroffen, hatte ihn veranlaßt, seinen Eltern seine Verbindung mit ihr zu entdecken. Es hatte aber auch seine Eltern bewogen, ihm ihre Einwilligung zu geben.

Ich hätte Euch meine Erzählung vielfach romantisch ausschmücken können. Ich hätte zum Beispiel den Gemahl der jungen Dame gerade in dem Momente können erscheinen lassen, als aller Verdacht der schwersten Schuld auf ihr lag. Ich hätte diesen Verdacht durch mancherlei Zuthaten steigern können. Wie viel Jammer, Elend, Thränen und so weiter waren dabei anzubringen!

Ich wollte Euch nur eine wirkliche Criminalgeschichte erzählen, einfach, wie sie sich zugetragen hat. Ach, diese wirklichen Criminalgeschichten haben wahrhaftig des Elends, des Jammers, der Thränen, der Verzweiflung genug. Aber auch das Gericht Gottes zeigen sie oft.




Die Stammschlösser und Ahnengrüfte des Hauses Wettin.
I.
Der Petersberg bei Halle an der Saale.

Der Petersberg.

Es war in einer lauen Sommernacht des Jahres 184., als wir, vom fröhlichen Gelage aufbrechend, dem nahen Petersberge zuschritten, um im Glanze der aufgehenden Sonne eine Rundschau auf die an Abwechselung so reiche Umgegend des Mons Serenus (Lauterberges – so wurde der Petersberg früher genannt) zu halten. An der lustigen Tafelrunde war eben Alles abgehandelt worden, was nur gegen den Schluß der vierziger Jahre eine frische, aufstrebende Jugend begeistern konnte. Hegel und Ruge, Feuerbach und Stirner, Bauer und Strauß, Geschwornengerichte und Parlamente, Alles, was die Zeit an neuen Gedanken hervorgebracht hatte, fand da sein Für und Wider, und der wehmüthige Klang deutscher Volkslieder sänftigte die oft gar zu grellen Dissonanzen. Da war für die ruhige, historische Betrachtung gar wenig Raum, und unsere Blicke folgten unwillkürlich dem Höhenzuge, auf dem sich der Berg erhebt, in dem der Stammherr des sächsischen Königshauses ruht, bis nach dem Kiffhäuser; die ehrwürdige Ruine vermochte es nicht, unsere Gedanken rückwärts auf die Vergangenheit zu wenden. – Und in der That war uns das Glück hold, der Mons Serenus gewährte uns eine so mannichfaltige, die nächtliche Fahrt reichlich belohnende Aussicht. Fünfundvierzig Städte, hatten wir gehört, sollte man von diesem einsamen Bergkegel, der aus dem Mittelgebirgslande Deutschlands in die norddeutsche Tiefebene vorgeschoben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_321.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)