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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

ist, erblicken können. Und wenn wir auch nicht so genau nachzählen wollen, so kann doch der aufmerksame und kundige Beobachter durch ein gutes Fernrohr in der That wahrnehmen: das Mannsfelder und das Wettiner Schloß, die Thürme des Doms zu Magdeburg, Leitzkau, Zerbst, Schönebeck, Kalbe, Bernburg, Könnern, Barby, Aken, Dessau, Coswig, Wörlitz, selbst Wittenberg, Köthen, den Löbejüner Thurm, Bitterfeld, Delitzsch, Eilenburg, Zörbig, Brehna, Landsberg, Würzen, Leipzig, Lützen, Merseburg, Halle, Weißenfels, Freiburg, Lauchstädt, Querfurt. Die Dörfer schlossen sich in Kreise zusammen, die nur hie und da durch schmale grüne Streifen unterbrochen schienen. – Eine lohnendere, in kleinem Umkreise so viele und mannichfaltige Culturstätten der menschlichen Gesellschaft umschließende Aussicht mochte nicht leicht ein Berg gewähren, dessen relative Höhe über der Ebene ungefähr 640 Fuß, dessen absolute über dem Meeresspiegel aber nur 1125 Fuß beträgt. Wie kräftig erscholl da der Morgengruß in die reiche Flur! Wie hob sich das Herz in ungestümer Jugendsehnsucht:

O Lust, vom Berg zu schauen, weit über Berg und Strom,
Hoch über sich den blauen, tiefklaren Himmelsdom!

In uralter, heidnischer Zeit war dieser Berg eine Stätte des heidnischen Cultus, und vielleicht eine recht berühmte. Weithin mögen da die Feuer geleuchtet haben bis nach Thüringen hinein und über die Elbe hinüber. – Gegen das Ende des elften Jahrhunderts gehörte er zu den Besitzungen der Grafen von Wettin. Lange vor dieser Zeit stand schon auf dem Petersberge eine kleine christliche Capelle von geringem Umfange. Sie bildete einen Kreis von ungefähr 29 Fuß Durchmesser, an den sich nach Osten der Altarraum im Halbkreise anschloß. Mit dem kreisrunden Kirchenraume stand der Thurm nach Westen hin durch einen Zwischenbau in Verbindung. An das Ganze wurde später im Süden noch eine Vorhalle angefügt. Diese kleine Kirche bildete die eigentliche Pfarrkirche, und bestand als solche selbst dann noch, als schon die größere Basilika neben ihr errichtet war, ursprünglich mochte sie aber als Taufcapelle gedient haben. Noch heut zu Tage sehen wir die Fundamente dieses Kreisbaues, der im Munde des Volkes die Heiden- oder Annencapelle heißt, aber auch dem heiligen Petrus gewidmet war. –

Graf von Wettin war um das Ende des elften Jahrhunderts Thiemo, dessen Geschlecht bis auf die Zeit Otto’s des Großen zurückgeführt werden kann. Dieses Geschlecht war in Thüringen besonders begütert, seine späteren Glieder legten den Grund zum Naumburger Dome, und erhielten die Markgrafschaft Meißen. Einer Seitenlinie dieses Geschlechtes gehört nun auch jener Thiemo von Wettin an, der gewöhnlich, aber mit Unrecht, als der erste Markgraf von Meißen aus dem Hause Wettin bezeichnet wird, was ja vielmehr sein Sohn Konrad der Große war. Dieser Thiemo hatte zwei Söhne, Dedo und Konrad. Als nun Dedo seine Gemahlin Bertha, die Tochter Wiprechts von Groitsch, verstoßen hatte, legten ihm die Bischöfe als Buße eine Wallfahrt zum heiligen Grabe auf, nachdem er sich noch überdies mit derselben hatte versöhnen müssen. Ob ihm die Bischöfe auch die Gründung eines Klosters als Sühne auferlegten, wird nicht erwähnt. Genug, er trug noch vor seiner Abreise Sorge, eine Klosterstiftung zu gründen, für die er keinen geeigneteren Platz finden mochte, als den Lauterberg, der so recht den Mittelpunkt in dem Ländercomplexe des Wettinischen Hauses bildete. Zum ersten Propst der neuen Stiftung ward von ihm Herminold, bisher Propst an der Gerbstädter Kirche, über welche das Wettinische Haus die Schutzgerechtigkeit hatte, bestellt, und überdies die junge Pflanzung dem Grafen Konrad, Dedo’s Bruder, auf das Angelegentlichste empfohlen. Dieser Anfang der ganzen Stiftung wird von dem Chronisten in das Jahr 1124 gesetzt. Dedo aber sah den Lauterberg nicht wieder, er starb auf der Rückreise, und gab sein lebhaftes Interesse für das Kloster sterbend noch dadurch zu erkennen, daß er ihr einen Theil des Kreuzes Christi überschickte, welches den Ort vor dem alten Erbfeinde, der bereits durch die Bekehrung zum Christenthum vertrieben war, vollständig sichern sollte.

Dedo’s Erbe ward sein Bruder, der Graf Konrad von Wettin. Dieser hatte einen heftigen Kampf mit dem Markgrafen von Meißen, Heinrich von Eilenburg, geführt, den er nicht als ehelichen Sohn anerkannte, und somit für unberechtigt, die Markgrafschaft zu führen, halten mochte, war aber von diesem, seinem Vetter, gefangen genommen und auf dem Schlosse Kirchberg bei Jena in harter Haft gehalten worden. Nach Heinrich’s Tode, 1123, wurde er frei, und erhielt nun auch die Markgrafschaft Meißen, die er indeß mit dem Schwert in der Hand gegen andere Ansprüche vertheidigen mußte.

Im ersten Schenkungsbriefe, den Konrad der Stiftung seines Bruders zukommen ließ, verlieh er ihr das Kirchlein zu Löbejün mit 26 Hufen, das zu Ostrau mit 4 Hufen, überdies noch 120 Hufen aus seinem Eigenthume. Auch seine Gemahlin, Lukardis, eine Schwäbin, war gegen dieselbe nicht weniger freigebig; 44 Hufen, unmittelbar in der Nähe des Petersberges, wies sie ihm zu, darunter 13 in Salzmünde, 5 in Pfützenthal. –

Die Stiftung ward vom Papste bestätigt und festgestellt, das Stift solle das Recht haben, seine Pröpste selbst zu wählen, der Erzbischof von Magdeburg aber solle die heiligen Weihen der Kirchen, Altäre und Priester unentgeltlich verrichten und jedesmal das älteste Glied aus dem Hause Wettin Schirmvogt über die Kirche sein, ohne übrigens irgendwelchen Lohn oder Dienste dafür in Anspruch nehmen zu dürfen; niemals sollte der Lauterberg befestigt werden. Die Stiftung war dem heiligen Petrus gewidmet. Im Jahre 1156 aber legte der Markgraf Konrad, der ein hochgebietender Herr geworden war, seitdem er namentlich auch die Markgrafschaft Lausitz vom Kaiser erhalten hatte, in der Kirche feierlich die Waffen ab zum Zeichen, daß er mit weltlichen Dingen nichts mehr zu schaffen haben wollte, und trat selbst, den seiner Zeit so mächtigen Wiprecht von Groitsch nachahmend, am Andreastage (1156 den 30. Nov.) als Mönch in das Kloster ein. Es war eine glänzende Versammlung, in deren Mitte der hohe Herr das Kleid des alten Menschen ablegte und aus den Händen seines eigenen Neffen, des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg, das Ordensgewand entgegennahm. Da waren versammelt Erzbischof Wichmann, Markgraf Albrecht von Brandenburg, die Söhne des Markgrafen Konrad: Markgraf Otto von Meißen, Markgraf Dietrich von der Lausitz, Graf Heinrich von Wettin, Dedo, Graf Rochlitz und Friedrich, Graf von Brene, und eine große Anzahl hoher geistlicher und weltlicher Herren und ritterlicher Dienstmannen. Niemand aus der zahlreichen Versammlung konnte sich der Thränen enthalten, daß ein so hoher Fürst die Armuth eines Mönches fürstlichen Ehren vorzog. Als die feierliche Einkleidung des neuen Mönches vollendet war, rief derselbe nochmals die Söhne zu sich, und empfahl ihnen die Kirche, deren Glied er nun selbst geworden war. Alle Schenkungen, welche er oder seine Gemahlin an die Kirche gemacht hatten, waren schon vorher durch seine Söhne ausdrücklich bestätigt worden: er fügte zuletzt noch den Wald an der Ostseite des Berges hinzu. – Allein der neue Mönch überlebte seinen Eintritt nicht lange. Nach zwei Monaten und fünf Tagen starb er am 5. Febr. 1157, und ward kurz darauf feierlich wiederum von seinem Neffen in der Mitte des Langschiffes vor dem Altare des heiligen Kreuzes neben seiner vor ihm verstorbenen Gemahlin und seiner Schwester begraben. Nach den reichen Schenkungen des Fürstenhauses mochte nun auch die Zahl der Mönche zugenommen haben, so daß der kleine Chor allmählich für die Zahl derselben zu klein wurde; und so brach der vierte Propst Eckehard 1174 den Chor der Kirche ab in der Absicht, denselben in neuem vergrößerten Maßstabe wieder aufzubauen. An das Langschiff, das er unverändert ließ, wurde ein Kreuzschiff geschlossen, dem sich dann der hohe Chor in größern Dimensionen nebst einigen Capellen anschloß. Im Jahre 1184 war der ganze Bau beendet und am 1. August – Petri Kettenfeier – wurde die Kirche zum zweiten Male, diesmal vom Bischof Eberhard von Merseburg, geweiht. Dieser selbe Propst Eckehard fing im Jahre 1154 auch den Bau des neuen Klosters an, da die Mönche bis dahin an der Westseite der alten Taufcapelle gewohnt hatten, und baute auch das Hospitium oder das Fremdenhaus südöstlich in einiger Entfernung von der Kirche, wo noch heutzutage die Umfassungsmauern und einige Gewölbe erhalten sind. Allein noch in demselben Jahrhundert erging über die Stiftung eine schwere Prüfung. Durch die Unvorsichtigkeit eines Soldaten nämlich, der im Kloster bewirthet wurde und sich bei Nachtzeit am Feuer wärmte, geschah es, daß im westlichen Ende des Klosters in einem hölzernen Gebäude Feuer ausbrach, welches bei heftigem Winde so schnell um sich griff, daß bald Alles, was von der Flamme verzehrt werden konnte, niederbrannte. Nur die alte Capelle, der Thurm und die Umfassungsmauern der neuen Kirche und das Hospitium blieben verschont; das Beschädigte wurde jedoch binnen kurzer Zeit von dem Propste Walther wieder hergestellt. Im dreizehnten Jahrhundert sind dann an der Kirche wesentliche Veränderungen nicht mehr vorgenommen worden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_322.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)