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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

ein. Der eine Rack den wir A nennen wollen, steht so mit dem bekannten Centrifugal-Regulator in Verbindung, daß er, je nach dessen Schnelligkeit der Drehungen, den Triebel auf einem Central-Zapfen dreht. Zugleich wirkt er so auf ein Ventil unterhalb, daß er Wasser in einen Druck-Cylinder unterhalb einströmen läßt und letzteren entweder über oder unter eine Kolbenplatte (einen breiten Stempel) bewegt. Das Wasser strömt aus einer oberhalb angebrachten Cisterne und wirkt auf die Kolbenplatte mit hydrostatischem Druck, dessen Gradationen ein immerwährendes Fallen und Steigen dieses Kolben bewirken. Dieser endet oben unter dem zweiten Rack, den wir B nennen wollen und der ebenfalls auf den gezahnten Triebel wirkt. Letzterer befindet sich auf dem Hebelgriff der Dampfklappe, die man an Locomotiven, wie ich glaube, Schnarchventil zu nennen pflegt, und schließt oder öffnet dieses Ventil und läßt Dampf ein oder schließt ihn ab von dem großen Dampf-Cylinder, je nachdem er steigt oder niedergedrückt wird.

Die Differential-Action dieses Gouverneurs besteht nun im Wesentlichen darin, daß, wenn Rack A sich niederbewegt, ohne B zu stören, sich der Triebel auf Rack B wirft und das Schnarchventil verengt, oder daß, wenn Rack B aufsteigt, ohne A zu bewegen, sich B auf Rack A wirft und das Schnarchventil schwächt, oder daß A und B gleichmäßig auf- und absteigend den Triebel auf dem Zapfen drehen und das Schnarchventil weder öffnen noch schließen. Der Druck abwärts des Regulators wirkt auf Rack A, der Druck aufwärts des Wassers auf Rack B. Dies bewirkt die eigentliche Differential-Action. Sobald die Geschwindigkeit der Bewegung des großen Triebrades nur im Geringsten einen Ansatz zur Beschleunigung nimmt, bewirkt dieser Apparat sofort die nöthige Ausgleichung durch Abschließung des Ueberschusses von Dampfkraft. Die beiden Racks wirken auf das Ventil einzeln oder zugleich in entgegengesetzten Richtungen, so daß die Bewegungen des Ventils sich in der That nach dem Unterschiede, der „Differenz“, zwischen hydraulischem Druck und der (Zentrifugalkraft der Regulirungs-Kolben (oder Flügel) richten, d. h. also durch „Differential-Action.“

Dies ist, so weit es mit Worten für eine allgemeine Vorstellung gesagt werden kann, die Einrichtung, wodurch die Herren Child und Wilson den gigantischen, unbeugsamen Dampf-Titan nöthigen, sich auf das Feinste und Gleichmäßigste selbst zu controliren.

In meiner Gegenwart wurde auf einmal 24 Pferdekraft in den Spindeln außer Thätigkeit gesetzt, ohne daß das große Triebrad seine 25 Drehungen per Minute nur um eine Secunde beschleunigte. Die 24 für den Augenblick ausgespannten Pferdekräfte fanden einstweilen hinreichende Beschäftigung, den hydraulischen Druck zu der entsprechenden Verengerung des Schnarchventils zu nöthigen.

So viel über einen der feinsten und zugleich mächtigsten Apparate an der Dampfmaschine. Männer von Fach werden sich aus der allgemeinen Skizzirung desselben ein bestimmtes Bild, eine Zeichnung machen können. Für uns Laien reicht die interessante Thatsache als solche hin. Der Differential-Actions-Gouverneur hat die 100 Pferdekräfte mit feinster Hand so in der Gewalt, daß sie nicht nur das Triebrad und die 10,000 Spindeln in stets gleicher Bewegungsgeschwindigkeit erhalten, sondern auch den Zeiger einer Uhr so drehen, daß man dieser mehr glaubt, als den expreß zur Zeitangabe gehaltenen Taschenuhren. Gewissenhaftere Selbstbeherrschung kann man von einem so gewaltigen Burschen kaum erwarten.





Sclavenhandel in Amerika.
Nr. 1.
Die Strafe auf Negerhandel und deren Folgen. – Wer handelt mit Sklaven? – Palmöl und Elfenbein. – Capitalumsatz. – Kosten und Ertrag einer Sclavenschmuggelfahrt. – Die Perle der Antillen und wie dort Sclaven hereingepascht werden.


Es ist eine durch statistische Nachrichten erhärtete Thatsache, daß in den Gegenden, wo blos Zucker, Kaffee, Reis und Baumwolle erzeugt wird, die mit dieser Arbeit beschäftigten Neger ein verhältnißmäßig nur kurzes Dasein genießen, denn die Arbeit ist sehr hart und anstrengend und das Klima außerordentlich ungesund. So sterben in jenen Himmelsstrichen immer mehr Nigger, als geboren werden. Dies ist besonders auf der Insel Cuba der Fall, wo die Sclaven übermäßig zur Arbeit angehalten werden. Allein auch in den zu den nordamerikanischen Freistaaten gehörigen Staaten Louisiana, Mississippi, Georgia, Florida und Alabama ist die Sterblichkeit außerordentlich groß und daher überwiegt auch hier die Zahl der Gestorbenen die Zahl der Geborenen bei weitem. Wenn deshalb diese Staaten in ihrer Zucker- und Baumwollenproduction nicht gehemmt sein wollen, wenn am Ende die ganze Negerbevölkerung nicht auf ein Minimum beschränkt werden oder gar aussterben soll, so müssen Sclaven importirt, es müssen frische Truppen in’s Feld gestellt werden, welche die abgegangenen ersetzen. Woher soll man nun aber diese Ergänzungsarmee bekommen?

Der natürlichste Weg ist der, sie von da zu holen, wo man die ersten Neger geholt hat, nämlich von Afrika. Allein England hat es nach vielen Unterhandlungen und Mühen dahin gebracht, daß alle sclavenhaltenden Staaten (Amerika, Spanien und Brasilien) einen Vertrag mit ihm abschlossen, nach welchem der Sklavenhandel mit Afrika gänzlich sistirt sein soll. Es hat es so weit gebracht, daß verschiedene Staaten – worunter auch Amerika – übereinkamen, Kriegsschiffe an der Küste von Afrika kreuzen zu lassen, um den Sklavenhandel mit Gewalt zu verhindern und denselben für die Zukunft zur Unmöglichkeit zu machen. Es hat es sogar so weit gebracht, daß der Sklavenhandel, der Export von Schwarzen aus Afrika, eben so gestraft werden soll, wie Seeraub und Piraterie, d. h. mit dem Tode durch den Strang. Sollte man nun nicht meinen, das System der Sclaverei müßte, wenn diese Verträge richtig eingehalten werden, nach und nach einen Stoß erleiden, von dem es sich nicht mehr erholen könne? Sollte man nicht überzeugt sein, daß das Sclaveninstitut nach und nach ganz aufhören müsse, wenn die vorhandenen Sclaven aussterben und keine neuen an ihre Stelle gebracht werden können? Gewiß sollte man so denken und gewiß war es auch die Absicht Englands, durch jene Verträge diesen Zweck im Laufe der Jahre zu verwirklichen. Es wollte offenbar die Sclaverei ganz aufhören machen, ohne daß diese deshalb in den sclavenhaltenden Staaten durch ein besonderes Gesetz aufgehoben zu werden brauchte. Allein die Absicht ist nicht erreicht worden und die Sklavenhalter auf Cuba und in der Union haben sich trotz dieser Verträge zu helfen gewußt.

Es geschah dies und geschieht dies noch auf zweierlei Weise. Einmal durch Umgehung jener Verträge, dadurch, daß man mit Sclavenzufuhren aus Afrika Schleichhandel treibt, das andere Mal dadurch, daß man im Lande selbst eine Art künstlicher Ueberproduction erzeugt, indem man sogenannte Niggerzüchtereien anlegt, gerade so, wie man an anderen Orten Schweine- und Pferdezüchtereien angelegt hat.

Betrachten wir uns zuerst den Niggerschmuggelhandel mit Afrika.

In früheren Zeiten, am Ende des vorigen Jahrhunderts, als der Negerhandel noch offen betrieben wurde, war er fast ganz in den Händen der Engländer. Allerdings betheiligten sich auch Franzosen und Spanier dabei, allein die Engländer überflügelten Alle sowohl durch ihren größeren Unternehmungsgeist, als auch durch die Schnelligkeit ihrer Schiffe. Seit dieser Handel als Seeraub mit dem Tode bestraft wird, läuft kein Sclavenschiff mehr aus einem europäischen Hafen aus. Wohl würde es in der alten Welt vielleicht auch jetzt noch manchen Schiffscapitain geben, der sich nichts daraus machte, einmal auf den Schwarzwildpretfang auszufahren, und noch weniger würde sich vielleicht ein reicher Kaufherr in Hamburg oder London geniren, seine Gelder im Niggerhandel anzulegen, wenn’s nur irgend anginge. Allein in den europäischen Häfen ist die Aufsicht über die Schiffe, die Controle derselben so groß und genau, daß eine Täuschung der Behörden fast zur Unmöglichkeit geworden ist. So hat sich dieser Handel ganz nach Amerika und hier wiederum hauptsächlich auf die nordamerikanischen Freistaaten zurückgezogen, von wo aus er aber immer noch ziemlich schwunghaft betrieben wird.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_337.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)