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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

heiße Dämpfe liefert. Außerdem sind noch drei Hausknechte und siebzehn Mägde dabei beschäftigt. Das Auswinden geschieht vermittelst eines eigenen Drehwerkes, welches jeden Tropfen Wasser auspreßt. Die Dampfmaschine wird zugleich zum Spalten und zum Sägen des Holzbedarfes benutzt und zerschneidet in wenigen Minuten eine ganze Klafter desselben. Überall begegnen wir einer anerkennenswerthen Ordnung und Sparsamkeit.

Wenden wir uns von dem Waschhause nach der rechten Seite, so gelangen wir zu einem neuen, eleganten Gebäude, dessen Bestimmung der Leser nur schwer errathen dürfte. Es ist dies das vor kurzer Zeit erst erbaute „Leichenhaus“ mit einer musterhaften inneren Einrichtung. Zum Nutzen der Lebenden werden hier die meisten Todten hergebracht und secirt, um den Grund ihrer Krankheit, die geheimen Ursachen und die organischen Veränderungen zu entdecken.

Die Berliner Charité.

Selbst an diesem Orte begegnen wir einer doppelt merkwürdigen Sauberkeit und Reinlichkeit. Kein unangenehmer Geruch, kein verletzender Anblick beleidigt uns. Es ist Alles aufgeboten, um das Schreckliche zu mildern, das entsetzliche Bild des Todes zu verhüllen. Die Todten liegen in einem kühlen Keller; nur der zur Section bestimmte Leichnam ruht auf einem Tische; durch Zufluß von frischem Wasser werden alle blutigen Spuren sogleich beseitigt. Die zur Untersuchung bestimmten Organe und Materien kommen in das mit dem Leichenhause verbundene Auditorium oder in das physiologische Laboratorium, welches von dem genialen Professor der Pathologie Virchow, geleitet wird. Hier stehen eine Menge von Mikroskopen in einem großen Saale, wo den Studirenden die Gelegenheit geboten wird, sich in derartigen Untersuchungen zu üben und zu vervollkommnen. Damit ist zugleich ein chemisches Cabinet verbunden, wo die organischen Stoffe geprüft und analysirt werden. Auf diese Weise steht selbst der Tod im Dienste des Lebens und der Wissenschaft; die Zerstörung muß zur Wohlthat werden und bereichert den Schatz unserer Erkenntniß. Nur zuweilen wird das Leichenhaus ein Schauplatz des Grauens und der Furcht, da es auch zur Aufbewahrung der Ermordeten und zur Ausstellung unbekannter Selbstmörder und Verunglückter dient. Hier findet die Mutter ihr vermißtes und ertrunkenes Kind wieder und wirft sich jammernd über die kleine Leiche; oder jene arme Frau, der das Elend aus den eingesunkenen Augen und den hohlen Wangen schaut, erkennt unter den Todten nach ängstlichem Suchen den Körper ihres Mannes, der sich vor Verzweiflung, weil er nicht länger die Noth der Seinigen ertragen konnte, mit einem Pistolenschusse das Gehirn zerschmettert hat.

Hier steht der Mörder seinem Opfer gegenüber und zittert, wenn er die blutige Wunde sieht, die ihn laut seines Verbrechen anklagt. Er bricht zusammen bei dem Anblick und gesteht seine That, die ihn auf das Blutgerüst führen wird. – Das sind die Mysterien und Tragödien des Berliner Leichenhauses.

Wir haben nur noch einige Worte über die Verwaltung der Charité hinzuzufügen. Die größere Anzahl der Kranken wird hier unentgeltlich aufgenommen und gepflegt. Andere zahlen monatlich einen festgesetzten Beitrag, der zwischen zehn und dreißig Thalern differirt je nach der Classe, in welche sie eingeschrieben zu werden wünschen. Die großen Kosten werden theils von diesen Beiträgen, theils von den Zuschüssen des Staates und der Stadt Berlin, theils aus den eigenen Einkünften der Charité bestritten, welche diese aus ihren Gütern in Schlesien, der Mark u. s. w. und aus frommen Stiftungen und Vermächtnissen bezieht. Immer mehr hat sich die Nothwendigkeit herausgestellt, die medicinische Leitung des Ganzen von der rein finanziellen zu trennen. Die erstere befindet sich in den Händen des geheimen Medicinalraths Dr. Horn, die letztere wird von dem Geheimrath Esse geführt, einem der ausgezeichnetsten Verwaltungsbeamten, dem die Anstalt ihre musterhafte äußere Einrichtung zum großen Theile zu danken hat. Für ihre wissenschaftliche Bedeutung bürgen die Namen Schönlein, Jüngken, Grimm, Ideler unter den älteren Aerzten; unter den jüngeren Virchow, Traube u. s. w. Kaum dürfte in Rücksicht auf zweckmäßige Anordnung, Einrichtung und Leitung ein besseres Krankenhaus in Deutschland existiren, da es Alles in sich vereint, was zur Behandlung der verschiedensten Kranken und Belehrung der Studirenden Noth thut.

Max Ring.




Eine Erinnerung aus dem Jenenser Studentenleben.

Es ist noch nicht so lange her, so galt Jena als eine derjenigen Universitätsstädte, wo das Lied „Frei ist der Bursch“ nicht nur hell und laut durch die Straßen klang, sondern auch seine uneingeschränkteste Wahrheit hatte; wo die blühende Studentenromantik die unbestrittenste Herrschaft behauptete und die gesammte Jenenser Bürgerschaft mit ihren Civilbehörden und Polizeidienern

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_341.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)