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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Hauptmärkte sind jetzt in Richmond in Virginien, in Charlestown, Nashville, Raleigh, Neworleans und andern südlichen Städten. Es sind meist schöne bedeckte Locale, große Säle, in welchen diese Märkte stattfinden, so z. B. in Neworleans im Saale der Börse, in der großen runden Halle der St. Louis-Exchange, die mit ihren luftigen griechischen Säulen an ein Baudenkmal der alten Zeit erinnert. Auch in Richmond ist das Local ein fast prachtvolles, in welchem mehr als 1000 Menschen mit Bequemlichkeit Platz finden. Die Ankäufe können unter der Hand mit dem Sklavenhändler abgeschlossen werden; gewöhnlich aber geschehen sie in öffentlichen Auctionen. Besehen wir uns einmal ein solches Schauspiel, von dem man sich in der alten Welt nur schwer einen Begriff machen kann.

Wir treten in den Saal ein durch das Schenkzimmer, die sogenannte Bar, wo auf einem außerordentlich langen Schenktische Getränke aller Art und auch einzelne Speisen zu haben sind. Während der Verkaufszeit hat die Bar mit fünf oder sechs Kellnern den ganzen Tag vollauf zu thun. Inmitten des Saales, gerade vor uns, befindet sich eine Art Katheder oder Kanzel. Auf dieser steht der Auctionator, ein lebhafter, beweglicher, listig aussehender Mann, dessen Zunge wie ein Rad schnarrt und dessen Kehle die Eigenthümlichkeit hat, nie heiser zu werden. Links von ihm in langer Reihe stehen die weiblichen Sclaven, rechts in noch längerer Flur die männlichen. Die Sclaven sind alle frisch gewaschen, nett und reinlich in Leinwand und Callico gekleidet und haben sämmtlich ein sauberes, zum Theil sogar, besonders was die weiblichen Prachtexemplare betrifft, geputztes Aussehen. Ein Pferd, welches dem Kaufliebhaber vorgeritten wird, ist ebenfalls frisch gestriegelt und hinlänglich gut gefüttert! Es mögen im Ganzen wohl sieben- bis achthundert Sclaven anwesend sein. Die Käufer, meist Männer (doch kann man auch einzelne Damen in vollkommenem Putze sehen), sind im Saale zerstreut. Sie schwatzen, sie plaudern, sie besehen sich die Nigger, sie trinken eins in der Restauration! Sie treten wieder ein, stehen in Gruppen, gehen auf und nieder, lachen, scherzen und sind guter Dinge! Die Nigger stehen schweigsam, aber sie lassen die Köpfe nicht hängen. Ihre großen Augen rollen immerwährend im Kopfe herum und doch sieht es so aus, als ob die Meisten ganz unbekümmert um ihr Schicksal seien. Nur einige Weiber haben ihre Augen auf den Boden gerichtet und einige Männer schauen finster. Sie gedenken vielleicht ihrer Kinder, ihrer Eltern oder sonstiger Verwandten, die sie in ihrer früheren Heimath, auf der Plantage, auf der sie geboren und erzogen wurden, zurückgelassen haben.

Jetzt ruft der Auctionator einen Sclaven mit Namen auf. Es ist wahrscheinlich ein berühmter Name, etwa ein Name aus der römischen Geschichte: ein Cäsar, ein Brutus, ein Cicero, oder ein Name aus der Idyllenwelt: eine Doris, eine Phyllis oder dergleichen. Möglicherweise ist’s auch ein Göttername: ein Jupiter, ein Neptun, eine Juno, eine Venus; denn der Neger liebt prunkhafte Namen. Der aufgerufene Sclave tritt vor; er stellt sich auf eine Art Plattform, welche hart vor dem Katheder des Auctionators errichtet ist. Der erhöhte Raum ist deshalb da, damit man den Sclaven von allen Seiten sehen kann. Nun geht’s an ein Anpreisen der Waare. Alle guten Eigenschaften des Niggers werden von dem Auctionator hervorgehoben, – die schlechten bleiben natürlich verschwiegen. Die Jugend, die Schönheit, die Geschicklichkeit, die Kraft, der Fleiß, die Folgsamkeit, der Verstand, die Treue, – ein ganzes Lexikon von Tugenden! Alles wird hervorgesucht, um den Sclaven so werthvoll als möglich hinzustellen. Der Auctionator vergißt auch nicht einen Umstand, der für den Verkauf günstig wirken könnte. „Es ist ein wahrer Spottpreis, für den dieser „Trajan“ oder jene „Semiramis“ losgeschlagen werden soll!“ – Allein die Kaufliebhaber gehen nicht so blindlings drein. Sie besehen sich ihre Waare, ehe sie ein Angebot machen. Sie wollen vorher prüfen, darum mustern sie! Dem Leser ist es vielleicht noch erinnerlich, es schon gesehen zu haben, wie es die Metzger auf dem Lande machen, wenn sie einen Ochsen, eine Kuh oder auch nur ein Kalb im Handel haben. Gerade dieselben Manipulationen wendet auch der Sclavenankäufer an. Der Sclave weiß es schon, daß er sich eine solche „Musterung“ gefallen lassen muß; er ist an die Sache gewöhnt, weil er’s bei seinen Mitsclaven schon gesehen hat, und es kommt ihm daher auch nicht sonderbar vor, wenn ihm möglicherweise zugemuthet wird, sich seiner Kleider gänzlich zu entledigen, damit man seine etwaigen Körpermängel entdecken könne! Ein solcher Befehl ergeht auf ganz gleiche Weise an einen weiblichen, wie an einen männlichen Sclaven, ohne daß irgend Jemand Anstoß daran nimmt. Sogar die unter den Kaufliebhabern anwesenden Damen geniren sich durchaus nicht, eine solche Musterung mit durchzumachen. Eine bloße „Sache“ kann man schon ohne Schamgefühl in ihrer Nacktheit besehen und mehr als eine „geschlechtslose Sache“ ist ein Sclave in den Augen einer Südländerin nicht. In neuester Zeit ist übrigens auf das Decorum in so fern Rücksicht genommen, als solche „nackte Musterungen“ nunmehr meist in einem besonderen Locale vorgenommen werden.

Nun endlich hat Einer draufgeschlagen.

„Zwölfhundert Dollars zum Ersten!“ ruft der Auctionator. „Ein Prachtexemplar von einer Sclavin! Ist ihre fünfzehnhundert Dollars Werth!“ Jetzt schlägt ein Anderer drauf.

„Zwölfhundert und fünfzig!“ schreit der Auctionator. „Sehen Sie den straffen Körper, die volle Brust! Eine wahre Venus! Kann’s unter vierzehnhundert Dollars nicht thun!“

So geht’s fort und fort, bis endlich der Zuschlag kommt. Der erkaufte Sclave wird dem neuen Eigenthümer sofort übergeben und eine Urkunde darüber ausgestellt, welche der Sheriff, der den Verkauf als Magistratsperson überwacht, unterschreibt. Die nicht verkauften „Stücke“ werden in die „Sclavenställe“ zurückgeführt. Diese sind nichts Anderes, als ein langes hölzernes Gebäude in der Nähe der Marktlocale, wo die Sclaven zu Hunderten, übrigens bei guter Verpflegung, aufgestapelt bleiben, bis sie endlich an den Mann gebracht sind oder auf einen andern Markt weiter geführt werden.

Der Preis für einen kräftigen Burschen von 18 bis 24 Jahren oder für eine tadellose Dirne von 16 bis 22 Jahren ist 1500 bis 1600 Dollars. Junge Schlingel von 12 bis 18 oder Mädchen von 10 bis 16 Jahren gelten von sechshundert Thalern an. Aeltere Sclaven in gleichem Verhältnis;. Ueber vierzig Jahr alte, zur Arbeit nicht mehr gut taugliche Exemplare können nicht mehr leicht verkauft werden, und man sieht daher nur wenige bejahrte Sclaven auf den Märkten, es müßten denn solche sein, die wegen einer Erbschaft oder dergleichen à tout prix verkauft werden müssen. – Auffallend ist die oft fast ganz weiße Farbe der Sclaven. Es gibt welche, die sogar einem Europaer nichts nachgeben, wenn dieser etliche Sommer unter der heißen Zone Georgia’s oder Alabama’s gelebt hat. Es sind dies Sprößlinge von Weißen und Halbmulatten, sogenannte Quadronen, die in Europa für ebenbürtig gelten würden. Oft sind’s aber auch wirkliche Weiße, die irgendwo in einer großen Stadt des Nordens als Kinder geraubt wurden, und nun, nachdem man sie bis in’s zwölfte Jahr groß gefüttert, als Sclaven verkauft werden. Kidnapping heißt man diese Art Handel, und derselbe kommt öfter vor, als man glaubt. Auch wirklich „freie“ Neger, die entweder sich selbst längst losgekauft haben, oder von ihren Herren freigelassen waren, kommen oft unter den Hammer, wenn sie sich nicht „documentarisch“ als frei ausweisen können, oder wenn sie Schulden halber verhaftet sind. Mit dem Preise ihres Körpers zahlen sie ihre Gläubiger! – Das Schändlichste aber bei diesem schändlichen Handel ist die oft gewaltsame Trennung zwischen Mann und Weib, Vater und Sohn, Mutter und Tochter. Der Süden erkennt keine „Familie“ unter den Sclaven an. Die Ehe des Niggers ist nur ein geduldetes Zusammenleben, nicht aber ein gesetzliches, geheiligtes Bündniß. Sogar die Kinder gehören nicht den Eltern, sie werden blos der Mutter gelassen, bis sie im Stande sind, ihre Nahrung selbst zu sich zu nehmen. So verkauft also der Sclavenhalter die Mitglieder einer Sclavenfamilie ganz getrennt von einander, den Sohn nach Louisiana, die Mutter nach Carolina, den Vater nach Texas, die Tochter nach Arkansas. Findet einander wieder, wenn ihr könnt! Jetzt ist solche gewaltsame Trennung in den meisten Staaten verboten, kommt aber trotz aller der unmenschlichen Grausamkeit, die darin liegt, noch oft genug vor. Wer soll denn den Pflanzer verklagen, wenn es ihm beliebt, das Gesetz nicht zu beobachten? Etwa der betheiligte Nigger? – Er hat kein Klagrecht. Nur der Weiße hat’s, der sich seiner vielleicht aus Mitleid annimmt.

Die meisten Einkäufe auf den Sclavenmärkten machen die Pflanzer von Louisiana und Mississippi. Dort werden die meisten Nigger „verbraucht.“ Der Neger fürchtet sich auch, an einen solchen Pflanzer verkauft zu werden. Man sieht es der Verzweiflung in seinem Gesichte an, was er fühlt, wenn er dem Eigenthümer einer Zuckerplantage zugeschlagen wird. Es ist, als ob man ihm sein Todesurtheil vorläse!

Noch mehr als das Klima von Louisiana fürchten die Sclaven den Verkauf an einen Plantagenbesitzer französischer oder spanischer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_353.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)