Seite:Die Gartenlaube (1858) 432.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

überredet, sie schildert, sie warnt, sie droht und züchtigt endlich: vergeblich! zur freien Entsagung des Genusses kommen sie nicht, denn die Mutter vermag sich selbst nichts zu versagen, und das wissen die Kleinen besser, als die Mutter, die nicht auf sich Acht hat. Sobald sie aber die Mutter ohne Rumor und freudig Opfer bringen sehen, lassen sie sich leicht und willig daran gewöhnen und ein einziges Wort der leisen Anerkennung wiegt jener tausend auf.

So lange die Mutter sich nicht scheut, die Kleinen im Scherz und Ernst zu täuschen, oder den Vater oder Andere, werden alle moralischen Predigten und die härtesten Strafen das Kind nicht zur Offenheit, zur Wahrheit führen. Die Reinlichkeit und Ordnung, die Pünktlichkeit, die Vorsicht und Bedachtsamkeit, Bescheidenheit und Anstand in Benehmen und Sprache muß das Kind der Mutter absehen können (natürlich auch anderen Personen, mit denen es in Berührung kommt), wenn dasselbe sie lernen, lieben und üben soll. – Darum achtet die verständige Mutter (wie auch jeder Erzieher) auf sich selbst mit der größten Sorgfalt und führt die Kinder mitten in die Sache hinein, benutzt die Gelegenheiten ihres kleinen Kreises, um sie zu gewöhnen, und erspart sich Verdruß und alle vergeblichen Redensarten und Scheltworte.

„Ich erziehe meine Kinder mit der größten Strenge,“ rühmt jene Mutter von sich. Nehmen wir doch diese mütterliche „Strenge“ ein wenig näher in Augenschein! – Die Kleinen haben sich unter den Augen der Mutter eine Zeitlang beschäftigt, plötzlich ist es die strenge Mutter überdrüssig und die Ruthe verschafft ihr Ruhe. – Wirklich, diese Strenge ist eine sehr sonderbare. Dasselbe, was viele Male erlaubt ist, zieht den Kindern Strafe zu. Die Kinder folgen bewußtlos ihren Neigungen, kein freundliches Leiten, kein Ablenken ihrer Thätigkeit auf ein anderes Gebiet, kein Blick, kein Wink der Mißbilligung, keine Frage nach der Ursache – das Alles ist ja keine Strenge. Sobald die Mutter irgend eine Unbequemlichkeit von ihrem Treiben empfindet, Heftigkeit, Zürnen, Scheltworte und Strafe! – Strafen ist kein Erziehen! – Die Strafe ist das letzte und folglich das seltenste Erziehungsmittel, kein Mittel, um des Erziehers Verdruß austoben zu lassen. Züchtigung ist nur dann am Platze, wenn das Kind mit Bewußtsein das Unrechte thut.

Miene, Wesen und Verhalten der Mutter muß gleichmäßig ruhig, heiter, freundlich sein. Es muß dem glatten Spiegel eines ruhigen See’s gleichen, aus dessen Grunde stets nur die Sonne der Liebe wiederstrahlt. Heftiges Zürnen und Schelten, lieblose und unästhetische Ausdrücke, lautes, lärmendes Gebühren und nie endendes „Klapsen“ ist keine Strenge, ist kein Erziehen. Es ist ein völlig zweckloses, unvernünftiges und seiner traurigen Einflüsse – auf die Mutter selbst, sowie auf die Kinder – halber durch nichts zu entschuldigendes Verhalten. Der wirklichen Strenge aber ist ebenfalls die Mutter nicht zu entbinden. Sie ist aber auch nichts Anderes, als das unerschütterliche Festhalten an dem einmal ausgesprochenen Willen, mit anderen Worten, Consequenz. Damit dies möglich werde, muß solcher Willensausdruck möglichst selten vorkommen, ein freundlicher Wunsch oder Wink der Mutter und, im besten Falle, das in den Kindern selber erregte freie Gefühl für’s Rechte und Schöne muß in den meisten Fällen genügen. Eine große Anzahl von Gesetzen kann der Erzieher selbst nicht, geschweige die Kinder behalten. Ferner muß der Ausdruck des Willens wohl überlegt sein, nicht eine augenblickliche Laune, die uns nöthigt, selbst ihn wieder aufzuheben, weil kein Kind ihn ausführen kann oder mag.

Ein solcher Ernst und solche Strenge schließt die Freundlichkeit nicht aus, dieselbe bleibt vielmehr die Alles beherrschende Gebieterin.

Mutterliebe ist vielleicht die edelste und stärkste Empfindung, deren ein Menschenherz fähig ist. Mütterliche Zärtlichkeit rührt jeden Menschen. Hochachtung und tiefe Verehrung daher diesen Genien der Menschheit! Allein was Mütter manches Mal mit diesem Namen belegen, das verdient sie nicht. – Welche Gewalt üben oftmals Kinder über die Mutter aus – oft durch Verstellung! – Sie weinen schmerzlich, sie stellen sich ungebehrdig, sie schmollen oder toben oder schmeicheln, warum? – Weil sie die schwachen Seiten der Mutter genau kennen, und sie greifen sie so geschickt an, daß sie in der Regel ihren Willen durchsetzen und recht verzogene und noch dazu verschlagene Kinder werden. Es ist unvergleichliche Schwäche, wenn die Mutter sich durch jedes Weinen rühren läßt, keinen Wunsch verweigern, keine Bitte abschlagen, keinen Befehl durchsetzen, kann; und strömte ihr Herz gleich über von zärtlicher Besorgniß, und wäre es ihr heißester Wunsch, ihr ganzes Streben, ihnen eine gute Mutter zu sein: sie könnte es nicht sein. Die Mutter bedarf neben der Seelenruhe auch der Seelenstärke für ihren Beruf.

Kennen die verehrten Leserinnen den Schmerz der Mutter über ungerathene Kinder, die Thräne, die vom Auge rinnt und in’s Gewissen den Vorwurf der Selbstverschuldung brennt, das von Aerger und Kummer gebleichte Haar und das von Kindern gebrochene Herz? – Sie sind nur zu häufig zu finden!

Kennen dieselben den Stolz, die Wonne der Mutter am Arme des edlen, des dankbar ihre Hand verehrenden Kindes, die Thräne der glücklichsten Rührung, die sie erquickt, im Auge? – Sie sind nicht allzuhäufig zu finden! – Dann kennen sie auch Strafe und Lohn!




Von den schwarzen Bergen.
I.
Die Bucht von Klek und die Ausschiffung der türkischen Truppen.
Von einem österreichischen Marineofficier.


Dalmatien ist ein wenig gekanntes Land und die Bucht von Klek, welche neuerdings bei Gelegenheit der Landung der türkischen Truppen so oft in der Presse genannt worden ist, ein noch weniger gekannter Theil dieses doch recht interessanten Küstenstriches des adriatischen Golfes. Im südlichen Dalmatien, wenige Stunden von den Mündungen der Narenta, des größten Stromes der westlichen Türkei, entfernt, erstrecken sich die Grenzen des osmanischen Reiches bis an die Gestade der Adria mitten in österreichisches Gebiet hinein und türkische Lande umgeben die blos in ihrem nördlichen Theile zu Oesterreich gehörenden Gewässer der dort befindlichen Bucht von Klek.

So interessant, romantisch, voll herrlicher Partien und üppiger Vegetation das nahe Sumpfthal der Narentamündungen sich zeigt, so öde, wüst und einförmig ist die Gegend um Klek. Dort eine reizende Landschaft, hier nichts als kahle, schroffe Berge, nur hier und da niedriges, verkrüppeltes Gebüsch oder Olivenbäume mit ihrem monotonen Grün. – Einige wenige, ärmliche Hütten, am Ausgange einer Thalenge gelegen, der einzigen in der Umgegend, die etwas Ackerland zwischen dem ringsumher liegenden zackigen Gestein und eine größere Olivenpflanzung aufzuweisen hat, bewohnt von armen Hirten, deren Ziegen und Schafe das wenige Grün noch mehr am Gedeihen hindern, deren einziger Erwerb eine glückliche Olivenernte, Fischfang und vielleicht etwas Tabakschmuggel ist, dies ist der Ort Klek im oberen österreichischen Theile der Bucht. Am Ausgange dieser Thalenge steigt das Gebirge steil hinan; – eine kahle Felswand, auf deren First ein Kirchlein, wieder einige Hütten, ein Fleck mühsam bebauter Erde, dann abermals Fels, Gerölle, Gestein!

Unten am Gestade, am äußersten Ende der Bucht, steht neben der Ruine eines alten verfallenen Thurmes ein kleines Wachthaus, da weht auch täglich von Sonnenauf- bis Untergang der türkische Halbmond, bezeugend, daß man sich auf Grund und Boden Sr. Großherrlichkeit des Sultans befindet. Einige Albanesen bewohnen dieses Gebäude und halten die Grenzwache. – Dort verflacht sich die Gebirgskette, bildet ein längliches Thal, macht einen stumpfen Winkel und erstreckt sich dann, im Berge Klek sich noch einmal steil erhebend, gegenüber dem Festlande in eine niedrige, schmale, fast ganz unbewohnte Landzunge abfallend, gegen NW bis auf sechs Seemeilen in die See hinaus.

Dadurch wird eine vollkommen geschützte, von allen Seiten geschlossene Bucht mit gutem Ankergrund in ihrer ganzen beträchtlichen Ausdehnung gebildet, ein prächtiger Hafen für eine ganze

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_432.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)