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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Transport der Bagage und Lebensmittel zusammengetrieben und der Pascha von Mostar mit einem kleinen Gefolge war dort angekommen. Den Mann mußte man sich ansehen, wie er mit seiner türkischen Gemächlichkeit in diesen elenden Behausungen sich eingerichtet hatte. Vielleicht konnte man auch einiges Neue von ihm erfahren. Es wurde ihm daher eine Visite abgestattet. Er hatte sich auch hier, so gut als es eben ging, mit allem Comfort, d. h. auf orientalische Manier, umgeben. – In dem besten Hause, aber auch nur einer Hütte, wurde ein Gemach ganz mit Teppichen und geflochtenen Strohmatten belegt, an den Wänden einige Polster statt Divans ausgebreitet, eine immer Kaffee siedende Küche eingerichtet und das Meublement war besorgt. Der Pascha selbst war ein corpulenter, gemüthlicher Mann, der blos türkisch sprach und auf den Kissen hingekauert den ganzen Tag seinen Tschibuk schmauchte. – Merkwürdig waren die kleinen Füße an den dicken Beinen, sie hätten keinem unserer Dandies Schande gemacht, und wundern mußte man sich, wenn man daran dachte, wie diese Figur mit ihrem Embonpoint und ihrer Unbeholfenheit die Reise von Mostar hierher auf diesen elenden Wegen gemacht hatte. – Von der Ankunft der Truppen wußte auch er nichts Bestimmtes.

Mehr als drei Wochen waren schon seit diesen Vorbereitungen verflossen, und noch schien es nicht Wahrheit werden zu wollen. Entweder ging man in Constantinopel mit gewöhnlicher muselmännischer Saumseligkeit zu Werke oder die Schiffe hatten auf der See übles Wetter, welches sie am Weiterkommen hinderte.

In Klek gab man sich schon den verschiedensten Vermuthungen hin, da schwenkte eines schönen Morgens, es war am 23. März dieses Jahres, der an der Spitze der türkischen Landzunge auslugende Matrose die Flagge zum Signal: die türkischen Schiffe in Sicht. Bald darauf sah man auch von Klek aus diese das äußerste Vorgebirge passiren.

Langsam und vorsichtig bewegte sich der mächtige Körper des Schraubenlinienschiffs Peïki Zaffer mit 94 Kanonen (ein Zweidecker) und die Schraubenfregatte Gevan Bahri mit 38 Kanonen, beide Fahrzeuge gepfropft voll Truppen, den ihnen fremden Gewässern der Bucht von Klek zu. Vom Dampfer Lucia wurde ihnen ein Boot mit einem Officier entgegengeschickt und lootste sie in das Innere der Bucht auf ihren Ankerplatz.

Die österreichischen Dampfer hatten unterdeß geheizt, kamen bald nachgesteuert und legten sich in der Nähe der türkischen Schiffe vor Anker. – Unverzüglich begann die Ausschiffung der Truppen, die vom Deck herab und aus allen Kanonenpforten sich die fremden unwirthlichen Gestade des Landungsplatzes neugierig betrachteten.

Was für ein reges Leben und Treiben brachte dies in die sonst so öde, ruhige Bucht! Früher nichts, als das kleine österreichische Wachtschiff Achilles, ganz verborgen in einer kleinen Valle (Einbuchtung) im nördlichen Theile der Bucht vor Anker liegend, keine Barke, kein Fischerboot, am Lande einige Bauern, mühsam die wenige Erde zwischen den Steinen auflockernd und Hirten, ihre Schafe und Ziegen weidend! – Und jetzt: ein gewaltiges Linienschiff, eine Fregatte, zwei Dampfer, nebst einer Unzahl immer ab- und zufahrender Boote, und die Gestade, die Hügel und Berge ringsum belebt, wie Ameisenhaufen, von der Menge der gelandeten Truppen. Welch’ ein fremder, sonderbarer Anblick für die ruhigen, eingezogenen Bewohner der Umgegend und auch für die des „Achilles.“ Man glaubte sich gar nicht mehr in Klek, sondern dachte eher eine Scene des Krieges im Orient mit dessen großartigen Truppenlandungen hier dargestellt zu sehen. Man fühlte, daß Klek, die verborgene, einsame Bucht, eine wichtige Station geworden sei.

Um die Landung der von der Seereise ermüdeten Truppen – im Ganzen 3600 Mann Nizams (d. i. reguläres Militair) nebst Feldgeräthe, einer Batterie von Gebirgshaubitzen, Munition und den Pferden des Generals – schneller bewerkstelligen zu können, als dies mit Booten hätte der Fall sein können, weil die türkischen Schiffe beinahe in Mitte der Bucht, weit vom eigentlichen Landungsplatze entfernt lagen, so ersuchte der Obercommandant der Expedition Kadri Pascha[1] um Beihülfe des österreichischen Dampfers Achilles. – Dieser heizte sofort, begann alsbald zu dampfen und legte sich in die Nähe des Linienschiffs, von wo man fort und fort die schwer bepackten, ermüdeten Soldaten so dicht als möglich in die Boote lud, welche dann vom „Achilles“ in Schlepp genommen und zum Landungsplatze geführt wurden. Kaum waren die Boote geleert, so wurden sie zum Schiffe zurückbugsirt, um wieder neue Ladung einzunehmen. Auf diese Weise wurde die Ausschiffung den ganzen Tag fortgesetzt und ging sehr schnell von statten.

In der Nähe des Landungsplatzes, an dazu möglichst geeigneten Punkten, wurden in aller Eile sofort zwei Bivouacs aufgeschlagen, um die von der ungewohnten Seereise und von dem schlechten Wetter sehr erschöpften Truppen einigermaßen zu restauriren, bevor sie den Marsch durch die unwirthlichen Gegenden in der Richtung nach Trebigne gegen die Grenze von Montenegro antreten sollten. Der steinige Boden wurde, so gut es ging, geebnet, das Gesträuche abgehauen und dann die Zelte ausgespannt; alsbald stieg auch der Rauch von einer Menge von Wachfeuern zum Himmel empor, denn die Luft war noch empfindlich kalt.

Die Soldaten hatten ein ziemlich gutes Aussehen, freilich hatte das enge Beisammenleben auf der neuntägigen Seereise nicht gut auf sie gewirkt, sie waren auch nicht besonders rein und nett, aber doch so ziemlich egal und in mancher Beziehung praktisch adjustirt, so z. B. halten sie eine Art von Gamaschen aus Schaffellen, die bis unter das Knie reichten und den Fuß vollkommen schützten, gewiß für diese steinigen Gegenden sehr zweckmäßig. – Sie trugen blaue Röcke und Hosen, einen blaßgrauen Mantel aus sehr dickem Stoffe und als Kopfbedeckung den türkischen Feß. Die Bewaffnung war durchgehends mit langen Kapselgewehren. Nur ihre voluminösen Tornister waren zu schwer geladen, denn außer Mantel, Reserveschuhen u. s. w. war noch eine Kotze und ein kupferner Kochkessel daran geschnallt, welches die Last für den Marsch durch dieses Gestein und besonders auf die Dauer etwas zu unbequem und schwierig machte. Trotzdem krochen sie doch wohlgemuth, obwohl langsam, weiter.

Zur großen Befriedigung Kadri Pascha’s, der froh war, seine Truppen bald im Lager zu haben, und dem österreichischen Commandanten persönlich hierfür seinen Dank abstattete, setzte man derartig den ganzen Tag die Landung fort. – Bis gegen Nachmittag ging auch Alles glücklich von Statten. Ueber die Hälfte der Mannschaften und ein großer Theil des Gepäcks waren schon in den Bivouacs untergebracht. Es war drei Uhr vorüber, der Achilles wartete beim Linienschiff auf frisch geladene Boote, indeß die näher am Lande liegende Fregatte Gevan Bahri ihre Truppen zum Theil auch selbst mit Hülfe ihrer Boote ausschiffte. Da erscholl plötzlich Hülferuf. Eines der Boote, welches, wahrscheinlich zu voll geladen, von der Fregatte gegen das Land zu sich entfernte, schlug plötzlich um, und Alles versank in die Tiefe. – Noch weiß man nicht die eigentliche Ursache, ob das Boot leck, ungeschickt geleitet oder zu voll geladen war. Die See war nur wenig bewegt.

Kaum aber hörte man das verworrene Geschrei in dem untern Theile der Bucht und den Tumult, der dabei und unter den in der Nähe des Unfalls am Lande anwesenden Leuten entstand, so hatte sich schon im Nu ein Boot mit kräftigen Matrosen behende bemannt und, von einem Officier geleitet, vom Achilles entfernt, und eilte pfeilschnell dem Unglücksplatze zu. Indeß obwohl es das erste zur Stelle war, und ihm bald eine Menge anderer Boote folgten, so gelang es doch nur, drei Menschenleben den Fluthen zu entreißen. Mit Theilnahme und Bedauern waren alle Fernröhre, Aller Blicke auf jene Gegend gerichtet, doch blieben die fortgesetzten ferneren Versuche durchgehends erfolglos. Die See wollte ihre Opfer behalten.[2] Die Leute waren zu schwer bepackt, um sich retten zu, können. Man sprach von 20 Mann, die ertrunken sein sollen.

Andern Tages bis Sonnenuntergang waren beide Schiffe von ihrer Ladung entblößt, und alle 3600 Mann ausgeschifft. Gegen Abend brachte man noch Pferde, Munition und die Gebirgshaubitzen an’s Land, wo es jetzt noch lebhafter und reger herging, um alle diese verschiedenen Gegenstände weiter zu schaffen. Von den Truppen hatte sich schon ein Theil in Marsch gesetzt, um den Uebrigen mehr Platz in den dürftigen Bivouacs zu machen.

Den folgenden Tag, nachdem die Landung beendet wir, hatten die Officiere der österreichischen Dampfer Zeit und Muße, die inneren Räumlichkeiten und Einrichtungen der türkischen Schiffe zu betrachten. Eine Gesellschaft, die von dem zwei Stunden entfernten Orte Stagno angekommen war, um sich das Linienschiff als ein für sie noch nie dagewesenes Schauspiel anzusehen,

  1. Vielen Gerüchten zufolge soll dieser General in dem jüngst bei Grabows zwischen den Türken und Montenegrinern abgehaltenen mörderischen Treffen den Heldentod gestorben sein, nachdem er gesehen, daß für seine Truppen keine Rettung mehr möglich sei.
  2. Erst drei Wochen nach diesem Unfalle fischte man einige Leichen auf.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_434.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)