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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Der Landsberg bei Meiningen.

Die Werrabahn, welche eine neue Verbindung des deutschen Nordens und Südens gewährt, führt an der Wartburg, der stolzen Horde Thüringens, und an der Coburger Veste, der nicht minder ruhmreichen Krone Frankens, vorüber. Fast in gleicher Entfernung von beiden bietet die neue Eisenbahn den schönen Anblick einer jüngeren Schöpfung der Baukunst, zwar weit weniger genannt, aber doch schon vielfach von Reisenden besucht.

In nördlicher Richtung, ¾ Stunden unterhalb der Residenzstadt Meiningen, ist das Thal von einem Kalksteinhügel begrenzt, der noch vor zwanzig Jahren sich traurig und öde aus dem Wiesengrün emporhob. „Die Burgtrümmer auf seinem Rücken,“ heißt es in Meyer’s Universum, dem wir diese Textnotizen, trotz unseres entschiedenen Hasses gegen alle Art von Nachdruck, ausnahmsweise entnehmen, „lagen am Boden, nichts Erhebendes versöhnte mit seinem Anblick. Früher war und jetzt ist das anders. Die Lage der isolirten Höhe zwischen drei belebten Straßen, dem alten Thalwege im Werragrund, der alten Frankenstraße und der Straße in das sogenannte Sandland, war zu lockend für die Burgengründer des Mittelalters, um lange unbenutzt zu bleiben. Urkundlich ist erwiesen, daß die nahen Orte Meiningen, Vachdorf und Leutersdorf unter König Heinrich I., dem Städtebauer und Hunnenbesieger, ihre Befestigungen erhielten. Da nun Walldorf und Meiningen damals Reichsdomänen waren, so spricht Vieles für die Wahrscheinlichkeit, daß auch auf dem heutigen Landsberg schon zu jener Zeit (zwischen 924–930) eine feste Burg erbaut worden sei. Am deutlichsten spricht aber dafür der Name jener ältesten Burg, sie hieß: „Landeswehr“, und der Berg „der Landwehrberg.“

Der Landsberg bei Meiningen.

„Wenn dies der Ursprung der alten Burg ist, so haben wir damit den interessantesten Theil ihrer Geschichte erzählt. Später hatte sie das Schicksal von Hunderten ihres Gleichen in Thüringen, Franken und Schwaben. Lange Zeit sammt der Stadt Meiningen mit deren Umgegend Besitzthum der Bischöfe von Würzburg, welche Burgmänner daselbst hielten, blieb sie in der Hand des Geschlechts der Wolfe, die jedoch in jenen Blüthentagen des Faustrechts ebenso oft die Grafen von Henneberg, von deren Gebiet Meiningen und Landeswehr rings umschlossen waren, ihre Lehnsherren nennen mußten. Burg und Berg mit den Hofstätten am Fuße desselben waren wieder würzburgisches Kammergut geworden, als der Bauernkrieg 1525 der Herrlichkeit auf der Höhe ein Ende machte. Ein hoher Turm und einige Thor- und mächtige Mauerreste mit hohlen Fensterluken bedeckten den Landwehrberg, als derselbe sammt Meiningen 1542 an Henneberg und endlich, 1583, an das Haus Sachsen kam. Der dreißigjährige Krieg hatte hier nur den Meierhof mit allem Zubehör zu verwüsten, that dies aber so gründlich, daß noch lange nach dem westphälischen Frieden sich Niemand zum Wiederanbau der hier entstandenen Wildniß entschließen wollte. Nach der Ländertheilung des Herzogs Ernst des Frommen ward Meiningen durch Bernhard I. Fürstensitz; man verwendete nun die Steine der Ruine Landeswehr zum Schloßbau in Meiningen und sprengte den letzten Stolz des Hügels, den hohen Thurm, mit Pulver. Dies geschah im Jahre 1685. Ein zerborstener Theil diesen Thurmes liegt noch heute, quer und fest, wie sein Heidelberger Schicksalsgenosse, auf dem Fundamente seiner Vergangenheit. Seitdem machte der Name „Landwehrberg“ dem kürzeren „Landsberg“ Platz.

„Diesen Namen erhielt auch das neue Schloß, dessen Bau im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_457.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2018)