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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

welche 1807 für den Kopf 4,84 Pfd., im Jahre 1845 bereits 9.65 Pfd. betrug. Die niedrigst cultivirten Völker sind auch die unreinlichsten. Der Anstand verbietet, manche Gewohnheiten der Tungusen und Korjäken anzuführen. An den Hottentotten und Buschmännern ist die natürliche Hautfarbe nur unter den Augen noch sichtbar, wo die vom vielen Rauch ihrer Hütten erzeugten Thränen die sonst den ganzen Körper überdeckende Schmutzkruste hinwegwaschen. Auf höherer Culturstufe wird die Reinlichkeit zum unabweislichen Bedürfniß, auch der Arme sorgt in seinem Hause für Sauberkeit. Noch im vorigen Jahrhundert mußten die Abtritte unter Androhung von Strafen anbefohlen werden.

Die wachsende Bildung des Volkes ist das beste Mittel gegen die Uebervölkerung. Mit der Verallgemeinerung der Kenntnisse, der Veredelung des Sinnes zieht sich des Menschen Neigung von der Befriedigung der Sinnlichkeit ab, sucht höhere Genüsse, der Wille erstarkt mit dem Geiste und die Enthaltsamkeit und freiwillige Selbstbeschränkung sind die Frucht der Hebung des inneren Volkslebens. Dies zeigte sich recht deutlich, als mit dem ungeheueren Handelsaufschwunge in England die Arbeitslöhne bedeutend stiegen. Der Engländer wandte die Ersparnisse der Behaglichkeit des Lebens und höheren Genüssen zu. Der Irländer nützte die Zeit und den damals vermehrten Kartoffelbau nur dazu, die Volksmenge zu vermehren. Freilich war der Engländer schon frei, der Ire noch Sclave einer unbarmherzigen Aristokratie und unduldsamen Kirche. Der Freie nur ist auf die Zukunft bedacht, der Sclave hält sich an die Genüsse des Augenblicks. In der Zeit des Mittelalters eines Volkes fällt die Armenpflege und der Unterricht meist den milden Stiftungen und der Kirche zu. In der Blüthezeit eines Volkes ist der Staat hinlänglich erstarkt, Beides aus der Hand der Kirche zu nehmen, die meist nur ihr dienende Zwecke verfolgt. Die gleichzeitige Blüthe der schönsten Bürgertugenden zeigt sich auch darin, daß jetzt der Einzelne am bereitesten ist, zur Abhülfe der Noth darbenber Mitmenschen und zur Förderung des Gemeinwohles Opfer an die Allgemeinheit zu bringen.

Die rohe Massenverschwendung, der kolossale Prunk weicht einem unendlich einfacheren Aufwande. Selbst an den Höfen wird das Leben weit einfacher und doch weit fürstlicher, als in früheren Zeiten. Das sittliche Leben gewinnt immer festeren Boden in der Allgemeinheit, und an die Stelle nutzloser Luxusverbote traten Vereine zu demselben Ziele. Die englische Regierung machte vor Jahrzehnten ungeheuere Anstrengungen gegen das Laster des Branntweintrinkens. Die Folgen waren einfach die, daß die Steuern und Zölle sich minderten und der Schmuggel aufwucherte, während das Uebel das alte blieb. Da traten später Mäßigkeitsvereine auf, die Trunksucht minderte sich bedeutend, mit ihr der Schmuggel, die Zolleinnahmen zeigten allerdings einen großen Ausfall, der jedoch schon im nächsten Jahre durch den Mehrertrag der Einfuhrabgabe auf Colonialwaaren bis zur Hälfte aufgehoben wurde. Der Consum hatte sich also vom Branntwein auf die Colonialwaaren übertragen. Es ist dies eine allgemeine, nicht unwichtige Erscheinung. Auch Liebig macht die Bemerkung, daß man die Cultur eines Volkes an dem Verbrauchsquantum der Colonialwaaren ersehen könne. Es mag deshalb hier eine Consumtionsübersicht aus einem früheren Jahre über Colonialwaarenverbrauch in Deutschland folgen.

Oestereich verbrauchte jährlich für 2,410,000 Thlr. Kaffee, nach Verhältniß seiner Einwohnerzahl per Kopf 2 Silbergroschen, ferner für 6,207,000 Thlr. Zucker. per Kopf für 5 1/6 Silbergroschen; endlich für 327,000 Thlr. Gewürze. per Kopf für 2 2/3 Silbergroschen.
Der Zollverein für 13,241,000 Thlr. Kaffee, per Kopf 141/9 Silbergroschen; für 12,173,000 Thlr. Zucker, per Kopf 131/2 Silbergroschen; für 1,051,000 Thlr. Gewürze, per Kopf 105/7 Silbergroschen.
Der Steuerverein für 2,000,000 Thlr. Kaffee, per Kopf 30 Silbergroschen; für 2,300,000 Thlr. Zucker, per Kopf 34½ Silbergroschen; für 2,600,000 Thlr. Gewürze, per Kopf 36 Silbergroschen.
Das Verhältniß dieser drei Staatsverbände ist also beim Kaffee wie 1 : 7 : 15, beim Zucker 3 : 8 : 20; beim Gewürz 2 : 8 : 27.

Ein edler Luxus unserer Zeit sind die Pferde. Ich spreche hier nicht von Luxuspferden im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern von Arbeitspferden. Fast der sämmtliche Ackerbau wird in Deutschland mit Ausnahme der sandigen Strecken des nordöstlichen Sachsens und Preußens mit Pferden betrieben, im Mittelalter dagegen fast durchgängig mit Ochsen. Nach altdeutscher Mythologie fuhren die Götter mit Stieren und noch die Merovingischen Könige bespannten ihre Staatscarossen mit solchen. Auf den Domänen Karls des Großen gab es sehr wenig Pferde. – Viele Küchengewächse und Früchte sind ebenfalls noch nicht allzulange verbreitet. Die Engländer haben erst nach dem Jahre 1660 Artischocken, Spargel, Bohnen und Salat kennen gelernt; die mittleren Classen in Frankreich erst seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts die feineren Obstsorten. – Ein schöner Luxus ist seit 1804 die Beleuchtung durch Gas. Der Luxus in Seidenroben hängt vom Wohlstande und der industriellen Stufe eines Landes ab. England verbraucht allein über halb so viel Seide, als das ganze übrige Europa, ein Engländer fünf bis sechs Mal mehr, als ein Franzose. Ein glänzendes Zeugniß der späteren römischen Kaiserzeit ist es, daß Seidenzeuge auch bei den unteren Ständen Bedürfniß waren, obwohl sie zu Lande aus China geholt werden mußten.

In dieser Periode, der Blüthezeit eines Volkes, sind die Güter noch gleicher vertheilt, der Luxus ist noch ein Gemeingut, ist für das äußere Volksleben eine reiche Quelle der Behaglichkeit, für das innere versittlichend und hebend, er wird der stärkste Hebel der Gewerbekünste und des Handels, Millionen danken ihm ihr ausreichendes Brod, Alle ihm die Verschönerung und tausendfache Freuden des Daseins und gerade die niederen Stände ihren verhältnißmäßigen Antheil an den Genüssen des Geistes auf dem Gebiete der Wissenschaften und Künste. Begrüßen wir ihn deshalb freudig!




Auf dem englischen Transportschiff.
Skizzirt von Capitain v. Tr.

In einer Zeit, wo abermals ein großer Theil der englischen Armee schwimmt, um auf einem überseeischen Kriegsschauplatze seine Thätigkeit zu entfalten, dürfte es nicht uninteressant sein, einen Blick auf das Leben am Bord eines Transportdampfers zu werfen, das wir aus eigner Anschauung kennen und zu skizziren versuchen wollen.

Es gilt immer als ein sicheres Zeichen, daß ein Regiment für den überseeischen Dienst bestimmt ist, wenn der Generaladjutant Ihrer Majestät, Generallieutenant Witherall, in der Garnison eines solchen anlangt und für den anderen Morgen eine Specialrevue anordnet, um sich von dem Zustande desselben auf das Genaueste zu überzeugen. Nicht nur, daß Unterofficiere und Soldaten äußerlich von ihm besichtigt werden, nein, auch jeder Tornister wird vor seinen Augen ausgepackt und Nichts entgeht seinem scharfen Blicke. Jeden Mann befragt er, ob er alle seine Gebührnisse richtig empfangen, ob er eine Bitte oder Beschwerde anzubringen habe, die sofort von einem ihm folgenden Adjutanten aufgezeichnet wird, um ihre Erledigung so rasch als mögllch zu finden. Ist diese Revue beendet, so visitirt er alle Vorräthe des Regiments und sieht die Bücher desselben durch. Dann erstattet er seinen Rapport an die Königin und die Horseguards (Kriegsministerium) und das Regiment kann sich versichert halten, daß wenige Tage darauf der Befehl kommt, sich als „für den auswärtigen Dienst commandirt“ (on abroad) zu betrachten. Nun entfaltet sich im Lager oder in der Caserne, wo es steht, eine Thätigkeit, eine Rührigkeit, nicht unähnlich der eines gestörten Ameisenhaufens, – Alles rennt durcheinander, um sich so gut als möglich zur bevorstehenden Reise auszurüsten, das Exerciren hört ganz auf, die Feldwebel schreiben sich fast die Finger krumm, denn ein Befehl jagt den anderen, die Kammerunterofficiere verpacken die Vorräthe, die ihnen anvertraut sind, die Capitains müssen ihren Namen drei Mal so oft unterzeichnen, als gewöhnlich. Da müssen Requisitionen angefertigt werden, über Tabak, den die Compagnie für die Reise fassen will, wie viel Marineseife sie bedarf, wie viel weißen Thee und Glanzwichse, wie viel Nähzeuge, Essgeschirre, Leinwandkittel etc. etc. Der Zahlmeister des Regimentes rechnet mit den Capitains ab und zahlt ihnen einen der Größe der Relse verhältnißmäßigen Vorschuß aus,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_460.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)