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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

hatten. Nach und nach aber zogen die Hausmeier immer mehr Macht an sich, und wurden erbliche Statthalter, an die sich Leute, Mannen und Gesellen anschlossen, zumal da die Könige Jagd und Weiber mehr liebten, als Geschäfte und Krieg.

Lothar I. setzte einen solchen Hausmeier über das östliche, einen andern über das westliche Reich und einen dritten über Burgund. Zur Zeit Lothar’s III. hatte der Hausmeier Eberwein schon mehr Gewalt, als vordem die Könige. Zweierlei war der Ausdehnung ihrer Macht besonders günstig. Einmal hatten diese Hausmeier die Obliegenheit, nach dem Tode des Königs die Wahl eines neuen zu veranstalten, und die ganze Völkerschaft mit ihren Meiern zusammenzurufen; zum andern hatten sie eine Art von Vormundschaft über die minderjährigen Könige zu führen, die ihnen Gelegenheit gab, sich in Kriegs- und Friedenszeiten beim Volke beliebt zu machen, Gunstbezeigungen willkürlich auszutheilen, Viele in ihr Gefolg und ihre Dienste zu ziehen, und durch diese Anhänger sich im Voraus der Uebermacht über den einst volljährigen König zu versichern. Der fränkische Hausmeier Pipin trieb es sogar so weit, daß er seinen König und Obermeier Hilderich III. in’s Kloster steckte, und sich unter dem Beistand des Papstes Zacharias selbst zum Könige ausrufen ließ. Dieser gekrönte Hausmeier war der Vater Karl’s des Großen, und da er so klug war, sich keinen neuen Hausmeier anzuschaffen, so nahmen diese im fränkischen Reiche ein Ende.

Die Benennung Maher, Mahr, Maier hat sich nach ihrem Hauptbegriffe bis in die Neuzeit erhalten! Der Kurfürst von der Pfalz hieß nach dem allemanischen Landrechte des heiligen Reichs oberster Richter und Hausmeier. Noch heute existirt die Würde des Lordmayor in London und die der maires in Frankreich. Der Schöppenmeister der ehemaligen Reichsstadt Aachen wurde Vogt und Meier genannt. In Hildesheim gab es sogar einen Großmeier. Im Osnabrück’schen hatten die Hausgenossen oder Hausbesitzer einen Redemeier, so viel als Vorsteher. Er saß auf dem Redemeiershofe, und dort versammelten sich an gewissen Tagen die Hausgenossen oder Redehöfer, um ihre Hofsprache, d. h. ihre innern Hofrechte verlesen zu hören.

Noch im vorigen Jahrhundert gab es in Thüringen, in Schwaben an der Weser Lindenmeier, das waren alte erfahrene Rechtsgelehrte, Richter und Schöppen, welche die deutschen Rechte und Rechtsgewohnheiten durch mündliche Ueberlieferung fortpflanzten. Sie hatten ihren Namen von den Lindenbäumen, unter denen ehedem oft die Gerichte abgehalten wurden. Hofmeier, Geiselmeier ist noch heute in Franken und Schwaben das, was im Sächsischen Vogt oder Schirrmeister ist. Die Meierhöfe und Meiergüter entstanden aus den Königshöfen und Hofmarken, die Aufseher wurden Meier genannt, sie mußten dem Mundschenken Rechnung ablegen. Man wählte dazu alte freie Bauern, die sich aber oft diesen Besitz zu Nutze machten, und nach und nach gegen gewisse Frohnen das Ganze an sich brachten.

Eine Menge deutscher Namen sind mit Meier zusammengesetzt, als Angelmeier, Brunnenmeier, Burmeier (Bauermeister), Halbmeier, der ein halbes Meiergut hatte, Kirchmeier (jetzt Superintendent), Kriegsmeier, Strohmeier, Teichmeier, Volkmeier, Weinmeier, Wedemeier (Wiesenaufseher), Waldmeier, Abmeier, Tultmeier, Grundmeier, Bärmeier, Meyerbeer, Hartmeier etc. Den Schluß bilden Buddelmeier, wahrscheinlich so viel als Bummelmeier, und Mausemeier.

So hat sich das Geschlecht der Meier, Meyer, Maier, Mayer, Mayr, Maher, Majer ungemein ausgebreitet, so daß nach Müller und Schulze Meier einer der beliebtesten deutschen Namen ist.


Friedrich Wilhelm III. von Preußen hielt ein Manöver. Friedrich Wilhelm III. sprach bekanntlich, wenn er lebhaft wurde, ziemlich rasch, kurz abgebrochen und undeutlich. Dabei hatte er, wie mild und wohlwollend er überhaupt war, es ungern, wenn er nicht sofort verstanden wurde, und eine Frage machte ihn noch lebhafter, so daß, wenn er seinen Satz wiederholen mußte, der sehr schwer zu verstehen war.

Am schlimmsten war das, wenn der König ein Feldmanöver commandirte und seine Befehle auf das Schnellste und auf das Pünktlichste vollzogen werden mußten. Seine Adjutanten freilich, die täglich um ihn waren, hatten seine Ausdrucksweise so studirt und sich bald so an sie gewöhnt, daß schon ein einzelner Ton, ein Wink des Königs ihnen verrieth, was er wollte.

Aber bei einem Manöver reichten die Adjutanten des Königs nicht aus, die verschiedenen Befehle an die einzelnen Commandeure nach allen Seiten zu überbringen und es wurden immer ein Anzahl anderer Officiere als Ordonnanzofficiere in die Umgebung des Königs commandirt. Und diese verstanden den König desto schlechter.

Bei einem Manöver hatte der König seine sämmtlichen Adjutanten mit Befehlen fortgeschickt. Nur noch ein Lieutenant, einer jener unglücklichen Ordonnanzofficiere hielt bei ihm. Der junge Mann war in Höllenangst. Seit einer Stunde hatte er alle jene Befehle gehört, von denen er kein Wort, keine Sylbe verstanden hatte. Die Adjutanten hatten sie verstanden, und doch hatte er bemerkt, wie der König schon ungeduldig geworden war, wenn einer von ihnen nur eine Secunde lang über den Sinn der königlichen Worte zweifelhaft nachgesonnen hatte.

„Wenn ich nur keinen Befehl bekomme!“ jammerte der Lieutenant für sich. Da bekam er schon einen.

„Lieutenant R.,“ rief der König plötzlich hastig, „reiten zum General Thile und sagen –“

Und nun verstand der Officier in seiner Angst nichts mehr, er hörte nur Töne, die ihm vorkamen wie Remteremteremteremtemtem. Einen Augenblick war der junge Mann wie von einem Schlage gerührt.

„Reiten!“ befahl der König dringender.

Da hatte er sich aber auch schnell gefaßt. Er setzte seinem Pferde beide Sporen ein und jagte im gestreckten Galopp, als wenn hinter ihm der Tod herjage, zu dem General Thile, der ungefähr eine Viertelstunde entfernt stand. Als der bei dem General ankam, rief er, so eilig, wie er herangesprengt war:

„Excellenz, Majestät lassen befehlen, remteremteremterem.“

„Herr,“ rief der General, „was lassen Se. Majestät befehlen?“

„Remteremteremteremterem.“

Und er gab seinem Pferde wieder die Sporen und jagte zum Könige zurück, als wenn er sich dort das Leben holen solle.

Man hat übrigens nicht gehört, daß das Manöver verunglückt wäre.


Titel und Titulaturen. Titel und Titulaturen gehören noch immer zu den nothwendigen Bestandtheilen des amtlichen und geselligen Lebens der Deutschen. Sie sind ein altes Erbübel und ein unbezweifelbarer Theil unserer Nationalität, obschon diese von uns selbst bezweifelt wird. Alle unsere Philosophen, Satiriker, Lustspieldichter und Publicisten haben nichts dagegen vermocht. Lauremberg’s Spottgedichte (1654) wurden ein halbes Jahrhundert in allen Ständen mit vielem Beifall gelesen und endlich wieder vergessen, aber die Titel überlebten jeden Angriff und leben heute noch in Glanz und Glorie. Der unsterbliche Kant wußte deshalb in seiner Anthropologie vom Jahre 1798, als der den Deutschen charakterisirte, fast weiter keine unvortheilhafte Seite an ihm aufzufinden, als eben sein Titelwesen:

„Eine gewisse Methodensucht, sich mit den übrigen Staatsbürgern nicht etwa nach einem Princip der Annäherung zur Gleichheit, sondern nach Stufen des Vorzugs und einer Rangordnung peinlich classificiren zu lassen und in diesem Schema des Ranges, in Erfindung der Titel (von Edlen und Hochedlen, Wohl- und Hochwohl-, auch Hochgeborenen) unerschöpflich und so aus bloßer Pedanterie knechtisch zu sein, welches Alles freilich wohl der Form der Reichsverfassung Deutschlands zugerechnet werden mag; dabei sich aber die Bemerkung nicht bergen läßt, daß doch das Entstehen dieser pedantischen Form selber aus dem Geiste der Nation und dem natürlichen Hange des Deutschen hervorgehe: zwischen dem, der herrschen, bis zu dem, der gehorchen soll, eine Leiter anzulegen, woran jede Sprosse mit dem Grade des Ansehens bezeichnet wird, der ihr gebührt, und der, welcher kein Gewerbe, dabei aber auch keinen Titel hat, wie es heißt, Nichts ist.[1]

Es sind seitdem schon sechzig Jahre vergangen und Kant’s Worte passen noch heute wie damals. Ob das gewaltige Vorwärts der Zeit uns auch in dieser Beziehung vernünftig oder doch wenigstens mäßig machen wird, wer möchte das zu behaupten wagen, seit noch in neuester Zeit Fürsten über Hoheit und königliche Hoheit diplomatisch verhandelt, und deutsche Geistliche sich über Hochwürden und Hochehrwürden ernstlich gezankt haben. Zuweilen taucht aber doch auch in diesen Dingen eine Hoffnung auf. Vor Jahr und Tag befahl ein preußischer Justizminister, daß sich die Justizbehörden unter einander der Prädicate in ihren Zuschriften enthalten sollten, und eine neue Verordnung des Generalpostmeisters Herrn v. Schaper verbietet den Postbehörden das Hochlöblich und Wohllöblich. Wie weit die Lächerlichkeit gehen kann, habe ich noch neulich gesehen. Auf einem Brief in Angelegenheiten einer milden Stiftung, die sich der Portofreiheit erfreut, stand: „Vom hochlöblich königl. preuß. Porto befreit.“

Im Privatverkehre dauert die alte Ueberlieferung ebenfalls ziemlich hartnäckig fort. Nur der Kaufmannsstand, bei dem Zeit Geld ist, hat zur Zeitersparung die lästigen Titulaturen unter sich aufgegeben und schreibt auch da, wo der Vorstand eines Handelshauses preuß. Geheimer Commerzienrath, dänischer Justizrath oder köthenscher Consul ist, weder Wohlgeboren noch etwas der Art. In geselligem Verkehre ist es gewagt, das Prädicat wegzulassen; man muß seine Leute genau kennen. Oft schon hat ein vergessenes Hochwohlgeboren oder auch nur Wohlgeboren eine grobe Erwiderung oder gar einen Injurienproceß zur Folge gehabt. Der Vorschlag, daß diejenigen Deutschen, die auf das briefliche Wohl- und Hochwohlgeboren verzichten, eine Art Enthaltsamkeitsverein bilden und dann auf ihren Briefen mit einem † andeuten möchten, daß sie solchem Vereine angehörten, hat wenig Anklang gefunden; es ist damit gegangen, wie mit den lieben Vorschlägen gegen das lästige Hutabnehmen. Leichter aber würde man schon auf Titulaturen verzichten, als auf Titel im geselligen Verkehr. Besonders würden die Frauen sich sehr zurückgesetzt fühlen, wenn sie nicht bei jeder Gelegenheit mehr Frau Geheimeräthin, Frau Hofräthin, Frau Oberbürgermeisterin zu hören bekämen, und wenn auch Manches so lächerlich klingt, wie das hannöversche Frau reitende Försterin. In Hamburg wird wohl ein betitelter Fremder schlechtweg mit Herr vorgestellt und angeredet, bei den einheimischen Würdenträgern wagt man aber doch nicht den Senator wegzulassen und man gibt jedem Kaufmanne den Titel, der ihm für irgend eine kaufmännische Dienstleistung von irgend einem deutschen oder ausländischen Hofe verehrt ward.

Nicht allein die Betitelten fühlen sich geehrt, nach ihren Titeln benannt zu werden, sondern auch die Anderen, mit Betitelten verkehren zu können. Nur der Adel geht hier mit nachahmungswürdigem Beispiele voran: er hat es lieber, wenn er statt mit seinen Würden und Aemtern, selbst im Militair, schlechtweg in einer Gesellschaft vorgestellt und genannt wird: Herrn von – . Er hat sich doch etwas gemerkt aus der Weltgeschichte, und erinnert sich der Anekdote vom Marquis de Saint-Sauveur und daß der Nachtwächter zu Straßburg einst ausrief zur Zeit, als Nichts mehr Monsieur, sondern Alles Citoyen war: „Und lobet Gott den Bürger!“

H. v. F. 


Die Zusammenkunft deutscher Volkswirthe in Gotha.

Die obige in Nr. 33 dieser Blätter besprochene Zusammenkunft findet nicht den 6. bis 9., sondern erst den 20. bis 24. September d. J. in Gotha Statt, und wird die definitive Einladung dazu noch besonders bekannt gemacht werden. Die Redaktion i. A.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Kant’s Werke, Ausgabe von Hartenstein, 10. Band S. 358.
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