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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

geworden, und die Ausgleichung der Stände fängt unabweislich an. Als Ludwig XIV. im Jahre 1644 die Einfuhr von Luxusgegenständen und namentlich den Aufwand von Goldstoffen beschränkte, erklärte er das Verschwinden des Goldes und Silbers als zwingenden Beweggrund, da allein zu Lyon wöchentlich 100,000 Livres edles Metall verarbeitet würden. Man verbot im Jahre 1656 die Castorhüte und für künftig jeden Hut über 50 Livres, motivirte die Maßregel aber nicht als gegen den Bürgerstand nothwendig, sondern als zum Schutz des Adels gegen dessen Verarmung genommen.

Während der Staat bei dem früheren Systeme sich gescheut hatte, die bei Uebertretungen verhängten Strafen ihrer Gehässigkeit wegen zu eigenem Nutzen zu verwenden, deshalb sie meist dem Patron, der Geistlichkeit oder milden Stiftungen zuwies, erkannte er den Luxus jetzt als eine seiner ergibigsten Finanzquellen. Er ließ ihn gewähren, erhob aber eine hohe Steuer, und stand sich dabei sehr wohl. Nur wo ein sittliches Motiv unterliegt, treten noch Verbote auf.

Eine eigenthümliche Geschichte hat der Branntwein, Tabak und Kaffee gehabt.

Der Branntwein war ursprünglich Arznei, und in Hessen durften ihn nach einem Gesetz vom Jahre 1530 nur Apotheker verkaufen. Seit dem dreißigjährigen Kriege aber wurde er ganz allgemein.

Den Tabak lernte man im Jahre 1496 in St. Domingo als Arzneipflanze kennen, und fing seit etwa 1550 an, ihn in Europa zu bauen. Sehr bald aber ging er in die allgemeine Consumtion über, und heut ist er ein so unabweisliches Bedürfniß, daß in Oesterreich die Einnahme aus dem Tabaksmonopol allein so viel betrug, als die Summe sämmtlicher übriger Zolleinnahmen. Jakob I. in England schuf eine hohe Steuer gegen den Tabak, weil die niedern Stände nach dem Beispiel der höheren Gesundheit, Luft und Boden damit verdürben. – Hier kommen sogar Enterbungen wegen des Rauchens vor. – Eine Sultans-Verordnung von 1610 gebot, daß jeder Raucher über die Straße geführt und ihm seine Pfeife quer durch die Nase gestoßen werde. Michael Romanoff setzte im Jahre 1634 der Feuergefährlichkeit halber Todesstrafe auf das Rauchen, was später in Abschneiden der Nase gemildert wurde. Papst Urban VIII. drohte im Jahre 1624 denen, welche Tabak mit in die Kirche nähmen, mit Excommunication und Innocenz XII. 1690 denen, die in der Kirche schnupften, mit dem Bann.

Im Jahre 1652 entstand das erste Kaffeehaus in England, im Jahre 1671 das erste in Frankreich. Karl II. suchte sie 1675 unter politischem Vorwande zu unterdrücken. Vom Sultan Murad IV. wurde der Kaffee 1633 bei Todesstrafe, in Hessen-Darmstadt im Jahre 1766 allen Landbewohnern bei 10 Thlr., in Hildesheim im Jahre 1768 allen Bürgers- und Bauersleuten bei 6 Gulden Strafe untersagt.

Was aber haben die Luxusgesetze nun für einen Erfolg gehabt? Sie haben, anstatt zu nützen, meist nur zu Defraude angereizt, so verschieden und complicirt auch die Controlmaßregeln und sonstigen Vorschriften waren. Selbst die Continentalsperre, jene gewaltsame Anstrengung gegen England, war fruchtlos. Franzosen trugen in echtfranzösischer Eitelkeit damals schon deshalb englische Waaren, um zu zeigen, daß sie die hohen Schmuggelpreise bezahlen könnten.

Der Staat läßt heut den Luxus frei gewähren, in dessen richtiger Würdigung als einträglicher Finanzquelle, als Hebels der Industrie und des Handels, als eines Segens der höheren Cultur und der Volkswohlhabenheit, der das Leben Aller, auch der arbeitenden Classen verschönt und hebt. Ein in der Blüthe stehendes Volk bedarf keiner verbietenden Gesetze, es weiß sich selbst zu beschränken, ein sinkendes vermögen auch die strengsten Verbote vor dem Falle nicht zu retten!


1. Querquereille-Fort zur Deckung der Einfahrt. – 2. Fort auf dem Cavaignac-Felsen. – 3. 4. u. 5. Drei zusammenhängende kleine Forts. – 6. Plee-Insel mit Fort. – 7.–11. Forts zur Beschützung des Hafens. – 12. u. 13. 17. 18. 19. 22. 23. Redouten. – 14. 15. 16. 20. 21. Forts zur Deckung der Landseite.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_529.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)