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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

des Mineralwassers daselbst würde sicherlich sehr bald zum Schrecken der Badeärzte ganz aufhören und einem zweckmäßigen diätetischen Verhalten weichen müssen, was allerdings in Badeorten am besten und bequemsten durchgeführt werden kann.

Unter Hausheilmitteln wollen wir nun aber nicht etwa irgend welche von einem Schäfer oder Hufschmiede empfohlenen oder in der Großmutter Handkörbchen aufgelesenen oder von Charlatanen und Betrügern für hohen Preis verkauften Geheimmittel, Kräuter, Thees, Säfte, Elixire, Balsame, Pflaster, elektrische und magnetische Ketten und Ringe, Amulette, Versprechungen und dergleichen Hokuspokus verstanden wissen, sondern solche in den Apotheken nicht vorhandenen, bei Krankheiten trotzdem aber dienlichen Stoffe und Verfahrungsweisen, welche auch ohne Zuziehung eines Arztes von Laien bei diesem oder jenem Leiden in Gebrauch genommen werden können. Solche Hausmittel sind dem Verf.: Wasser in kalter und warmer Form, äußerlich und innerlich angewendet, Ueberschläge, Fett, Warme, Reibungen und Druck, bestimmte Bewegungen u. s. w. Von allen diesen Hausmitteln. deren heilsame Wirkung in gewissen Fällen wir hier nach und nach besprechen wollen, gebührt aber ohne Zweifel das meiste Lob und deshalb die erste Erwähnung dem

frisch ausgelassenen Rinds- und Hammeltalge,

einem Fette, welches seines Gehaltes an festerm Fettstoffe wegen zur Talglichtfabrikation verwendet wird und deshalb sehr leicht vom Seifensieder frischausgelassen zu erhalten ist. Es schafft, wie wir sehen werden, durch seine äußere Anwendung (als Bestreichung, Einreibung) den offenbarsten Nutzen bei sehr vielen und den mannichfaltigsten Hautaffectionen in den verschiedenen Lebensaltern und Verf. zieht es allen fettigen Heilmitteln der Apotheken vor. Besser als alle übrigen Fette und Oele bildet nämlich dieser frische Talg eine schützende, die Einwirkung äußerer Reize hindernde Decke für die Haut und ist deshalb bei Entzündungen, Ausschlägen (besonders mit scharfer Absonderung), Wundsein, Verbrennungen und Erfrierungen der Haut, sowie deshalb, weil er die Haut weich und geschmeidig macht, bei großer Trockenheit und Sprödigkeit mit Aufgesprungensein derselben von ausgezeichnetem Vortheile. Auch bei hohen Fiebergraden mit trockner, heißer Haut, zumal beim Scharlach und zwar mit Krampferscheinungen, schafft die Einreibung der Haut mit Talg als kühlende und die gereizten Hautnerven besänftigende Decke nicht unbedeutende Linderung. Nicht unmöglich ist es ferner, daß Talgeinreibungen solcher Theile, die mit Ansteckungsstoffen in Berührung kommen, diese vor Ansteckung schützen können. Kurz, dieser Talg kann so oft als Heilmittel in Anwendung gezogen werden, daß ihn Verf. weder im Hause noch auf der Reise missen mag. Es gibt aber auch keinen Theil am menschlichen Körper, dem er nicht zu Zeiten wohlzuthun vermöchte.

Schon in der ersten Lebenszeit und im Säuglingsalter des Menschen findet der Talg Gelegenheit, zu nützen, und zwar zunächst beim Wundsein der Haut an faltigen und vertieften Stellen, zumal wenn diese leicht verunreinigt werden können, wie an den Oberschenkeln und am After, sodann an der Achselhöhle, dem Halse. Oberarme und hinter den Ohren. Dem Wundwerden geht immer Röthung der später wunden Hautstelle voraus und es kann jenem schon dadurch vorgebeugt werden, daß man die geröthete Stelle öfters mit kaltem Wasser sanft abtupft, dann mit frischem Talge bestreicht und auch noch ein mit Talg bestrichenes Leinwandläppchen einlegt. Beim wirklichen Wundsein ist auf ähnliche Weise zu verfahren, nur reinige man dann die wunden Stellen öfters durch Betupfen mit lauem Wasser. – Beim Wundsein des Nabels schlage man dasselbe Verfahren ein, aber achte noch mehr auf öftere Reinigung dieser Stelle, da bei Verschwärung derselben und bei Aufnahme von Jauche in den Blutstrom (durch die Nabelblutader) nicht selten der Tod in Folge von Eitervergiftung des Blutes mit Gelbsucht eintritt. – Auch die Ernährerin des Säuglings wird Hülfe beim Talge finden können und zwar beim Wundwerden der säugenden Brust, wo neben öfterer Reinigung durch Betupfen mit kaltem Wasser das Bestreichen mit frischem Talge ebensowohl das Wundwerden verhüten, wie auch das Wundsein heilen kann,

Die Hautausschläge, welche den Säugling nicht selten heimsuchen, weichen bei Anwendung des frischen Talges ebenfalls und zwar in ziemlich kurzer Zeit. Hierher gehört: der flechtenartige Zahnausschlag oder Zahnfriesel auf den Backen zahnender Kinder, der aus kleinen sogen. Schälknötchen besteht, die einzeln oder in Gruppen beisammen auf rother, heißer (entzündeter) Haut sitzen und sich bisweilen in Folge des Kratzens und Reibens in kleine, eine klare oder trübe Flüssigkeit enthaltende Bläschen und Pusteln umwandeln, welche durch ihr Zerplatzen und Eintrocknen zur Bildung von Grinden Veranlassung geben. – Ebenso ist die Milchborke, der Gesichtsansprung der Kinder, der Milchschorf oder Freisam, ein Säuglings-Ausschlag, wo der Talg hilft. Dieser Ausschlag nimmt seinen Sitz auf den Wangen und der Stirn des Kindes und besteht darin, daß sich aus einem entzündeten (rothen, heißen) Boden einzelne oder beisammenstehende, später zusammenfließende Honigpusteln entwickeln, welche zerplatzen und eine dickliche, gelbliche, klebrige Flüssigkeit ergießen, die eingetrocknet dann grünliche Grinde bildet; diese ähneln der am Feuer vertrockneten Milch, woher sich auch der Name der Krankheit schreibt. Diese Grinde oder Borken hinterlassen bei ihrem Abfallen eine rothe dünnhäutige oder nässende Hautstelle, welche unter Abschilferung der Oberhaut heilt. Sie werden aber nicht selten bald durch Ausbruch und Berstung neuer Pusteln ersetzt und dann greift der Ausschlag nicht selten viel weiter als früher um sich. – Beim Säugling, doch auch bei größern Kindern kommt sodann noch ein Gesichtsausschlag vor, welcher bösartiger als die eben erwähnten Ausschläge ist, aber auch durch Talg gehoben werden kann. Es ist dies der sogen. Flechtengrind oder räudige Ansprung des Gesichts. Er nimmt gewöhnlich in der Ohrgegend seinen Anfang, dehnt sich über das ganze Gesicht und zum Theil auch auf die behaarte Haut des Kopfes aus, und gibt sich durch kleine zusammengedrängte Bläschen zu erkennen, die sich auf rothem Boden entwickeln, heftig jucken, deshalb Kratzen veranlassen und eine sehr scharfe Feuchtigkeit ergießen, die zu dünnen, dunklen, schuppigen, rissigen Borken eintrocknet, unter denen die Haut sogar von Verschwärung befallen werden kann. Nicht selten entzünden sich hierbei zugleich die Augenlider und die Drüsen am Halse schwellen an.

Sowie das Gesicht, wird bei Kindern auch die behaarte Haut des Kopfes gar nicht selten von Ausschlägen befallen, bei denen der Talg gute Dienste thut. Man begreift diese Ausschläge gewöhnlich unter dem Namen „Kopfgrinde (Tineen)“ und unterscheidet die wahren von den unechten. Die ersteren, zu denen der Wabenkopfgrind (Favus) und der Rasir- oder kahlmachende Kopfgrind gehören, haben ihren Grund in Entwickelung von Pilzmasse in den Haaren und Haarsäckchen und sind deshalb ansteckend, die letzteren, bei denen der Talg empfohlen werden kann, entsprechen so ziemlich den Gesichtsausschlägen und bestehen in Entwickelung von Bläschen, Pusteln, Schuppen und Schorfen, meist auf gerötheter Kopfhaut.

Bei allen diesen Kopf- und Gesichtsausschlägen läßt sich mit Hülfe des frischen Talges, natürlich neben größter Reinhaltung der Haut durch Betupfen derselben mit lauem Wasser (nicht durch Waschen und Reiben mit kaltem oder heißem Wasser), die Dauer dieser Hautaffection sehr abkürzen und das damit verbundene Brennen, Jucken und Kratzen mildern oder heben. Ja, wenn sogleich beim Trocken-, Spröde- und Rothwerden der Haut frischer Talg öfters und fett auf die verdächtige Stelle gestrichen wird, so kann man sogar den Ausbruch des Ausschlages verhindern oder doch in seiner Ausbreigung mäßigen. Ist nun aber der Ausschlag mit seinen Schuppen, Schorfen oder Grinden vorhanden, dann verfahre man auf folgende Weise: man weiche jene auf der Haut aufsitzenden Borken mittels warmen Wassers oder Dampfes auf und hebe sie sanft ab, betupfe dann die von ihren Auflagerungen befreite rothe, meist nässende Haut mit lauem Wasser und bestreiche sie hierauf mit frischem Talge, Freilich muß dies einige Male des Tages oder doch so oft gemacht werden, als sich Borken gebildet haben, weil unter diesen die Haut nicht gut heilen kann. Da nun dieses Verfahren viele Mühe macht und deshalb von Müttern oder Wärterinnen nicht gern und ordentlich vorgenommen wird, so ziehen sich jene Ausschläge in der Regel sehr in die Länge und der Arzt wird von jenen gern gesehen, der diese örtlichen Leiden ganz mit Unrecht als innere Uebel mit Leberthran, Abführmitteln u. dgl. behandelt. Allerdings ist es bequemer, dem Kinde von Zeit zu Zeit Medicin einzugeben, als ruhig, geduldig und mit Vorsicht die Ausschlagsstellen zu reinigen, aber vortheilhafter ist es wahrlich nicht.

Dies wären denn bis jetzt einige wenige Uebel und zwar nur der frühesten Kindheit, bei welchen der frische Talg als ein vorzügliches Heilmittel gerühmt zu werden verdient; nächstens von noch vielen andern.

Bock.




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