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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

zu geben. Da, gleich zu Anfange Februars, wenn noch der Winter, der alte mürrische Gesell, seine Herrschaft fest- und die Blumenpoesie unter der starren Decke niederhält, erscheint der immerfrohe, liederreiche Stahr im Garten, fliegt, wie sich’s gebührt, auf des Thurmes höchste Spitze, dort ein Danklied zu singen, und kommt dann zum bewährten Gastfreunde, und bittet und schmeichelt mit lustigen Liedern, welche der Schelm der Golddrossel und der Zippe abgelauscht hat, und komischem Pfeifen, wie er es vom Hirten hörte, oder Krächzen, wie der Heher es ihn lehrte, ihm doch wieder Quartier zu geben für den Sommer. Er scheint seinen Freund förmlich auffordern zu wollen, dem Hause, welches dessen Güte ihm bescheerte, eine Besichtigung angedeihen zu lassen: die es zusammenhaltenden Nägel könnten verrostet sein! – Wenn die Sonne ein wenig wärmer strahlt, kommen Bachstelze und Rothschwänzchen in das Gehöft und den Garten; draußen auf dem Felde und auf den Haideplätzen im Walde die Haidelerchen, „des Aethers Nachtigallen.“ Wenn wir nun auch die Lerchen nicht gerade unsere Gäste nennen können, die ersteren müssen wir zu ihnen zählen. Beide haben so ihre Weise, sich bei uns beliebt zu machen. Bachstelzchen tanzt ihren anmuthigen Reigen auf dem Hausdache vor; Rothschwänzchen grüßt seinen Gastfreund, so oft es ihn erblickt, mit artigen Verbeugungen ohn’ Ende: – ’s sieht allerliebst komisch aus, wenn es sein Körperchen so tief vor ihm neigt; ich glaube, jede Verbeugung ist eine Bitte an ihn, ihm seine Freundschaft zu schenken.

Immer neue Gäste kommen gezogen. Die noch blätterlosen Bäume leuchten im Blüthenschmuck, und schütteln dann ein ganzes Blüthenheer auf den schneefreien Boden herab. Das ist die Einladung für die im fernen Süden Verweilenden, doch ja recht bald in die Heimath zurückzukehren. Laubsänger und Fliegenfänger, Fink und Grünling beziehen den Garten; sie haben auch Viel in ihm zu thun! Denn mit der Meise, dem Baumläufer und allen andern müssen sie jetzt die Blüthen schützen und schirmen vor den sie sonst sicher vernichtenden Insecten. Deshalb sind sie so geschäftig auf Bäumen und Sträuchern und gucken in alle Blüthen scharf hinein. – Von nun an bringt jeder neue Tag neue Gäste. Zum Rothkehlchen, welches schon seit ein paar Wochen in der Hecke wohnte, gesellen sich die singfertigen Grasmücken, die behende Braunelle, der Gartensänger, der komische Wendehals und wie sie sonst alle heißen mögen – und unter ihrem Jubeln und Singen wirken sie alle zu unserem Nutzen, nicht blos zu unserer Freude.

Denn alle Vögel, welche das Haus, das Gehöft, den Garten des Menschen bewohnen, sind nützlich, außerordentlich nützlich, nicht einer von ihnen ist schädlich. Von den 530–560 Arten der europäischen Vögel, ist noch nicht der sechste Theil schädlich! Viele von denen, welche schädlich genannt werden, wiegen den wirklich verursachten Schaden reichlich durch ihren Nutzen auf, welcher aber gewöhnlich nicht erkannt wird. Ich will deshalb zunächst alle wirklich schädlichen und alle nützlichen Vögel unseres Vaterlandes aufführen und den Schaden, der uns von ihnen verursacht wird, mit dem Nutzen vergleichen, den sie uns bringen.

Die wirklich schädlichen Vögel unseres Vaterlandes, deren Verfolgung und bezüglich Vernichtung nothwendig ist, sind folgende:

1. Der Geieradler (Lämmergeier, Bartgeier). Er bewohnt höchst einzeln die Hochalpen und ist dort von Jedermann hinlänglich gekannt. Ich führe ihn nur der Vollständigkeit halber hier auf.

2. Der Seeadler, weil er vom Meeresstrande, seiner eigentlichen Heimath, aus Raubzüge und Wanderungen durch’s feste Land unternimmt und dabei den Fischereien in Flüssen, Teichen und Seen arg zusetzt, auch Hasen und junge Rehe, Lämmer und Zicklein gelegentlich mitnimmt.

3. Alle Edeladler ohne Ausnahme; namentlich der Steinadler, der Königsadler, der Goldadler, die verschiedenen Schreiadler und die Zwergadler. Sie sind kühne Feinde der jagdbaren Thiere und zahmen Heerden, denn sie fangen junges Edelwild, Hasen, Kaninchen, Auer- und Birkwild, Rebhühner, Stein- und Schneehühner, Hausthiere: namentlich junge Ziegen, Schafe, Hunde, Katzen, Trut- und Haushühner, Pfauen, Fasanen, Gänse, Enten, selbst die flüchtigen Tauben (nach eigenen Erfahrungen thut es der Zwergadler). Die großen Arten von ihnen, also Stein-, Gold- und Schreiadler, sind es, welche, wie erwiesen ist, schon mehr als einmal kleine Kinder geraubt haben. Alle Adler bringen dem Menschen gar keinen Nutzen.

4. Der Fischadler. Er ist der größte und furchtbarste Feind aller Fischereien und wird sehr schädlich.

5. Der Milane (Milvus regalis, ater und parasiticus). Erstere rauben Jagd- und Hausgeflügel und junges Niederwild, fischen auch fleißig; letzterer zwingt die Edelfalken, mehr zu fangen, als sie zu ihrer Nahrung brauchen würden, weil er ihnen den schon erhobenen Raub wieder abjagt.

6. Alle Weihen, namentlich der Rohr-, Korn, Wiesen- und Steppenweih. Sie nehmen zwar viele Mäuse von der Erde weg, vernichten aber dabei weit mehr kleine, nützliche Vögel.

7. Alle Edelfalken; namentlich die Jagdedelfalken – welche freilich mehr dem Norden und Nordosten, als unserem Vaterlande angehören – der Wanderfalk und seine Verwandten im Süden Europa’s, der Baumfalk und seine südlichen Verwandten und der Zwergfalk. Sie rauben blos lebende Thiere und namentlich Vögel; denn blos zufällig nehmen sie ein Säugethier weg.

8. Habicht und Sperber. Beide sind heimtückische, abscheuliche Räuber der nützlichen Vögel und weiden außerordentlich schädlich. Die Habichte tragen oft genug selbst Haushühner weg. Beide fangen ebensowohl im Fluge, als im Sitzen, sind gefräßig und ziehen eine zahlreiche Brut heran. Eine unnachsichtliche Verfolgung Beider belohnt sich reichlich.

9. Der Uhu. Er raubt selbst Hasen und verfolgt alle Hühner eifrig. Krähen und Kaninchen sind vielleicht seine Hauptnahrung. Zwar fängt er auch Mäuse; allein der Schaden, den er bringt, überwiegt diesen geringen Nutzen bedeutend.

Außer dem Uhu ist keine andere deutsche Eule schädlich.

10. Der Kolkrabe. Er ist vielleicht durch Vertilgung vieler Mäuse eben so nützlich, als er durch Rauben von jagdbarem Wild und jungem Hausgeflügel schädlich wird.

Zuweilen wird auch die Rabenkrähe schädlich. Einzelne Individuen plündern nämlich gern die Nester kleiner Singvögel aus, nehmen wohl auch ein junges Rebhühnchen, Fasanchen, Haushühnchen auf, fressen die Eier von Auer- und Birkwild, wenn die Mutter auf Augenblicke das Nest verläßt, und richten anderen Unfug an. Da jedoch im Uebrigen die ganze Gesellschaft entschieden nützlich ist, wäre es Unrecht, den Unschuldigen das entgelten zu lassen, was Einzelne verbrechen.

Aehnlich verhält es sich auch mit der Elster und dem Heher; jedoch möchte es schwer sein, so Vieles und Gewichtiges zu ihren Gunsten, wenigstens zu denen der Elster, zu sagen, als bei der Rabenkrähe. Ich zähle die Elster ganz entschieden zu den schlimmsten Feinden des Kleingeflügels und dulde sie nicht in meinem Gehege.

11. Der Raubwürger. Von ihm hat mein Vater beobachtet, daß er sogar eine Amsel abgewürgt hat; sein Name ist also bezeichnend genug. Unter dem Kleingeflügel und seiner Brut richtet er oft bedeutenden Schaden an. Auch der ganz unschuldig aussehende Dorndreher oder Neuntödter ist von dem Verdachte, Vogelnester auszunehmen, nicht ganz freizusprechen.

12. Der große Trappe. Der Nutzen, welchen dieser Vogel durch sein ziemlich wohlschmeckendes Fleisch gewährt, wird aufgewogen und gewiß überwogen durch den Schaden, den er, zumal im Winter, den Saaten zufügt; namentlich auf Rapsfeldern richtet eine Trappengesellschaft im Winter große Verwüstungen an.

13. Die Kraniche. Sie fressen zur Saatzeit und auch zur Zeit der Reife des Getreides nur dieses und brauchen ziemlich viel zu ihrer Nahrung.

14. Alle Fischreiher; namentlich der graue und Purpurreiher, die Rohrdommel und der Nachtreiher. Sie nähren sich von Fischen und nehmen blos gelegentlich einen Frosch oder eine Maus zu sich (Rohrdommel), Auch die Silberreiher sind eben so schädlich, als die bunten Reiher; ich brauche sie jedoch nicht namentlich aufzuführen, weil sie dem Südosten angehören und dort an großen und so fischreichen Morästen und Brüchen leben, daß ihre Nahrung die Wirthschaft des Menschen nicht beeinträchtigt.

15. Alle Säger und Seetaucher, namentlich der Gänse-, langschnäbelige und gehäubte Säger, der Eis-, Polar- und rothkehlige Taucher, sowie auch der Haubensteißfuß. Sie sind sämmtlich Fischfresser und sehr geschickte Jäger, welche den Menschen dadurch beeinträchtigen, daß sie auf süße Gewässer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 616. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_616.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)