Seite:Die Gartenlaube (1858) 643.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Zeidlern, frühzeitig Land- und Gartenbauer, aus den deutschen Bewohnern Bambergs Häker, d. i. Wein- und Hopfenbauern, machen, die ihre Erzeugnisse meist an die reisenden Handelsleute absetzten. Die einzelnen Theile Teuerstadts, später Steinweg genannt, wurden dann durch einen Zunftverband zur Gärtnerei vereint, welche durch Siechenhäuser, Hospitale und Hospize für Pilger und durch das Collegiatstift St. Gangolph (1063) Ansehen und durch bischöflichen Schutz Sicherheit gewann. Beide Städte wuchsen im Laufe der Jahrhunderte über die Insel in der Mitte zwischen den zwei Flußarmen (St. Martin) zusammen. Aber noch heute erkennt man die Verschiedenheit der Bewohner beider Städte in Körperbildung, Sitte und Dialekt. Daß die Bewohner Teuerstadts, des spätern Steinwegs, der heutigen Maxmiliansstraße und der Gärtnerei Slaven waren, beweist der Umstand, daß die deutschen Bewohner der westlichen Stadt sie nur an bestimmten Tagen durch die Thore eintreten ließen, die ihnen außer der bestimmten Zeit verschlossen blieben. Gegen Menschen ihres Stammes hätten Franken keine solche Maßregel genommen. In den Geschichtsbüchern Bambergs hat sich wenig über die Gärtner erhalten. Nur so viel weiß man aus den Aufzeichnungen, daß Bamberg schon in sehr früher Zeit wegen seiner Gärtnerei berühmt war. Die lateinischen Lobgedichte auf Bamberg aus dem funfzehnten und sechzehnten Jahrhundert gedenken ihrer immer mit besonderer Auszeichnung; eben so die späteren Beschreibungen. Traditionell weiß man, daß die Gärtner immer ein wildes, stets schlagfertiges Völkchen waren, vor dem die Bamberger Respect gehabt zu haben scheinen.

Der Samenhandel war schon im siebzehnten Jahrhundert hier sehr bedeutend und konnte selbst im dreißigjährigen Kriege nicht gestört werden. Weinbau wurde hier schon im elften Jahrhundert betrieben, war im funfzehnten in hoher Blüthe, ging aber im siebzehnten fast ein. Hopfen wurde schon im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts häufig gebaut weniger; einträglich, als andere Producte, ging er gegen Ende des Jahrhunderts meist ein. Doch ist er jetzt wieder in Flor. Wein und Hopfen wird von den Häkern (über 200 Meister) in der westlichen Stadt gebaut, die sich von den Gärtnern in der östlichen Stadt wesentlich unterscheiden.

Das Areal der Gärtnerei ist nicht größer, als etwa eine halbe Quadratmeile, alle Felder und Wiesen, selbst die der Städter mitgerechnet. Da sich davon gegen siebenhundert Gärtnermeister nähren müssen, so kann der Besitzstand des Einzelnen begreiflicher Weise kein bedeutender sein. Ja, was noch auffallender ist, der Boden ist an und für sich nicht einmal ein fruchtbarer; er hat durch tausendjährige Arbeit und den Dünger der Stadt erst zu so hoher Ertragsfähigkeit umgeschaffen werden müssen. Wenn irgendwo, so hat man hier eine Stätte vor sich, die uns Achtung vor dem deutschen Fleiße abnöthigt. Der südliche Theil dieses Garten- und Ackergeländes besteht nämlich fast nur aus Quarzsand, der nördliche bessere ist aus Keupersand und Moorboden gemischt, Kiesgerölle und loser rother Kalkmergel, von den Gärtnern Zinter genannt und sehr gefürchtet, bilden in der Regel den Untergrund. Im reinen Sandland werden die Cerealien, selbst Weizen, gebaut; das sandige Moorland ist der Mutterboden der Gemüse. Das Letztere ist das eigentliche bewundernswerthe Schöpfungsfeld der Bamberger höheren künstlichen Bodencultur, obgleich es, selbst in seiner besten Beschaffenheit, nur ungefähr den vierten Theil der Gesammtarea ausmacht. Dem Fleiße und der unablässigen Düngung sind die Bodengestaltung der Gegend und das gesunde, laue, selbst den Weinbau fördernde Klima begünstigend entgegen gekommen. Bei der allzugroßen Parcellirung des an und für sich nicht bedeutenden Areals kann selbst der fleißigste Gärtner durch den Betrieb des Gartenbaues allein nicht reich werden. Die Wenigen reichen Gärtner sind auf andere Weise zu Vermögen gekommen. Diese besitzen freilich zwanzig bis vierzig Tagewerke Felder und Wiesen und treiben für die hiesigen Verhältnisse ziemlich bedeutende Viehzucht (8 Kühe und 4 Ochsen). Eine weit größere Anzahl von Gärtnern ist Besitzer von einem Tagewerk Waizen, Viehfutter und Korn, von zwei Tagewerken Kartoffeln und hat in der Regel Antheil an den Marktfeldern (Gemüseland); diese halten vier Kühe und zwei Ochsen. Die dritte und zahlreichste Classe besitzt höchstens ein bis zwei Tagewerke Korn- und Kartoffelfelder, arbeitet um Tagelohn und hat zwei Kühe und höchstens einen Ochsen. Die meisten der kleinen Gärtner besitzen gar kein Land und erwerben ihren Lebensunterhalt auf Pachtfeldern und durch den Vertrieb der Gemüse, die sie von den Wohlhabenderen entnehmen.

Bei Grundtheilungen behält der Familienvater meist nur den Kindestheil, den er gewöhnlich von seinen Kindern bearbeiten läßt oder ihnen in Pacht gibt; der Sohn erhält bei seiner Verheirathung ein oder zwei Grundstücke. Diese haben sehr verschiedene Preise. Während der Körnerboden (Sandfelder) 50 bis 300 Gulden der Morgen kostet, wird der Gemüseboden (Marktfelder, Moorboden) je nach Lage und Güte zu 400 und 1200 Gulden gekauft. Die Parcellen liegen in der Flur außerordentlich weit zerstreut.

Nirgend wird wohl Dünger mehr geschätzt, als in der Bamberger Gärtnerei, und da die Erzielung der Gemüse das Hauptbestreben ist und Halmfrüchte kaum mehr, als für den eigenen Bedarf, gebaut werden, so fehlt die gehörige Einstreu und muß gekauft werden. Senkgruben werden in der Stadt gepachtet oder gekauft und Alles, was geeignet ist, zu Dünger verwendet.

Die Bamberger Gemüse werden durch den Kunstbau zu einer Fülle, Größe und Zartheit gebracht, von welcher man anderswo keine Ahnung hat. Dafür ist dieses delicate Erzeugniß der Natur und Kunst aber auch überall gesucht und bevorzugt, wohin es die emsigen Gärtnerfrauen führen. Wahrhaft in Erstaunen setzt die Größe des Kopfkohls, des Blumenkohls, die Schönheit und Zartheit des Rosenkohls, des Wirsings, Schnittkohls und des Kohlrabi. Von all’ diesen Kohlarten werden fast alle Species erzeugt. Ferner alle Arten Rüben, von der kleinen baierischen Teltower bis zur rothen Einmachrübe und großen Runkel. Ebenso ausgezeichnet sind der Knollensellerie, die Schwarzwurzel, die Petersilie. Radieschen und Rettige gelten hier für wahre Delicatessen. Salatliebhaber werden von allen Bamberger Salatarten in Entzücken versetzt und die Spargeln der Gärtnerei sind als classisch gefeiert. Was soll man von der Süßigkeit und Zartheit des Spinats, was vom pikanten Reiz der Zwiebeln und Lauche, der Angelika und des Meerrettigs sagen? Ueberall verkörperte Poesie für Auge und Zunge, aber eine Dithyrambe verdienen die Gurken, große und kleine, in welchen auch die Melonen und Kürbisse mit besungen werden müssen. Männer, welche die Poesie der Küche verstanden haben, wie der Deutsche von Rumohr und der Franzose Grimod de la Reynière, würden diesem herrlichen Stoffe sein Recht widerfahren lassen, wie der Bildhauer dem Marmorblocke. Es versteht sich von selbst, daß die Küchenkräuter nicht fehlen: Koriander, Senf, Kümmel, Anis, Liebesäpfel, Fenchel, Körbel, Raute, Minze, Garten- und Brunnenkresse, Majoran, Basilikum, Bohnenkraut, Thymian, Melisse, Borangen etc. Ich eile über die köstlichen Bohnen, als Wachs- und Schwertbohnen, Feuerbohnen, Buschbohnen, Puffbohnen, grüne und Golderbsen, Späterbsen und Linsen hinweg, um noch ein Wort über das hier gebaute Süßholz, die Freude der Kindheit, zu sagen.

Es wächst auch Kalmus und Eibisch hier, aber ich spreche nur vom Süßholz. Griechisch heißt es Glykyrrhiza oder Glykyrrhizon, daraus haben die Römer Liquiritia und aus diesem Worte die Deutschen Lakritze, die Franzosen aber Reglisse gemacht. Das ist denn nun der braune eingedickte Süßholz- oder Lakritzensaft, die braune Reglisse, der Lederzucker, die Leckerei der Kinder und das alte bewährte Hausmittel für Verschleimung und Katarrh. Die Süßholzpflanze ist ein Strauch oder vielmehr mannshohes Bäumchen mit rundlichen Blättern, denen der Akazie ähnlich. Die Wurzel, das eigentliche Süßholz, wächst eben so tief in die Erde, und es galt sonst als Meisterstück des Gärtners, sie unverletzt auszugraben. Die Blüthe ist weiß und blau – die baierischen Landesfarben. Durch den Süßholzbau war Bamberg im Mittelalter berühmter, als durch seinen Fürstbischof; ja dieser machte im 16. Jahrhundert anderen Fürsten Geschenke mit der bittersüßen Wurzel dieses Strauchs und seinem Decoct. Die zweite Stadt in Deutschland, welche mit Bamberg den Süßholzbau betrieb, war Erfurt, das überhaupt nicht allein im Gemüsebau und Samenhandel Aehnlichkeit mit Bamberg hatte und zum Theil noch hat. Jetzt hat der Anbau dieser Arzneipflanze sehr abgenommen, da andere Producte mehr Vortheil gewähren. Doch werden jährlich noch an 350 Centner davon gebaut.

Die ehemalige hohe Wichtigkeit des Süßholzbaues beweist auch eine Volkssage oder Kirchenlegende, welche die Cultur dieses Officinalstrauches in unmittelbare Berührung mit dem frommen Erbauer des Bamberger Doms und Stifter des Bisthums, dem Kaiser Heinrich II., bringt. Da nämlich die Süßholzpflanze nur in einem ganz bestimmten und scharf abgegrenzten Strich gedeiht, wie man mich versicherte, so berichtet die Sage, es wächst nur so weit, als Kaiser Heinrich spazieren gegangen ist. Der in Bamberg kirchenmythisch

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 643. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_643.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)