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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

und sie ihm zu reichen, gelang es, die Flammen zu löschen und so das Bugspriet mit seinen Ketten so lange zu einem verhältnißmäßig sicheren Zufluchtsorte zu machen, bis die Boote der „Catharina" bei grauendem Tage herankamen und die armen Leidenden erlösten.

Eine ausführliche Schilderung eines dieser später Geretteten, Namens Andreas Lindstein, enthält der „Newyork-Herald". „Am 13. September," erzählt dieser, „gegen 2 Uhr Nachmittags, als das Feuer auf der „Austria" ausbrach, stand ich ungefähr auf der Mitte des Schiffes auf Deck und sah, wie die Flammen drei bis vier Fuß hoch aus der auswärts gelegenen Luke herausschlugen. Ich eilte nach vorne zu und gewahrte auch dort schon die Flammen aus den Vorderluken emporlodern. Um diese Zeit sah ich den Capitain auf Deck kommen. Ich sah, wie er seinen Rock auszog und nach der Seite des Schiffes zustürzte, als wenn er über Bord springen wollte. (Diese Aussage stimmt mit denen anderer Augenzeugen nicht überein.) Herr Sweenska (?), ein Schwede, ergriff ihn beim Arme, zog ihn von der Takelage weg und fragte ihn, was er denn eigentlich zu thun beabsichtige. Aus der Antwort des Capitains ging hervor, daß er gar nicht wußte, was er eigentlich that. Der Capitain lief dann nach hinten, so daß ich ihn aus dem Gesicht verlor, da ich mich auf dem Vorderdecke unter einer großen Menge von Passagieren befand. Das Feuer machte reißende Fortschritte, so daß es uns in erschreckender Weise bedrohte. Die Passagiere waren so dicht aneinander gedrängt, daß sie sich gegenseitig über Bord stießen. Es gelang mir, bis zum Tauwerk vorzudringen, ein Tau zu ergreifen und dieses an einen Bolzen zu befestigen. Dann schlug ich eine Schlinge in das Tau, ließ mich hinunter und saß nun etwa zwei Fuß vom Wasser entfernt in meiner Schlinge. Diesen Zufluchtsort erreichte ich etwa zehn Minuten nach Ausbruch des Feuers. Drei Viertelstunden später ungefähr stürzten der Vorder- und Hauptmast auf der Steuerbordseite des Schiffes über Bord, wobei ich nahezu von der Raa erschlagen worden wäre. Als ich um mich blickte, um zu entdecken, ob sich nicht etwas Herumschwimmendes fände, woran ich mich halten könnte, sah ich das untere Ende des Hauptmastes etwa zwei Fuß hoch aus dem Wasser her- vorragen. Augenscheinlich hatte sich das Tauwerk an der Spitze desselben in der Schraube verwickelt. Ich ließ mich in's Wasser und schwamm auf den Mast zu, dessen Ende ich glücklich erreichte. So vermochte ich mich denn über Wasser zu halten. Um diese Zeit gewahrte ich drei Personen außerhalb des Schiffes an Tauen hängen; einem derselben, dem Koch, warf ich ein Tau zu, zog ihn zu mir heran und hielt ihn an meiner Seite. In diesem Zustande verblieben wir die ganze Nacht, während welcher wir eine Menge Leichen um uns herumschwimmen sahen. Bis Dunkelwerden drehte sich die Schraube fortwährend langsam herum, so oft sich der Dampfer am Stern hob. Um nicht zu verbrennen, mußte ich meinen Rock ausziehen, ihn naß machen und um meine Seite schlagen. Einmal verbrannte ich mir die Schulter, da ich diesen Theil meines Körpers nicht gehörig schützen konnte. An diesen Brandwunden leide ich noch jetzt."

Lindstein erzählt nun weiter, wie er um diese Zeit die französische Bark langsam habe herankommen sehen. Sie legte gegen 5 Uhr etwa eine Meile von der „Austria" bei und sendete zwei Boote nach derselben ab, die sich indeß dem brennenden Schiffe nur bis auf Hörweite näherten. Sie hielten sich auf der Luvseite, so daß Lindstein sie nur sehen konnte, wenn der Dampfer sich herumschwang. Beim Eintritt der Nacht erhielt er die Gewißheit, daß diese zu Hülfe Herbeigeeilten ihn nicht gesehen hatten und er also auch nicht von ihnen gerettet werden würde. Sie kehrten in der Finsterniß zurück zu ihrem Schiffe, an dessen einem Mäste etwa gegen zehn Uhr Nachts eine Laterne aufgezogen wurde. Am nächsten Morgen früh schon gewahrte der Unglückliche das norwegische Schiff „Catharina" dicht bei dem Wrack. Ein Boot derselben nahm ihn und seinen Leidensgefährten gegen 4 Uhr Morgens auf. Außerdem barg die „Catharina" noch jene 18 Personen, welche sich die ganze fürchterliche Nacht hindurch an den Ketten des Bugspriets gehalten hatten. Unter diesen befand sich auch ein Mädchen von nur 14 Jahren mit ihrem Bruder. Der Gerettete war der Vorletzte, welcher von den Booten der „Catharina" gefunden und an Bord des Schiffes gebracht wurde.

Unter den Zwischendecks-Passagieren der „Austria" befanden sich eine beträchtliche Anzahl Schleswiger, besonders waren viele in Cappeln an der Schlei Heimische als Auswanderer nach Californien am Bord. Von diesen hatten Mehrere das Glück, sich zu retten. Einige derselben haben bereits an ihre Verwandten oder Bekannten in Cappeln und Umgegend von Fayal aus, wo die Bark „Maurice" die Schiffbrüchigen landete, geschrieben, und wie Alles, was von irgend einem Augenzeugen über das erschütternde Ereigniß gemeldet wird, die Presse jetzt sofort veröffentlicht, sind auch die Briefe dieser schlichten Leute in der „Eckernförder Zeitung" abgedruckt worden. Das aus früheren Berichten noch nicht Bekannte in diesen Mittheilungen fügen wir zur Vervollständigung derselben hier bei. G. Vollersen schreibt unter Anderem:

„Der 13. September war der schreckliche, ewig unvergeßliche Tag. Es war, als sollten wir den Untergang der Welt sehen. In einer Zeit von fünf Minuten stand das Schiff hinten, in der Mitte und vorn in hellen Flammen. Es war keine Zeit, etwas zur Rettung zu thun. Keins von den acht großen Booten konnte heruntergelassen werden. Ach, was für ein Jammern, Händeringen und Beten! Ich faßte Fritz (Betke), lief mit ihm nach vorn, bat ihn, bei mir zu bleiben und Fassung zu behalten. Das Trauerspiel begann. Ich lief hin und kletterte auf den Vordermast, da dieser aber zu stürzen drohte, ließ ich mich an den Tauen herunter auf's Bugspriet. Ich sah nach Fritz und bezeichnete ihm durch Winke einen bergenden Ort. Das Feuer erreichte die Pulverkammer und alle Passagiere, die auf dem Hinterdeck waren, flogen in die Luft… Das ganze Schiffsdeck brannte. Wer nicht verbrannt oder ertrunken war, saß auf dem Bugspriet oder trieb auf Trümmern im Wasser umher. Da kam eine französische Bark. Ich hatte immer ein scharfes Auge auf Fritz und der liebe Gott auf uns Beide. Ich bezeichnete ihm einen vor dem Feuer gesicherten Platz. Ein Boot vom französischen Schiff kam näher. Dies erste und ein zweites gingen schon beladen an ihr Schiff. Das dritte kam. Ich hörte die Stimmen zweier Damen der Unsrigen, stürzte entkleidet hinab, und da ich nicht ermattet war, erreichte ich mit Gottes Hülfe das Boot. Aber Fritz! — Ich wollte etwas thun, aber durfte nicht. Doch mit dem letzten Boote kam auch er. Nie habe ich mich mehr gefreut, als diesen Augenblick."

Fritz Betke, der Freund und Gefährte Vollersen's, berichtet in seinem Briefe Folgendes: „In Zeit von einer halben Stunde waren schon die Stricke an den Masten abgebrannt. Gustav (Vollersen) hatte zuerst seine Zuflucht auf der Spitze des Fockmastes genommen. Er sah jedoch bald ein, daß er sich da nicht halten konnte. Ganz herunter k konnte er auch nicht mehr. Es blieb ihm also nichts übrig, als sich oben vom Bramsteg an dem Tau nach der Spitze des Auslegers herunterzulassen, von wo er dann den ganzen Gräuel mit ansehen mußte. Keine Rettungsmittel waren vorhanden. Sämmtliche Wassereimer waren zuerst in Brand gerathen und kein Mittel war da, das Feuer zu löschen. Ihr könnt denken, welch' ein Gejammer auf dem Schiffe war! Ein Jeder sah seinen Tod vor Augen und hatte nur die schreckliche Wahl zu verbrennen oder zu ertrinken. Gustav konnte sich dort, wo er war, am längsten halten. In der Entfernung von drei deutschen Meilen war ein Rettungsschiff zu sehen, aber in der Zeit, daß dieses herankam, war das ganze Schiff in vollen Flammen. Viele ließen sich an Stricken hinunter, diese brannten ab und sie fanden ihren Tod in den Fluthen. Ich hielt mich noch immer auf dem Vordertheile des Schiffes. Zuletzt wurde es so heiß, daß ich es nicht mehr aushalten konnte. Da stieg ich über die Köpfe derjenigen fort, die vor mir standen, und kletterte unter dem Bugspriet auf eine starke eiserne Kette. Hier konnte mir das Feuer so leicht nichts anhaben. Wie ich hier wohl beinahe eine Stunde gesessen hatte, waren beinahe sämmtliche Leute auf dem Verdeck verbrannt oder ertrunken. Unter solchem Jammer waren ziemlich drei und eine halbe Stunde vergangen. Da kam das rettende Schiff uns nahe. Es sandte zwei Boote aus, welche zuerst die auffischten, die im Wasser noch am Leben waren. Gustav schwamm dem vierten der ausgeschickten Boote nach. Er war der Letzte, der dort aufgenommen wurde. Ich saß noch auf meiner Kette. Es fing an dunkel zu werden. Man konnte nicht sehen, ob noch ein Boot käme, jedoch kam noch einmal eine Hülfe. Es wurde uns zugerufen, wer schwimmen könnte, sollte heranschwimmen, denn sie könnten nicht näher heranfahren. Da faßte ich Muth, zog meine sämmtlichen Kleider aus, schwamm nach dem Boote und erreichte es glücklich. Mit mir wurde noch ein Steuermann gerettet. Die noch an Ketten und Tauen hingen und nicht schwimmen konnten, mußten dort bleiben. Es waren wohl noch einige zwanzig Personen, Männer, Frauen und Kinder."

Wir wenden uns jetzt zu dem Berichte, welchen der brave,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 646. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_646.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)