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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

etwas zweifelhaften Ruhm des Gegentheils!“ Gewiß, es ist etwas an der Sache, es liegt diesem Ruhme, den wir besser Ruf nennen wollen, etwas Positives zu Grunde. Wenn sie untereinander oder mit Leuten ihres Standes verkehren, so ist ihre Wortstellung allerdings keine gewählte. Es hat sich bei ihnen noch jene specifisch deutsche Art unserer Vorfahren, sich schlicht und recht mit ungeschminkter Geradheit auszudrücken, erhalten, jene primitive, barocke, handliche Redeweise, die ihre aus der nächsten Umgebung genommenen Bilder und Vergleiche mit originell kräftigen Pinselstrichen hinstellt. Wie z. B. Martin Luther in seinen polemischen Schriften seine Gegner – und wenn sie Könige und Fürsten waren – in einer gar köstlich derben, mit kräftigen Brocken gewürzten, mit pikanten Speckstücken gespickten Sprache bediente, daß uns beim Lesen die Augen übergehen, so hat sich auch noch etwas von der ursprünglichen naiven Ungebundenheit der Altvordern in der Ausdrucksweise

Bamberger Gärtner am Abend – Gebet beim Vesperläuten.

der Bamber Gärtner erhalten. Sie wissen noch nichts von der Lüge der Civilisation, diejenigen am höflichsten zu behandeln, die man am wenigsten leiden mag. Sie sagen’s noch mit altdeutscher Biederkeit und angemessenen Worten, zuweilen sehr originell und drastisch, gerade heraus, wie’s ihnen um’s Herz ist. Gedanke und Wort ist bei ihnen eins; sie wägen nicht ab, sie wählen nicht, sie überlegen nicht, so daß es freilich in Franken zum Sprüchwort geworden ist: „ein Mundwerk haben, wie eine Bamberger Gärtnersfrau.“

Diese Originalität, die oft einen Kreis unparteiischer Hörer herbeilockt und mit Heiterkeit erfüllt, entspringt aus dem gerechten stolzen Selbstbewußtsein ihres Werthes, aus der übersprudelnden Fülle ihrer geistigen und körperlichen Kraft. Sie fühlen sich berechtigt, jede Ungebührlichkeit mit derben Worten zurückzuweisen. Wer so fleißig ist, wie sie, darf auch so – gerade heraus sein, wie sie. Das Letztere sind sie nie ohne Veranlassung. Im Gegentheil! Darum halt’ ich die Behauptung fest: sie sind höflich, freundlich, mittheilsam; nur reizen darf man sie nicht. Die Männer sind dagegen um so schweigsamer. Der Gärtner läßt sich selten in eine Unterhaltung ein. „Guten Tag, guten Weg!“ das ist Alles. Die Wahrheit „Zeit ist Geld!“ sitzt ihm in Fleisch und Blut.

Im Hause des Gärtners herrscht noch ein gut Stück patriarchalisches Regiment. Der Vater ist Herr im Hause. Frau und Kinder, selbst die erwachsenen, folgen ohne Widerrede seinem Befehle. Er ordnet die Arbeit an, er weist die Familienglieder nach dem Maße ihrer Kräfte ein. Die Strenge waltet vor und in ihr thut sich die Liebe kund, und die Familie hängt mit schmuckloser Innigkeit aneinander. Zu der Arbeit suchen Alle die größte Ehre. Knaben wetteifern, schwere Lasten auf dem Schiebekarren zu fahren; mit dem zwölften Jahre dreschen sie schon.

Im „Bamberger Hofe“ hatten wir die schönste Gelegenheit, uns vom unvergleichlichen Wohlgeschmack der Bamberger Gemüse und des fränkischen Fleisches zu überzeugen. Wir speisten mit einer Dame aus Coburg, welche mit vieler Erfahrung und Geschmack uns auf die Vorzüge der hiesigen Producte im Detail aufmerksam machte. Sie versprach uns, am folgenden Morgen unsere Begleiterin und Cicerona auf den Markt, in die Gärtnerei und auf die Felder zu sein. Einstweilen erzählte sie uns auf sehr anziehende und unterhaltende Weise von einem köstlichen, alljährlich im September abgehaltenen Volksfeste ihrer Vaterstadt, die Coburger Zwiebelkirmeß oder der Zwiebelmarkt genannt, welches vorzüglich von den Bamberger Gärtnersfrauen illustrirt wird.

Das muntere Coburger Stadtkind berichtete mit rührender Innigkeit und köstlichem Humor:

„Vom Spittelsthore bis zum Ketschenthore, den ganzen Steinweg und die Ketschenstraße entlang, sind da Berge von Zwiebeln,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_657.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)