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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Schritt weiter zu gehen. In diesem gibt er dem Volke nicht blos für seine Naturanschauung ein maßgebendes Gesetzbuch, sondern auch einen Spiegel, von dem er auf der letzten Seite selbst sagt: „hier findet ihr Freiheit und Liebe, Gesetz und Ordnung: hier findet ihr euch selbst wieder.“

Um in noch innigeren Verkehr mit den Lesern seiner Schriften zu treten und in weiteren Kreisen belehrend zu wirken, gründete Ule im Jahre 1852 im Verein mit Karl Müller und Roßmäßler die seitdem im besten Fortgange stehende Zeitschrift „Natur“. In dieser konnten die Drei mit vielen sich ihnen zugesellenden Gehülfen aus allen Gebieten der Naturwissenschaft ihren Lesern Belehrung bieten, wobei Ule nicht nur Hauptredacteur, sondern auch Hauptmitarbeiter ist, und dabei den ehrlichen Muth gehabt hat, den Verketzerungen seiner Weltanschauung namentlich in dem kritischen Beiblatte entgegenzutreten.

Treu seiner Auffassung von gründlicher Volksbelehrung auf physikalischer Basis gab er 1854 und 1857 die 2 Bände seiner „Physikalischen Bilder im Geiste kosmischer Anschauung“ heraus. In diesem Buche ist es Ule meisterlich gelungen, das allgemein herrschende Gesetz der Bewegung in allen seinen Bethätigungen dem Leser klar zu machen und dadurch das große Publicum einzuführen in das weite Entdeckungsgebiet, wo jetzt die berühmtesten Forscher unablässig beschäftigt sind und für eine nicht mehr ferne Zukunft die wichtigsten Umgestaltungen vorbereiten.

So ist denn Otto Ule nicht einer von den vielen naturwissenschaftlichen Volksschriftstellern, welche als immerhin kundige Cicerones das Volk doch mehr nur bald hierhin, bald dorthin leichten Schrittes durch die vor ihm ausgebreitete Natur führen; sondern er gleicht mehr einem kundigen Bergführer, welcher durch wohldurchdachte Führung das Interesse und die Kräfte zu steigern und zu concentriren weiß. Wir dürfen hoffen, daß er dem Volke noch lange ein solcher Führer sein werde, denn er ist noch jung und körperlich und geistig frisch. Ule ist uns seit einigen Jahren in zwiefacher Hinsicht immer als das Glied einer Trias erschienen, die er, der Physiker, mit Moleschott dem Physiologen und Strecker dem Chemiker bildet; von drei Schwestern auch durch verwandtschaftliche Bande innig aneinander gefesselt, huldigen die Drei der wissenschaftlichen Trias, welche die Gegenwart bewegt und die Zukunft beherrschen wird. Wir führen dies nicht blos an als gelegentliche Notiz über Ule’s äußeres Leben; sondern weil das äußere Leben die Basis des innern ist, so betonen wir es, daß Ule und seine beiden berühmten Schwäger durch ihre Frauen, welche ihre Männer verstehen, in ihrer wissenschaftlichen Einmüthigkeit gewissermaßen in Liebe getragen werden.




Der Panther-Jäger Bombonnel.

Nachdem Jules Gerard durch seine Löwenjagden eine Berühmtheit erlangt hat, wie weiland Nimrod, gibt das Pariser Jagd-Journal von einem Stern zweiter Größe Nachricht, welcher in Algier aufgetaucht ist, und Bombonnel, le Tueur de Panthères genannt wird.

Die Araber von Nord-Afrika unterscheiden zwei verschiedene Arten Panther oder Leoparden, den großen (Dolly) und den kleinen (Berrany). Ersterer fällt nicht selten Menschen an. In neuerer Zeit reisten zwei Einwohner der Stadt Algier von Blidah nach Koleah in einem Planwagen. In dem Gehölz von Mazafran sprang ein Panther bei hellem Tage auf den Wagen, stürzte diesen um, ergriff aber dann, wie auch der Königstiger dies thut, die Flucht, weil er mit dem ersten Sprunge seine Beute nicht erreicht hatte. Ein Araber, Sidi Hamdam, befand sich auf der Schweinsjagd, als ein Panther sich unvermuthet auf ihn stürzte. Er wurde vom Pferde gerissen, und obgleich es ihm glückte, den Panther abzuschlagen, starb er doch bald an den erhaltenen schweren Wunden.

Andere zahlreiche Fälle sind in Algier vorgekommen, daß Menschen von den Panthern getödtet oder schwer verwundet wurden, und man sieht hieraus, daß dieser große Panther nicht ein so feiges Thier ist, wie Gerard dies behauptet. Gerard selbst hatte wenig Gelegenheit, den Muth dieses Thieres aus eigener Erfahrung kennen zu lernen, er wiederholte nur, was er von den Arabern gehört hatte; diese aber haben eine beinahe übernatürliche Scheu und Ehrfurcht vor dem Löwen, und es ist daher erklärlich, daß sie im Vergleich zu diesem den Panther für feig halten; denn den Muth des Löwen, welcher, auf seine Stärke vertrauend, keinen Feind scheut, hat der Panther allerdings nicht; er springt womöglich nur von hinten oder aus einem Versteck auf seine erwählte Beute. Verwundet ergreift er aber nicht die Flucht, sondern stürzt sich vielmehr wüthend auf seine Feinde.

So wie Gerard sich ausschließlich damit beschäftigte, die Löwen zu verfolgen, so hatte sich Bombonnel die Aufgabe gestellt, die Panther auszurotten. In einem Gebüsch in der Nähe von Bab-Ali, einer wilden Gegend voll Felsen und Schluchten, hatte ein Panther seit einiger Zeit seinen Aufenthalt. In dem kurzen Zeitraum von einigen Wochen wurde ein alter Mann, zwei Knaben und ein kleines Mädchen von dem Raubthiere zerrissen. Der Schrecken, von dem die Bewohner der Umgegend in Folge hiervon ergriffen waren, war nicht gering, und die Feldarbeiten wurden sogar einige Tage unterbrochen.

Bombonnel hatte vergebens das Lager des Raubthieres aufgesucht; er war der Spur desselben bis in die wildesten Gegenden gefolgt, ohne den Panther zu Gesicht zu bekommen; er beschloß daher, sich des Nachts auf den Anstand zu begeben. Zur Kirrung band Bombonnel eine Ziege an, und zwar auf den Rath der Araber eine Ziege mit ihrem erst wenige Wochen alten Lamm. Während er die Ziege an einen zwanzig Schritte von seinem Stande entfernten Pfahl anbinden ließ, behielt er das Junge bei sich. Dies ist ein sicheres Mittel, die alte Ziege zum Schreien zu bewegen, während eine andere des Nachts in der Wildniß aus Furcht vor den Raubthieren keinen Laut von sich geben würde. Bekanntlich sind die Geruchsnerven aller Katzenarten sehr schlecht, sie wittern selbst auf sehr geringe Entfernungen ihre Beute nicht, um so besser aber sind Augen und Gehör.

Der Araber, welcher sich auf diese Weise des Nachts auf den Anstand begibt, erklettert einen Baum, Felsen oder dergleichen, setzt sich also nicht der Gefahr aus, von dem vielleicht verwundeten Raubthier angegriffen zu werden. Nicht so Bombonnel: trotz der Ermahnungen und Warnungen der Araber, wählte er seinen Stand auf dem Boden der Schlucht selbst.

Er befand sich bereits mehrere Stunden auf seinem Posten. Der Mond, der bisher geschienen hatte, verschwand für einige Minuten hinter dichten Wolken, und die hierdurch eingetretene Dunkelheit verhinderte Bombonnel, die nächste Umgebung mit derselben Aufmerksamkeit zu beobachten, als er bisher gethan hatte. Es mochte ungefähr ein Uhr sein. Das Lamm hatte er eben wieder in die Höhe gehoben, um es zum Schreien und hierdurch die Mutter zum Antworten zu bewegen, da vernimmt er plötzlich einen dumpfen schweren Fall, hierauf einen Angstschrei, nur einen, – die Ziege war todt. Er hörte jetzt die Knochen des armen Thieres unter dem zermalmenden Gebiß des Panthers krachen, ohne daß er diesen sehen konnte. Nur mit vieler Mühe gewahrte er in der Dunkelheit eine undeutliche schwarze Masse. Bombonnel selbst stand nicht, sondern saß auf dem Boden; vor ihm befand sich ein zwei Fuß hoher, an seinem obersten Ende mit einer Gabel versehener Pfahl, auf diesem ruhte sein Gewehr. Dreimal brachte er dasselbe an den Backen, um Feuer zu geben, doch er setzte jedesmal wieder ab, weil er in der Dunkelheit die richtige Visirlinie nicht finden konnte, obgleich er die Vorsicht gebraucht hatte, einen Diamant am Ende des Gewehrlaufs zu befestigen. In dieser verhängnißvollen Lage war er kaltblütig genug, die Kugelpatrone aus dem Laufe des Gewehres herauszunehmen, und mit einer Cartouche, welche 24 kleine Posten enthielt, zu laden. Hierauf zielt er noch einmal und giebt Feuer. Alles bleibt still, kein Laut läßt sich vernehmen. Der Panther war, durch Kopf und Herz geschossen, auf der Ziege zusammengebrochen. Dieser erste glückliche Versuch trug viel dazu bei, die Passion für die Pantherjagd in Bombonnel zu vermehren; in allen Duars, welche er besuchte, versprach er denen Belohnungen, welche ihm das Lager oder die Spur eines Panthers nachweisen könnten. In der kurzen Zeit von einigen Monaten erlegte er sechs Stück, und sein Ruhm als Pantherjäger verbreitete sich bald in der ganzen Provinz.

Sehr interessant sind die Beobachtungen, die Bombonnel über das Benehmen der armen Ziegen machte, welche dazu dienen mußten,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 666. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_666.jpg&oldid=- (Version vom 10.11.2020)