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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

nicht die Größe, wie sie das Thier in der Freiheit erreicht, immerhin aber kann man sich eine ziemliche Vorstellung von ihrer Gefährlichkeit machen. Die Krallen z. B. erreichen eine ungeheuere Länge schon bei dem einen größeren Thiere. Dasselbe ist schon seit Jahren blind, verräth aber eine solche Sinnenschärfe in Bezug auf Geruch und Gehör, daß viele Besucher es füttern und von dannen gehen, ohne das Fehlen jenes Sinnes bemerkt zu haben; so schnell findet der Bär jeden hingeworfenen Brocken, selbst aus dem Wasser, heraus. Sehr anziehend ist es, wenn er ein Bad in seinem Bassin nimmt, wobei er mit seinen breiten Vordertatzen das Wasser mit großem Eifer um sich herumschleudert.

(Ein zweiter Artikel in nächster Nummer.)




Ekliches am Menschen.

Rümpfe Dein Näschen nicht gleich, liebe Leserin, über die Ueberschrift dieses Aufsatzes; Du kannst gar nicht wissen, ob Du nicht auch etwas Ekliches an Dir hast und ob Du nicht durch diesen Aufsatz davon befreit wirst. Du meinst, das würdest Du schon wissen? Da irrst Du aber! Viele sind ganz unbewußt recht ekelhaft, und solche gute Freunde gibt es nur selten, die auf die Gefahr hin, sich Haß oder vielleicht gar dauernde Feindschaft von unserer Seite zuzuziehen (weil die Wahrheit selten gern gehört und oft falsch ausgelegt wird), uns auf Eigenheiten und Fehler aufmerksam machen, welche durch widerwärtigen Eindruck auf die Sinne Ekel einflößen und Andere von uns abstoßen. Gerade das weibliche Geschlecht, welches doch anziehend sein muß, wird gar nicht selten durch manches Ekelhafte abstoßend. Vorzugsweise ist es hier der Mund, welcher die Veranlassung dazu gibt. Wie oft hört man nicht: welch’ eine schöne Frau, aber – sie riecht aus dem Munde; welch’ ein reizendes Mädchen, nur – muß sie den Mund nicht öffnen (denn anstatt auf Perlen hinter den Korallenlippen fällt der Blick auf gelbliche, grün- und schwarzberänderte Stifte). Kurz, es kann nicht weggeleugnet werden, daß an vielen Menschen Ekliges existirt und daß, wenn dieses nicht existirte, viele Menschen angenehmer wären. – Trennen wir das Ekliche in solches, was unsern Geruchsinn und in das, was den Gesichts- und Gehörsinn beleidigt.

Unser Geruchsinn wird am meisten durch solche üble Gerüche verletzt, welche der Fäulniß thierischer Stoffe ihren Ursprung verdanken, wie der üble Geruch des Mundes, der Nase und des (hauptsächlich Fuß- und Achsel-) Schweißes. Auch können von außen in den Körper gebrachte schlechtriechende Stoffe (wie Käse, Zwiebeln, Meerrettig, Knoblauch u. s. f.) einen Menschen in übeln Geruch bringen. Schlimm ist’s hierbei, daß diejenigen, welche übel riechen, dies gewöhnlich selbst gar nicht bemerken und ihre Nächsten aus nächster Nähe anduften.

Der üble Mundgeruch ist am verbreitetsten und widerwärtigsten; er wird in der Regel, gewissermaßen zur Entschuldigung des Riechenden, Uebeln der verschiedensten Art zugeschrieben und soll bald aus dem Magen, bald aus der Lunge stammen. Er hat aber fast immer, wenigstens bei sonst gesunden Menschen, seinen Grund in Unreinlichkeit und falscher Behandlung der Mundhöhle. Er ist dann nämlich das Product der Fäulniß thierischer Nahrungsmittel, die sich in den Lücken zwischen den Zähnen oder in den Höhlen hohler Zähne verbergen. Auch bei dem sorgfältigsten Putzen mit Zahnpulver, Ausstochern, Ausspülen und Bürsten der Zähne lassen sich diese Speisereste nicht vollständig entfernen und deshalb ist es die Aufgabe einer richtigen Behandlung der Mundhöhle, die Fäulniß jener Stoffe zu verhindern. Dies läßt sich aber, auch bei falschen Zähnen, durch tägliches (ein- oder mehrmaliges) Putzen der Zähne mit reinem Spiritus, dem eine geringe Quantität Essig- oder Schwefeläther zugesetzt ist, oder auch durch Bürsten mit Eau de Cologne recht leicht ermöglichen. Jedenfalls wird die Reinlichkeit dadurch noch vermehrt, daß man die hohlen Zähne öfters vom Zahnarzte reinigen und ausfüllen läßt. Zum Putzen der Zähne wähle man eine recht scharfe Zahnbürste und führe dieselbe nicht blos horizontal, sondern auch senkrecht über die Zähne, damit die Borsten derselben besser in die Lücken zwischen den Zähnen eindringen können. Hohle Zähne müssen natürlich vorzugsweise gut gereinigt werden und das Zahnausstochern nach dem Essen ist sicherlich sehr empfehlenswerth, nur muß man Andern nicht eklich damit werden, wie dies so oft geschieht. Vor Gesellschaften, Bällen und Gelegenheiten, wo man Leuten nahe treten muß oder wo es vielleicht gar zum Kusse kommen kann, sollte von jedem reinlichen Menschen die Mundhöhle stets einer sehr sorgfältigen Reinigung unterworfen werden. Hauptsächlich ist dies Tabaksrauchern (zumal aus dem ärztlichen Stande) anzurathen, denn der üble Geruch von im Munde faulenden Stoffen bildet mit dem der Tabakssauce eine böse Melange. Der Eltern Aufgabe ist es, bei ihren Kindern schon in der frühesten Jugend auf die gehörige Reinigung der Zähne zu sehen, weil dadurch gleichzeitig die Zähne für das Alter gesund erhalten werden.

Die Stinknase (Ozäna, Punaisie), bei welcher sich aus der Nase ein übler, den Umstehenden und bisweilen auch dem Kranken selbst sehr lästig fallender Geruch entwickelt, kommt am häufigsten bei jungen Mädchen vor, und ist das eine Mal mit Ausschnäuzen übelriechender, bisweilen blutiger und jauchiger Flüssigkeiten und Krusten verbunden, das andere Mal dagegen ohne allen Ausfluß. Es scheint dieses, in der Regel schmerzlose und sehr langwierige Uebel, bald von Geschwüren in der Nasenschleimhaut, bald nur von Fäulniß eingesperrter Schleimpfröpfe herzurühren. Wohl immer ist aber der Sitz desselben hoch oben in der Nasenhöhle. Von den gegen die Punaisie empfohlenen innern und äußern Arzneimitteln (z. B. Chlorkalkflüssigkeit, 1 Th. auf 6 Th. Wasser) hat man keine besondere Hülfe zu erwarten, wohl aber vom häufigen Reinigen der Nase mit lauem Wasser. Nur muß dasselbe sehr oft (wo möglich alle Stunden und noch öfter) des Tages hoch hinauf und durch die Nasenhöhle hindurch in den Mund gezogen werden.

Uebelriechende örtliche Schweiße, wie der Füße und Achselhöhlen, beruhen auf Erweichung und Schmelzung der Oberhautschichten durch den faulenden, ammoniakalischen, specifisch riechenden Schweiß. Das Hauptmittel gegen solche Schweiße ist natürlich große Reinlichkeit, häufiges Waschen und Baden der schwitzenden Theile, öfterer Wechsel der betreffenden Wäsche, Vermeiden einer allzuengen, den Luftzutritt und das Ausdunsten des Schweißes ganz hemmenden Bekleidung. – Gegen übelriechenden Fußschweiß nützt das Einstreuen von Weinsäure in die Strümpfe oder das Tragen von Strümpfen und Leinwandlappen, die in eine Lösung dieser Säure getaucht und dann getrocknet wurden. Auch ist das tüchtige Einreiben der Fußzehen mit frischem Talge und das Bestreichen der Strumpfsohle mit Thonlösung heilsam. Ebenso wird gegen Fußschweiß eine Salbe aus gleichen Theilen Leinöl und Bleiglättenpflaster (Empl. diachylon simplex) empfohlen. – Bei übelriechendem Achselschweiße sind in der Achselhöhle Schweißblätter von Leinwand zu tragen, die entweder eingethont oder mit einer Weinsäurelösung getränkt und dann getrocknet sind. – Uebrigens soll hier auch noch die von den Meisten arg vernachlässigte Pflege der Haut (durch Bäder, Abreibungen etc., s. Gartenl. 1854. Nr. 46) dringend anempfohlen werden.

Unser Gesichtssinn wird durch unsere Mitmenschen am meisten dann beleidigt, wenn diese die Vorbaue und Eingänge ihrer Sinnesorgane, der sogenannten Pforten des Geistes, in Unordnung halten. Man bedenke doch: daß das Auge der Spiegel der Seele (des Geistes) sein soll, in welchem Verliebte ihren Himmel sehen wollen; daß die Nase, durch welche der Charakter des menschlichen Antlitzes am entschiedensten bezeichnet wird, gewissermaßen der Ausläufer der Stirn und des hinter der Stirn in der Schädelhöhle geborgenen Verstandestheiles des Gehirnes ist; daß der Mund als Dolmetscher des Geistes und Herzens angesehen wird und daß das Ohr, nach Carus, das wichtigste und vielsagendste Organ der psychischen Entfaltung genannt werden darf, daß es der Sinn des Tiefinnerlichen ist, der Sinn des Geheimnisses, der Sinn, welcher die Welt in den Menschen hineinzutragen bestimmt ist.

Am menschlichen Auge bildet oft die entzündliche Röthung des Augenlidrandes, sowie die vermehrte Absonderung von Schleim und Augenbutter, die sich durch gelbliche Klümpchen oder weißliche eiterige Tropfen im innern Augenwinkel und durch Grindchen um die Wimpern bemerklich macht, einen eklichen Rahmen um den Spiegel der Seele. Oft trägt die Einwirkung von Zugluft, Staub, Rauch, scharfen Dünsten und großer Hitze die Schuld an diesem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_676.jpg&oldid=- (Version vom 15.2.2020)