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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Mit besonderer Wärme und, wie es schien, mit besonderer Vorliebe verweilte der Redner bei der neuen Institution des Criminal- und Polizeigerichts, und der dadurch auch für Strafsachen neu geschaffenen zweiten Instanz. Wie er hier, gerade durch seine Wärme, einen gefährlichen Weg betreten hatte, davon nachher noch. Er schloß über diesen Punkt mit folgenden schönen Worten:

„Wie oft übersieht doch der Mensch etwas, und geräth in Irrthum! Ja, getreue, liebe Mitlandleute, der Pfad des Rechtsganges ist oft schlüpfrig und schmal, der Abgrund rechts und links aber schauerlich, sowohl für den gewissenhaften Richter, als für die zu Richtenden. Sichern und schützen wir diesen wichtigen Pfad mit jenen Schutzwehren, die wir zu geben im Stande, die wir zu geben verpflichtet sind! Und wissen wir der Freiheit neue Stützen zu verleihen, wissen wir die Rechte des Menschen und dessen Freiheiten zu sichern und zu befestigen, so möge doch Keiner solches ungeprüft nur aus Vorurtheil verhindern!“

Der so einfach vorgetragene und darum um so tiefer ergreifende Schluß der ganzen Rede lautete:

„Herr Landammann, meine Herren, getreue, liebe Mitlandleute und Bundesgenossen! Es war mir ein wahres Wohlthun, zur Erreichung besserer Rechtsmittel, zur Beruhigung so mancher Unglücklichen, zum Schutz und Troste der Unschuldigen das Meinige gewissenhaft beizutragen; – und in Wahrheit, ich habe das nun nach Möglichkeit gethan –, ich habe gesagt, was mir meine innere Stimme, mein Gewissen geboten hat. Mir ist nun leicht! – an Euch liegt der Entscheid. Stimmet, stimmet frei, wie nach reifer Prüfung auch Euer Gewissen Euch gebietet! Dazu verleihe Gott nun seinen Segen! Ja, um diesen wollen wir ihn, den Höchsten, in stillem Gebete bitten!“

Nach diesen Worten trat der Redner von der Brustwehr der Tribüne zurück. Er neigte sich und verblieb in stillem Gebete. Die ganze Versammlung folgte seinem Beispiele. Das Gebet dauerte fünf Minuten. Dann trat der Landammann wieder vor. Er hatte sich von dem Weibel seinen Hut zurückgeben lassen und bedeckte jetzt sein Haupt.

Die ganze Versammlung bedeckte sich nach ihm.

Bedeckten Hauptes wurde alles Folgende verhandelt.

Es wurde sofort zur Abstimmung über den Entwurf geschritten; er wurde nach der in der Schweiz üblichen Ausdrucksweise „ins Mehr gesetzt“.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Für alle Schnupfer! – Es wird in unsern Zeiten von Seiten der Behörden vielfach Sorge getragen, daß Vergiftungsfälle aller Art immer seltener werden. Man führt eine strengere Aufsicht über Nahrungsmittel und Getränke, welche der Gesundheit nachtheilig sein können oder der Verfälschung unterliegen, wie Pilze, Bier, Wein; man verbietet oder beschränkt oder regelt den Gebrauch der giftigen Farben bei Zuckerbackwerk, bei Tapeten, Rouleaux u. s. w., sowie den Verkauf von Giften zur Vertilgung schädlicher Thiere, man gebraucht Vorsichtsmaßregeln, um die Arbeiter in Hüttenwerken, Farbenfabriken u. s. w. gegen die schädlichen Einflüsse ihres Berufes zu schützen, kurz, man sucht die Gelegenheitsursachen zu Vergiftungen überall zu entfernen, wo man sie nur kennt.

In der letzten Zeit ist nun die Aufmerksamkeit der Aerzte wiederum auf eine Vergiftungsursache gerichtet worden, die man fast vergessen hatte: ich meine nämlich die Vergiftung durch den Gebrauch von bleihaltigem Schnupftabak. Es werden nun meine schnupfenden Leser vielleicht sagen, daß man ja gegenwärtig nur kochsalzhaltige und durchaus bleifreie Saucen zur Bereitung der Schnupftabake anwende. Allerdings ist dies ganz richtig, wohl aber werden noch sehr häufig die Schnupftabake in Blei verpackt, und es hat sich herausgestellt, daß der Tabak auch aus seiner Verpackung das Blei aufnimmt. Bei der chemischen Untersuchung verschiedener in Blei verpackter Schnupftabake hat sich gezeigt, daß das zwischen den Tabak und die Bleikappe gebrachte Papier die Auflösung des Bleis nicht hindert, daß die Verzinnung des Bleis ebenfalls keinen Schutz gewährt, und daß selbst das Staniol, das man häufig zur Verpackung anwendet, oft in beträchtlichem Grade bleihaltig ist.

Durch das fortgesetzte Schnupfen des bleihaltigen Tabaks wird nun das Blei allmählich dem Körper einverleibt, und erzeugt eine chronische Bleivergiftung (Bleidyskrasie, Bleikachexie). – Wenn größere Mengen Blei in kürzerer Zeit in den Körper eingeführt werden, so zeigt sich die unter dem Namen Bleikolik, Malerkolik bekannte Krankheit. Die Kranken werden von heftigen Unterleibsschmerzen befallen, die bald schnürend, bohrend, kneipend, besonders des Nachts auftreten. Damit ist hartnäckige Stuhlverstopfung verbunden, und es treten zugleich Gliederschmerzen ein, besonders in den Armen, meist gefolgt von Muskelkrämpfen, Taubsein, Eingeschlafensein, leisem Zittern. Endlich erfolgt Lähmung und häufig Schwund der am Vorderarm liegenden Streckmuskeln der Hände. Mitunter gesellen sich sogar Hirnaffectionen hinzu, und ein Glück ist es dann, wenn ein Schlagfluß dem Leiden der armen Kranken ein Ende macht.

Die Anfänge der Bleidyskrasie erkennt man besonders an dem eigenthümlich schieferfarbigen Zahnfleisch mit einem bläulichen Saume an den Zahnrändern. Die Kranken haben meist viel Durst und leiden an übelriechendem Athem, und verschiedenen Verdauungsbeschwerden, besonders Verstopfung. Gewöhnlich haben solche Kranke auch eine fahle, gelbe Hautfarbe.

Glücklicherweise sind nun nicht alle Menschen für die schädlichen Einflüsse des Bleis gleich empfänglich, auch treten nicht bei allen Kranken alle die oben angeführten Erscheinungen so deutlich auf, daß sie Gegenstand ärztlicher Behandlung würden. In der Regel zeigen sich bei Leuten, die lange bleihaltigen Tabak geschnupft haben, in Pausen von 4 bis 6 Wochen bis zu einem Jahre mehrere Kolikanfälle der oben angegebenen Art, und allmählich bemerken die Kranken eine Schwäche in den Fingern, die sich bald als Lähmung, besonders des dritten und vierten Fingers, darstellt. Die Finger hängen meist herab, und können nicht gehoben und nicht von einander gespreizt werden. Hierdurch wird die Hand natürlich zu vielen Bewegungen sehr ungeschickt. Durch die Anwendung des elektrischen Stromes auf die einzelnen Muskeln (Faradisation, Gartenlaube Jahrgang 1856. Nr. 36.) ist es gelungen, die gelähmten Muskeln genau zu bestimmen. Diese sind nämlich bei der Bleilähmung unempfindlich gegen den elektrischen Reiz, und ziehen sich bei dessen Einwirkung nicht zusammen (contrahiren sich nicht), während ein gesunder Muskel dies immer thut.

Die ärztliche Behandlung dieser chronischen Bleivergiftung besteht nun in salzigen Abführmitteln, Bitterwässern, neben guter Kost und Schwefelbädern, um das Blei unwirksam zu machen und wieder gutes Blut zu bilden. Die einzelnen gelähmten Muskeln müssen elektrisch gereizt (faradisirt) werden und erlangen so, freilich oft erst nach Monate langer, mühevoller Behandlung meist ihre Beweglichkeit, Fülle und Kraft wieder.

Von den Schnupftabaken, die bei der chemischen Untersuchung mehr oder minder erheblichen Bleigehalt zeigten, erwähne ich folgende:

1) Rapé Nr. 4 von Lotzbeck, in Blei und Papier gepackt.
2) Virginie haut-goût von Bussierre, Mautz u. Comp. in Offenbach. Blei- und Papierverpackung.
3) Tabak von Gleich in Berlin, in Blei gepackt.
4) Marocco Nr. 1. von Gebr. Bernard in Offenbach. Blei- und Papierverpackung.
5) Robillard von Gebr. Bernard in Offenbach.
6) Grand Cardinal von Franz Foveaux in Cöln.
7) Importirter Bahia Rapé de Meunon et Comp.
8) Rapé d’Hollanda fin von Bolongavo Crevenna in Frankfurt a. M.

Dies sind jedoch nur einige bei Gelegenheit von Erkrankungsfällen untersuchte Tabake und es sind deshalb die hier nicht aufgeführten nicht alle als bleifrei anzunehmen. So lange nicht von Seiten der Behörden jedwede Metallverpackung streng untersagt und etwa eine Guttapercha-Verpackung eingeführt wird, ist daher allen Schnupfern zu rathen, daß sie sich ihren Tabak von einem Chemiker vor dem Gebrauch genau untersuchen lassen, um sich vor etwaiger Bleivergiftung zu hüten.

Dr. B. A. Erdmann[WS 1] in D.




Rawald, der jetzige Besitzer des Jahn’schen Hauses in Freiburg a. U., beabsichtigt das reizend gelegene Grundstück zu verkaufen. Es knüpfen sich an dieses Haus für alle persönlichen und sonstigen Freunde des alten Turnvaters so viele Erinnerungen, daß es sich wohl der Mühe lohnte, das schöne, verhältnißmäßig sehr billige Haus mit Garten, in dem der alte „Biederdeutsche“ so oft arbeitete und ruhte, in Hände gelangen zu lassen, die diesen Erinnerungen etwas Rechnung trügen.


Bei Ernst Keil in Leipzig erschien so eben:

Das
Wasser und seine Quellen.
Von

Dr. Heinrich Birnbaum.
Mit 7 Abbildungen.

11 Bogen. – eleg. brosch. Preis 12 Neugroschen.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Bernhard Arthur Erdmann, Vorlage: Endmann
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 680. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_680.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2021)