Seite:Die Gartenlaube (1858) 687.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Rückenform, seinem langen, dicken Halse und dem stets horizontal vorgestreckten Kopfe, seinen eingeschnittenen Weichen und den plumpen, in breiten Ballen endigenden Beinen. Und doch gehören alle diese Formen zu den Bedingungen seiner Nützlichkeit. Seine Höcker sind wie zum Aufpacken umfangreicher Lasten geschaffen, mit seinem langen Halse kann es selbst im gewöhnlichen Schritt die am Wege, selbst in Felsenspalten stehenden Kräuter erreichen, welche von den beweglichen gespaltenen Lippen und den für einen Wiederkäuer auffallenden Zähnen passend gepackt werden, selbst wenn sie stachlig sind. Die kräftigen Beine mit den breiten Ballen verhindern das Einsinken in nachgibigen Boden, und selbst die eingeschnittenen Weichen scheinen allein die eigenthümliche Art des Niederlegens und Liegens zu ermöglichen, welche den Kameelen und den in dieser Hinsicht gleichgeformten Lama’s eigenthümlich ist, und welche denselben gestattet, in liegender Stellung bepackt sich zu erheben. Es ist daher zu bewundern, daß erst in diesem Jahre der erste energische Versuch gemacht wurde, das Kameel in Nordamerika einzuführen und zum Transport durch wasser- und pflanzenarme Gegenden zu verwenden. Von hundert nach Texas verschifften Kameelen wurde der vierte Theil als Probe zu einer weiten Expedition verwendet, bei welcher die Thiere schließlich sogar den Colorado schwimmend zu kreuzen hatten, und sie bewährten sich auf der ganzen Reise und auch bei dieser letzten Probe, auf welche man sehr gespannt war, vollkommen, so daß sie möglicherweise von nun an einen bedeutenden Einfluß auf die dortigen Culturverhältnisse ausüben werden und bei dem Anblicke künftiger Karawanen sich Mancher nach Afrika und Westasien versetzt glauben wird.

Die Damhirsche nebenan, ein starkes Rudel bildend, bieten durch die Schönheit ihrer Gestalt und oft schön gefleckten Färbung einen anziehenden Gegensatz zu den großen unförmlichen Kameelen. Auch sie sind unsern Lesern bereits so geschildert, daß wir sofort und im Fluge noch die Schweinewirthschaft in’s Auge fassen, welche im vollsten Sinne des Wortes von den grunzenden und quiekenden Nachbarn nebenan geführt wird. Bis über die Ohren liegt der wilde Eber im Schlamm und, nicht zufrieden damit, ist er mit dem Rüssel noch beschäftigt, neue Quantitäten dieses Materials auf sich zu bringen.

Doch horch – ein donnerndes Gebrüll schallt uns ganz in der Nähe aus dem dichten Gebüsch in’s Ohr. Erschrocken stehen wir still und fühlen uns gemahnt, wie wohl manchmal der Eingeborene oder Reisende in Afrika in ähnlicher Weise geschreckt werden mag, vielleicht, um nicht wieder davon zu erzählen. Wir nahen uns, und plötzlich springt mit einem gewaltigen Satze der Löwe, der unser Kommen gehört und lauernd im Sande gelegen hat, uns entgegen! Niemals fühlt man sich so sicher bei diesem Anblicke, daß man nicht seine Schritte hemmt oder gar zurückfährt, so wenig denkt man in solchem Augenblicke an das schützende Eisengitter. Da steht er, der Gewaltige, und blickt uns, obgleich Gefangener, herausfordernd und stolz an.

Der vor uns stehende Löwe ist ein schönes und lebensvolles Exemplar. Gleich einer Bronze-Statue schimmert sein glattes Fell in der Sonne und die an Leib und Schenkel hervortretenden feinen Adern vollenden das Noble seiner Erscheinung. Straff steht, ein Zeichen von Gesundheit und Kraft, das Mähnenhaar nach allen Seiten von Kopf und Hals ab und in seinen entschiedenen Bewegungen prägt sich das Gefühl der überlegenen Stärke aus. Wie viel mehr schleichen die anderen großen Katzenarten, die sich zugleich hier befinden, in ihren Käfigen umher, z. B. der schwarze Panther, welcher, wenn sein schwarzer Kopf mit den grünleuchtenden Augen und den blinkenden Zähnen den Beschauer anfletscht, einen wahrhaft diabolischen Eindruck macht! Selbst der Tiger, obgleich gewiß ein schönes Thier und eigentlich das Ideal der Raubthiere, hat weder in Haltung noch Bewegung den Ausdruck des Majestätischen, wodurch der Löwe allgemein berühmt ist. Gerade die größere Gelenkigkeit seiner Glieder, welche er vor dem letzteren voraus hat, nimmt dem Auftreten derselben einigermaßen das Entschiedene, was die Bewegungen des Löwen besonders kennzeichnet. Zwei andere noch hier befindliche Löwen sind jünger und weniger schön, dagegen gewährt das Leoparden-Paar einen herrlichen Anblick, wenn der eine den in ihrem Behälter aufgerichteten Baumstamm erklettert und, von dem andern spielend ergriffen, sich von oben durch blitzschnelle Tatzenhiebe vertheidigt.

Bei dem Anblicke dieser verschiedenartigen Raubthiere aus dem Katzengeschlechte wird man leicht an die Stellung erinnert, welche dieselben dem Ureinwohner ihrer Heimath, sowie dem civilisirten Europäer gegenüber einnehmen. Stetig weicht der Löwe in Algerien vor den Kugeln der Franzosen, insbesondere des Löwentödter’s Gerard, zurück, während er bis zu ihrer Ankunft der Schrecken der Araber gewesen ist. In manchen andern Theilen Afrika’s, dieser Domaine des Löwen, wagen die Eingebornen gar nicht, sich ihm zu widersetzen, und erst der Europäer oder dessen Feuergewehr wird sein Gegner. In Indien scheint trotz der verfolgenden Engländer der Tiger nur langsam an Terrain zu verlieren, offenbar eine Folge der dortigen Vegetation, und es ist sicher, daß mit der Unordnung, welche durch den jetzigen Krieg dort entstanden ist, auch die Herrschaft dieses „Menschenfressers“ sich wieder erweitert hat. Daß Kriege allemal diese Folge haben, ist eben so natürlich als bekannt. Im Winter 1812–13 kamen die Wölfe aus Rußland im Gefolge der Armeen bis in’s Innere von Deutschland herein, auch der letzte Krieg in Ungarn hatte eine ungeheuere Vermehrung der Wölfe, Füchse, selbst Bären im Gefolge und Jahre gehören dazu, um die Thiere wieder zu verdrängen. Aber auch andere Ursachen können hier wirken, wie denn z. B. in Polen das Verbot des Führens von Schießgewehren ungestörte Vermehrung der Wölfe zur Folge hat und haben muß. Unzugängliche, dünn bevölkerte Gegenden sind natürlich Hauptbedingung einer Raubthierexistenz, und Südamerika mit seinen Wäldern wird daher gewiß noch sehr lange das Paradies des Jaguars, jenes dritten Herrschers im Katzengeschlechte, sein. In diesem Jahre allein wurden dort bei Rosario, einem am Parana gelegenen Orte, elf Jaguars gefangen oder erlegt, welche bei der letzten Ueberschwemmung dieses Stromes auf schwimmenden Inseln herabgeschwommen kamen, und in Gesellschaft anderer unfreiwilliger Passagiere, als Rehe, Hirsche, Wasserschweine, den Einwohnern der umliegenden Ortschaften zur willkommenen Beute wurden.

Der Riese der Landthiere, neben einem neuholländischen und einem amerikanischen Strauße wohnend, empfängt uns, ohne sich im mindesten in seinem Tagewerk stören zu lassen. Mit einem groben, von der Spitze seines Rüssels gepackten Leinwandlappen bewaffnet, ist er unaufhörlich beschäftigt, sich der ihn plagenden Stechfliegen zu erwehren. In mächtigen Schwingungen fliegt klatschend der eigenthümliche Fliegenwedel bald rechts, bald links, bald zwischen den Vorderbeinen hindurch an den Bauch, manchmal auch auf Schultern und Rücken, von wo er dann abgeschüttelt und mit dem Rüssel wieder aufgefangen wird, um von Neuem zu beginnen. Manchmal läßt auch der Rüssel den Lumpen plötzlich los, um ohne Hülfe mit einem gutgezielten wuchtigen Schlage den Feind, dem doch ein Stich gelungen, zu treffen. Zu Dutzenden ist das Schlachtfeld mit den Leichen der Gefallenen besät, aber neue Schaaren füllen stets ihre Lücken wieder aus. Freilich, wenn der Elephant seine Künste (welche die gewöhnlichen sind) zeigen muß, dann ist er seinen Peinigern preisgegeben, aber alles Verwendbare, z.B. Peitsche, Taschentuch, benutzt er deswegen auch schnell einige Augenblicke, ehe er es pflichtschuldigst seinem Wärter übergibt. Daß übrigens sein Lappen nicht lange vorhält, kann man sich denken; nach Verlauf einiger Wochen muß derselbe stets durch einen neuen, gut gesäumten ersetzt werden, welche Instandhaltung der Garderobe die Pflicht des Wärters ist.

Merkwürdigerweise scheint beim Ankauf dieses Elephanten für den zoologischen Garten von Seiten des Verkäufers der nicht ganz mißlungene Versuch gemacht worden zu sein, das Thier für ein männliches auszugeben, obgleich bei der Größe des Thieres der Mangel der Stoßzähne schon gar keinen Irrthum zulassen konnte.

Nichts hört wohl der Elephant so oft, als das Schnauben und Brummen seiner Nachbarn, der braunen Bären, deren Zwinger gleich den Resten eines mittelalterlichen Bauwerkes hinter dem Gebüsch hervorragt. Er bildet gleichsam einen hohlen Thurm, an dessen Außenseiten man auf Treppen bis zu seinem oberen umgitterten Rande emporsteigt und so von oben das Treiben der Bewohner erblickt. Außer zwei nebenan befindlichen Bären wird gegenwärtig die Bewohnerschaft aus fünf der Familie Petz angehörigen Mitgliedern gebildet: einer Bärin mit zwei erwachsenen Söhnen und deren Tante, sowie einem Hausfreund. In der Mitte ihres gepflasterten Fußbodens und am Rande eines Wasserbassins ragt ein in große Aeste sich theilender Baumstamm bis zur Höhe des oberen Mauerrandes empor, und mit mächtigen Schritten und die Vorderglieder fast wie menschliche Arme gebrauchend, steigt sofort einer der zottigen Burschen bis zur Spitze des Baumes, wenn sich Besucher

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_687.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)