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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Die Gestalt des Schiffes ferner macht dasselbe stärker, als die übrigen, und gewährt dem Winde und den Wogen weit weniger Fläche, so daß die Gefahr durch schwere Wogen und durch Sturm ebenfalls verringert wird. Von je weniger Schwere das Schiff selbst ist, um so mehr Fracht kann es führen und um so weniger nimmt die Last des Schiffes allein von der bewegenden Kraft in Anspruch. Mit 200 Tonnen Kohlen an Bord wird dieser Dampfer 200 Passagiere, die Briefbeutel und werthvolle Fracht, wie Geld etc. befördern können und wir glauben, daß er die Fahrt nach England binnen vier Tagen zurücklegt.

„In Folge dieser raschen Fahrt können die Fahr- und Frachtpreise sehr bedeutend herabgesetzt werden und da eine Verminderung der Kostspieligkeit der Seereisen und des Seetransports, bei Erhöhung der Sicherheit, ein Gewinn für die Nationen ist, so dürfen wir wohl auf besondere Beachtung unseres Unternehmens rechnen.“




Eine Rose des Morgenlandes.

Schon mehrere Jahre sind vergangen, seit ich den letzten Becher aus des Niles Fluthen zum Abschiede trank, und noch immer habe ich die Wahrheit des arabischen Wortes: „Wer einmal den Nil gekostet hat, dem läßt die Sehnsucht keine Ruhe, bis er wiederkehrt zu seinen palmenbestandenen Ufern,“ nicht durch die That beweisen können, so gern ich auch wollte. Hundert Bande, die zu sprengen ich zu schwach bin, fesseln mich hier in der Heimath; nur der Geist kann sich ergehen auf jenen Lichtgefilden des Morgenlandes, welche mir lieb und theuer geworden sind, wie die Stätte meiner Geburt. Gar oft will mir ein eignes Sehnen im Herzen sagen, daß jene Länder mir zur zweiten Heimath geworden seien; denn niemals habe ich es vermocht, diese Sehnsucht von dem bittersüßen Heimweh zu unterscheiden. Ich sehne mich aber nicht blos nach den Ländern im Osten, sondern auch recht innig zuweilen nach Menschen, lieben, guten Menschen von dort her, welche mir einst theuer und werth waren. Gar befreundete Gestalten treten vor mein inneres Auge, wenn ich das alte, zerlesene Buch meiner Erinnerungen wieder aufschlage; jedoch ist unter ihnen allen kaum eine, welche sich mit der einen Rose vergleichen ließe. Ihr Duft hat mich eine Zeit lang berauscht, und weht heute noch oft herein in meine Gedanken und Träume. Es war ein frisch-milder, lieblich-wohliger Duft, den jene Rose vorstreute, und heut zu Tage noch kann ich traurig werden, wenn ich an sie denke. Wenn ich doch einmal mir die Brust schmücken könnte mit dieser Rose!

Ich war in den Tagen, von denen ich reden will, ein munterer Bursch von kaum mehr als zwanzig Jahren, welcher trotz mancher sehr ernsten Erlebnisse lustig in die Welt hinaussah, und fröhlich übermüthig alle übrigen Adamskinder nur als Gegenstände seiner Heiterkeit oder seines Spottes betrachtete. Ein hübsches Stückchen Erde hatte ich bereits gesehen; mit verschiedenen Völkern hatte ich mich vertraut gemacht; Italienisch und Arabisch, die beiden Hauptsprachen für den europäischen Reisenden, waren mir geläufig geworden. Da führte mich mein unstätes Jägerleben auch nach einer der bedeutendsten Städte des untern Egyptens, in deren Nähe ein großer, jagdreicher See sich ausbreitet. Die Stadt liegt reizend. Ein Arm des Nils geht mitten durch sie hindurch, Palmenwälder umhegen sie, und in nicht allzu großer Ferne bildet ein Stückchen Meer den prachtvollen Rahmen zu dem am wenigsten anziehenden Theile des Rundbildes, das man von den platten Dächern der höheren Häuser der Stadt genießt. Man hatte mir in Kairo Empfehlungsbriefe an einige der reichsten und deshalb angesehenen christlichen Bewohner der Stadt mitgegeben, welche mir sogleich nach meiner Ankunft eine Wohnung verschafften, wie ich sie gern habe. Kahil, so hieß mein Gastfreund, räumte mir und meinen Dienern mehrere Zimmer in einer alten „Wekahle“ ein, welche nur von Christen bewohnt wurde.

Um meinen deutschen Lesern die nöthige Beschreibung dieser Wohnung zu geben, muß ich wohl erst sagen, daß „Wekahle“ eigentlich ein verwaltetes Gut bezeichnet, gewöhnlich aber als Benennung eines großen Gebäudehaufens gilt, dessen untere Räumlichkeiten Waarenlager sind, während die oberen von verschiedenen Familien bewohnt werden. Meist sind diese Wekahlaht schon alt und mehr oder weniger zerfallen; im Hofe gibt es ein wirres Durcheinander von Gängen, Thüren, Winkeln, Ecken, in der Höhe malerische Erker mit kostbarem alten Gitterwerk, in welchem der ganze, große Reichthum einer arabischen Künstlerseele sich geltend gemacht hat, jetzt aber einzelne Stäbe oder größere Theile herausgebrochen sind, gleichsam, um ein Malerauge noch unwiderstehlicher zu fesseln, als es ohnehin geschieht. Dazu fällt nun das reiche Licht des Südens auf Mauer und Wände und webt und dichtet mit den alten Gittern, Erkern, Ecken, Winkeln, Vorsprüngen auf den buntfarbigen Mauern Gemälde zusammen, deren Reiz so gewaltig ist, daß sie auch das trockenste Menschengemüth mächtig ergreifen. In einem solchen Hause zu wohnen, ist gar ein eigener Genuß. Bald lacht die Sonne hell durch’s Fenster herein in’s alterthümliche, arabisch-märchenhafte Zimmer, bald wirft sie nur noch Streiflichter an irgend eine Wand desselben, bald schielt und schafft sie an einer anderen Hofseite mit Schatten und Licht; bald läßt der Wind den ziemlich einsam Hausenden durch die sich sanft und anmuthig neigenden Palmenhäupter, welche überall hereinsehen, grüßen; bald fesselt ein morgenländisches Menschengetriebe unten im Hofe die Aufmerksamkeit. Nach des Tages ununterbrochenem Wechsel haucht dann das Abendroth noch seine duftigen Farbentöne über die Halbtrümmer, und der Mond versucht es, das in Silber nachzumalen, was die Sonne in glühenden Goldfarben mit südlicher Meisterschaft vorgemalt hatte. Dann wird es still genug, um die Klänge des „Soht“, einer Art liegender Harfe, zu vernehmen, welche die einfache, wehmüthig ernste Weise begleiten, in die ein schmachtendes oder still beglücktes Menschenherz irgend ein Schasol einhüllt, weil dieses schier allzureich ist an Pracht und Fülle des Gedankens, Lieblichkeit und Anmuth des Wortes, als daß es so unverhüllt seine berauschenden Blüthen entfalten könnte. In einem derartigen Hause wohnte ich.

Meine Wohnung war von den übrigen streng geschieden. Wenn man von der Straße aus durch das große Hufeisenbogenthor hereintrat, kam man in eine Art Vorhalle mit einer prächtig alten, zerfallenen Holzdecke; zwei Treppen mit ziemlich unregelmäßigen Stufen führten rechts und links nach den oberen Geschossen. Man betrat nun einen breiten, durch Oberlicht erleuchteten Gang, in welchem die Eingangsthüren zu den einzelnen Wohnungen lagen. Die siebente oder achte Thüre führte zu meiner Behausung. Diese war im Ganzen einfach und klein. Eine Küche, ein Vorsaal und ein Zimmer lagen im ersten Geschoß, zwei Zimmer im zweiten. Von hier aus stieg man vermittelst einer Holztreppe zu dem platten Dache hinauf, welches mit hohen Mauern umhegt war und keinen Blick auf die Terrassen meiner Nachbarn gestattete, zum Glück aber noch einen Oberbau besaß, von wo aus das Auge nicht nur alle übrigen Terrassen des Hauses, sondern auch einen großen Theil der Stadt und das weite, in Fülle schwelgende Flachland beherrschen konnte. Was kümmerte es mich, daß allen früheren Bewohnern meines Haustheiles diese Höhe als heilige Stätte erschienen war, welche ihr Fuß nicht zu betreten wagte – weil sie von dort aus leicht irgend eine Frau der Nachbarn gesehen haben könnten! Ich wußte, daß meine Nachbarn Christen waren, und deshalb auf ihre Frauen unmöglich die eigentliche Bedeutung des Wortes „Harem“ – d. i. das Unantastbare – angewendet werden konnte; darum stieg ich unbesorgt allabendlich auf das Dach jenes kleinen Terrassenstübchens hinauf. Von da aber hatte ich eine so reizende Aussicht! Die Sonne ging jedesmal prachtvoll hinter einem dünnbestandenen Palmenwalde unter, und malte dann immer einen so überaus herrlichen Goldgrund zu dem Palmenbilde, daß jede einzelne Krone nicht nur scharf und deutlich davon abstach, sondern auch eine Farbe annahm, welche mir so wunderbar vorkam, daß ich mich gar nicht satt sehen konnte. Und das war noch durchaus nicht das Einzige, was ich sah. Jenes Zauberspiel des Lichtes, welches ich im Kleinen im Innern der Wekahle bemerkte, war auch über die Häuserreihen an beiden Ufern des Stromes verbreitet und dort von noch ganz anderer Wirkung – ich bin gar nicht im Stande zu beschreiben, von welcher. Nur das kann ich sagen, daß die kühnsten Gebilde meiner Einbildungskraft noch unendlich weit von der Wirklichkeit übertroffen wurden. Jeder Abend dort oben webte mir neue, gleich bunte und gleich liebe Träume um das Herz,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 694. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_694.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2018)