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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Fieber bemerklich ist. Bisweilen springt die heisere, rauhe und tonlose Stimme in hohe Fisteltöne über, so daß sie dem Krähen junger Hähne ähnelt.

Stirbt das kranke Kind nicht in einem Croupanfalle an Erstickung, sondern schreitet die Krankheit noch weiter vorwärts, dann treten jene plötzlich erscheinenden Anfälle in den Hintergrund und machen einem Zustande bleibender Athemnoth Platz. Der Athem ist jetzt jagend, unregelmäßig, sägend und pfeifend, die Stimme klanglos, die Miene leidend, ängstlich und lufthungrig, die Lippen sind blau und die Gliedmaaßen kühl, die Haut ist trocken oder mit klebrigem Schweiße bedeckt. Das in leichter Betäubung liegende und in der Erstickungsangst unruhig sich hin- und herwerfende Kind wirft öfters unter gewaltsamen Athemholen den Kopf zurück; die Brust wird dabei nur mit größter Anstrengung gehoben und die Kehle gewaltsam gegen das Brustbein gedrückt. Unter immer mehr und mehr zunehmender Athemnoth erstickt endlich das Kind, nachdem manchmal zuletzt noch allgemeine Convulsionen eintraten.

Von der allergrößten Wichtigkeit für das frühzeitige Erkennen des beginnenden Croup ist: die Schmerzhaftigkeit der Kehle (des Kehlkopfs und der Luftröhre) und der entzündliche Zustand des Rachens. Die Erfahrung hat nämlich gelehrt, daß in den meisten Fällen die Entzündung im Rachen (an und hinter den Mandeln) beginnt und von hier aus in den Kehlkopf hinabsteigt. Deshalb versäume man nie beim Husten eines Kindes mit Fieber und Heiserkeit, die Kehle zu befühlen und zu drücken, um zu wissen, ob sie schmerzhaft ist (was bei kleinen Kindern bisweilen nur aus ihrem Gebahren beim Drücken ersichtlich wird). Sodann unterlasse man es auch nie, den Gaumen und Rachen bei tiefniedergedrückter Zunge (oder mittels Zuhaltens der Nasenlöcher) zu besichtigen. Finden sich die letztern Theile entzündet (stark geschwollen und geröthet) und mit weißlichgrauen Faserstoffgerinnseln bedeckt, dann suche man den Uebergang der Entzündung in den Athmungsapparat durch Bestreichen der entzündeten Theile mit Höllenstein oder durch Bepinseln mit concentrirter Höllensteinlösung, zu verhindern. Auch kann jetzt schon ein Brechmittel vorbauend wirken.

Geht die Krankheit in Genesung aus, dann nimmt das Fieber und die Athemnoth, sowie Husten und Heiserkeit allmählich ab, der Husten wird feucht und an die Stelle des trockenen und pfeifenden Athmens tritt Schleimrasseln. Zuweilen werden dann die im Kehlkopfe und in der Luftröhre befindlichen (Faserstoff-) Gerinnsel in röhrigen und fetzigen Stücken ausgeworfen, nicht selten aber auch von den Kindern sofort verschluckt, wenn sie aus jenen Athmungswegen in die Mundhöhle ausgestoßen wurden. Doch ist die Entfernung der Gerinnsel aus den Luftwegen keineswegs zur Heilung durchaus erforderlich, ebensowenig wie die Ausstoßung derselben eine Garantie der Heilung gibt. Es können jene festen Gerinnsel nämlich zerfließen und dann noch innerhalb der Luftwege weggesogen werden; die ausgeworfenen können sich aber durch neugebildete ersetzen. Mitunter bleibt auch nach Heilung des Croup noch kürzere oder längere Zeit die Stimme etwas rauh und heiser.

Was die Behandlung des Croup betrifft, so kann diese nur von einem wissenschaftlich gebildeten Arzte richtig geleitet werden. Höchstens könnten die Angehörigen eines croupkranken Kindes durch öfteres Brechenlassen desselben (mit Hülfe von Brechwein oder Kitzeln des Rachens mit einem Federbarte) die Gefahr verringern. Auch mögen dieselben durch Herstellung einer feuchtwarmen Luft im Krankenzimmer (durch Verdampfen kochenden Wassers), sowie durch warme Ueberschläge (Breiumschläge, Schwämme in heißes Wasser getaucht) auf den Hals des Kindes, das Zerweichen der Gerinnsel in den Luftwegen zu unterstützen suchen; sodann ist dem Kinde öfters eine geringe Menge eines lauwarmen Getränkes und reizlose, flüssige Nahrung, am besten warme Milch, darzureichen. Von allen Behandlungsarten verdient übrigens die zweckmäßige Verbindung und Abwechselung der Brechmittel mit den örtlichen Aetzungen der Rachen- und Kehlkopfsschleimhaut mittels Höllenstein das meiste Vertrauen, denn sie hat am häufigsten noch geholfen. – Das letzte und oft nur einzig noch Erfolg versprechende Mittel, aber in manchen Fällen ein ganz vortreffliches, weil lebenrettendes Mittel, ist der Luftröhrenschnitt. Freilich muß derselbe zum richtigen Zeitpunkte, nicht zu spät, beim schon sterbenden Kinde gemacht werden, wie dies früher gewöhnlich geschah, weshalb auch diese Operation einige Zeit als nutzlos in Mißcredit gekommen war. Aber ganz mit Unrecht; Roser erzielte damit in 13 Fällen 6mal und Passavant unter 9 Fällen 4mal Heilung. Trousseau hat unter 222 Fällen 127 mal Rettung vom Tode durch diese Operation gesehen. Jedenfalls ist es die Pflicht jedes gewissenhaften Arztes, auch wenn er zu spät herbeigerufen wird, doch noch den Luftröhrenschnitt als das möglicher Weise noch einzig rettende Mittel ohne Verzug vorzunehmen. Wenn in einem homöopathischen Arzneischatze gesagt wird, daß durch die famose Luftröhrenschneiderei, welche die Verlegenheit der alten Schule neuerdings ersonnen hat, nicht weniger sterben, als sonst, so beweist dies nur, wie wenig ein Homöopath von der Wissenschaft weiß.

Die Genesungsperiode bei einem Croupkranken verlangt sorgfältige Schonung. Vorzüglich behüte man denselben längere Zeit vor Einathmungen kalter Luft, vor Schreien und Singen; man lasse Hals und Füße warm halten, später jedoch nach und nach den Hals durch Entblößungen und kalte Waschungen gegen Kälte unempfindlicher machen (abhärten). Reizende Nahrungsmittel dürfen natürlich nicht gereicht werden.

Schließlich warne ich nochmals vor der Homöopathie beim Croup. Denn Brechen, was doch bei dieser Krankheit ganz unentbehrlich ist, können die Homöopathen durch ihre Arzneigaben (Nichtse) natürlich ebensowenig erzielen, wie überhaupt einen reellen Effect. Deshalb kann denn auch Herr Dr. Clotar Müller in seinem Haus- und Familienarzte nicht anders, als beim Croup Brechweinstein in allopathischer Dose zu empfehlen, um die Verstopfung der Luftröhre zu beseitigen und – „um den homöopathischen Arzneimitteln Zeit zu ihrer Einwirkung zu verschaffen.“ – Daß den homöopathischen Aerzten so selten croupkranke Kinder sterben, ist ganz natürlich und erklärt sich dadurch, daß, wenn die Gefahr bei dieser Krankheit wächst, die Eltern stets das Vertrauen zur Homöopathie verlieren und nach einem allopathischen Arzte schicken. Nicht verschwiegen darf es übrigens zum Heile der Menschheit werden, daß dem Dr. und homöopathischen Physikus Goullon zu Weimar einmal die sechste Verdünnung der Pflanzenkohle (d. i. der millionste Theil eines Grans des indifferentesten Mittels) Rettung im höchsten Grade des Croup gebracht hat. Und Das sollte kein Vertrauen zur Homöopathie einflößen? .

Bock.




Land und Leute.
Nr. 13. Pußtenleben in Ungarn.
(Schluß.)
Ernte in der Pußta. – Theißfischer. – Eigenthümlichkeit der Theiß und Karpfenfang mit Harpunen. – Nationaltanz in der Csárda. – Ungarische Nationalmusik. – Reichthum Ungarns.

Diese weiten, ungeheuren Sümpfe entstehen durch die Ueberschwemmungen der Theiß, die sich durch diese Ebenen langsam und träge in den sonderbarsten Krümmungen hinzieht. Ihre Ufer sind an manchen Stellen so flach, daß sie bei Regen von den trüben Wellen übertreten werden, die sich dann weithin ergießen. Bei der großen Ueberschwemmung im Frühjahre 1854 standen eine Million und 300000 Joch Feld unter Wasser. Der Schaden war unberechenbar. Diesen zügellosen Ausbreitungen der Theiß werden jetzt Grenzen gesetzt durch die Regulirung ihres Bettes. Wenn dies großartige Unternehmen einmal beendet sein wird, so werden die Sümpfe größtentheils verschwinden und in fruchtbare Getreidefelder verwandelt sein.

Auffallend ist der Umstand, daß man in den Wirthshäusern dieser wilden Pußten beinahe nie einen Ungar, sondern fast immer Juden als Wirthe findet. Diese überwinden ihre angeborene Furchtsamkeit der Gewinnsucht zu Liebe, die hier, wo so verworrene Begriffe über Mein und Dein in manches kühnen Burschen Kopfe wohnen, ein weites Feld für ihre Industrie findet. Der Ungar ist nicht geschaffen zum Gastwirth, ihm fehlt der speculative Geist der Gewinnsucht, der sich vor dem Reichen in alle Formen der Unterthänigkeit schmiegt und dem Armen gegenüber in hochmüthige Gemeinheit umschlägt. Der Ungar bleibt selten gleichgültig gegen eine Bitte, aber immer taub gegen den Befehl eines Unbekannten,

mag ihm auch noch so reichliche Bezahlung seiner Dienste geboten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_040.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2023)