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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Um zu diesem Ziele zu gelangen, erforschte Frau von Cosel in einem Gespräche mit dem alten Doctor, was er über die Natur der Gifte wußte und wie er über die sympathetischen Künste dachte.

Der Alte trug ein gelehrtes Verzeichniß aller schädlichen mineralischen und vegetabilischen Stoffe vor, und begleitete höchst ergötzlich jedes einzelne Gift mit einem Geschichtchen, wie, an wem und wodurch es gewirkt hatte. Dabei passirten die rohen, wie die gebildeten Völker die Revue, und kein Volk der Erde gab es, das nicht durch irgend ein gelungenes Experiment vertreten war. Zuletzt, nachdem er die scandalösen Liebhabereien der römischen Kaiserinnen, die sich ihrer Gatten und ihrer Geliebten zu entledigen gewußt, abgethan, endigte er mit den kleinen Neckereien in Arsenik und Blausäure, welche die galanten Frauen in Paris Eine der Andern bereiteten. Die Gifte, die Katharina von Medicis zu bereiten verstand, und die so feiner Natur waren, daß sie nicht tödteten, sondern nur die Schönheit zerstörten, beschäftigten die Aufmerksamkeit der Gräfin ganz besonders. Sie sagte endlich scherzend, sie wünsche ein Paar solcher Handschuhe zu besitzen, die, inwendig mit einem sublimirten Pulver bestreut, der Haut alsbald eine häßliche Röthe beibrächten, die sich über die Arme und zuletzt über Gesicht und Hals verbreiteten und eine unheilbare, oft mit Erblindung begleitete Hautkrankheit nach sich zögen.

Doctor Volta, dem schon einmal durch ein ähnliches Ansinnen an seine Kunst ein häßlicher Proceß erwachsen war, – der, es fehlte wenig, ihn an den Galgen gebracht – weigerte sich anfangs standhaft, ein Paar Handschuhe, die die Gräfin aus ihrem Vorrath ihm reichte, auf diese Weise zu präpariren. Als aber die Dame nicht nachließ und große Belohnungen versprach, willigte er ein, doch unter der Bedingung: daß dieses schädliche Präparat durchaus nicht gegen ein Mitglied des königlichen Hauses angewendet werden dürfe, und dann: daß dabei seiner nie erwähnt werde.

Für Beides gab ihm die Gräfin Wort und Handschlag.


Nach einigen Tagen überbrachte der Italiener die verlangten Handschuhe, und reich beschenkt entließ ihn Frau von Cosel.

Sie nahm sich aber wohl in Acht, das Bestellte näher zu prüfen, und betrachtete das furchtbare Mittel zu ihrem Zweck nur aus der Entfernung mit einer Art scheuen Respects, indessen auch mit wohlgefälliger, lächelnder Miene. Mit einer feinen Zange faßte sie dann die Handschuhe an und verbarg sie wiederum in dem Kästchen, in welchem sie gelegen und ihr überreicht worden.

Die ersten Feste des Carnevals waren nahe. Die Damen, welche den Hof besuchten, ließen sich elegante Roben und Kopfzeuge aus Paris kommen. Da damals noch nicht feststehende Läden in Gebrauch waren, so wurden einzelnen wandernden Krämern, welche die Straße durchzogen und in den Häusern Einlaß fanden, die neuangekommenen und in Magazinen aufgestapelten Gegenstände anvertraut. Der Frauenputz wurde von Frauen umhergetragen, und unter diesen Weibern gab es schlaue Unterhändlerinnen aller Art. Kein Haus, wo blühende Töchter oder schöne Frauen lebten, war sicher, daß mit einem neuen Putz-Modestück nicht auch ein Briefchen einwanderte, das bestimmt war, gefährliche Verbindungen anzuknüpfen.

Gräfin Cosel beauftragte ihre Kammerfrau die ihre Vertraute und ihr treu ergeben war, in der Verkleidung einer solchen Unterhändlerin das Kästchen mit den Handschuhen an Magdalena Cuccini zu besorgen, und harrte dann in teuflischer Ruhe der Entwickelung des von ihr eingeleiteten Drama’s.

Unterdessen wuchs August’s Leidenschaft zu der schönen Venetianerin und die ihrige zu ihm in gleichem Maße.

Ueberdrüssig der Eifersucht, der herrschsüchtigen Laune und des ewigen Ränkespiels der Frau von Cosel, dachte der König in der That daran, diese zu verstoßen und jene an ihren Platz zu setzen.

Der Hof sah einer Katastrophe entgegen. Die schöne Schülerin Rosalba Carriera’s war der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit und sie war die Königin der Feste, die jetzt gefeiert wurden.

Plötzlich vernahm man, daß die schöne Magdalena durch ein Unwohlsein an’s Zimmer gefesselt sei.

Die Natur des Unwohlseins kam nicht zur Kenntniß des Publicums. Es erfuhren nur die Vertrautesten des Hofes, daß ein plötzliches, der Pest gleichkommendes Uebel die Unglückliche befallen und daß ein entstellender Ausschlag die Oberfläche ihres Körpers auf eine Weise bedecke, daß sie für ihre genausten Bekannten fast unkenntlich geworden.

Alles floh die Arme! Nur Rosalba Carriera wachte an ihrem Bette und blieb, bis Magdalena der Tod von ihrem Leiden erlöste. Auch war es nur Rosalba Carriera, die es wagte, laut und unumwunden auszusprechen, daß hier ein verruchtes Verbrechen im Spiele sei.

Die alten Geschichten von Vergiftungen wurden jetzt wieder hervorgesucht; August selbst wurde so widrig durch diesen Vorfall berührt, daß er bald nach dem Tode der jungen Venetianerin Dresden und seinen Carneval verließ und nach Warschau ging. Man behauptete, daß er sich vor der Cosel fürchte, der er das Schlimmste zutraute.

Das allgemeine Urtheil brandmarkte die Gräfin; allein jeder Beweis fehlte, und die Mächtige triumphirte auch hier über ihre Feinde, wie sie stets zu triumphiren gewohnt war! – Sie wollte August nach Warschau folgen, doch ein Befehl des Königs hieß sie in Dresden zurückbleiben.

So hatte ein schönes, seltsames, interessantes Wesen rasch die Erde verlassen; so hatte eine anmuthige Geschichte im Verlauf des Winters begonnen und ein trauriges, schreckliches Ende genommen.

Die Bilder und die Nachlassenschaft Magdalena’s erbte Rosalba Carriera. Unter dieser Nachlassenschaft befand sich ein „gelber Handschuh.“ Er flößte Rosalba durch den ihm eigenthümlichen Geruch Verdacht ein, und sie entsann sich, daß ihre Freundin ihn getragen, als sie zum letzten Male öffentlich bei einem Hoffeste erschienen war. Rosalba Carriera bewahrte ihn sorgfältig, um ihn, wenn sie einst aus dem Lande entfernt und nach Italien zurückgekehrt sei, der gelehrten Gesellschaft der Aerzte zu Bologna vorzulegen. Sie beabsichtigte dann, wenn sich ihr Verdacht bestärkte, öffentlich als Anklägerin gegen die Gräfin Cosel aufzutreten; denn Niemand anderes konnte ihrer Meinung nach die That vollbracht haben, die sie ahnte.

Der bald hierauf erfolgte Sturz der Gräfin Cosel und ihre Verbannung ließ dieses Unternehmen nicht zur Reife kommen. Doch eine Rache nahm Rosalba schon in Dresden an der gefürchteten Mächtigen. – Sie malte die drei Parzen, und Atropos, diejenige Parze, welche den Lebensfaden abschneidet, war das sehr ähnliche Portrait der Gräfin Cosel.

Diese Bilder sind in der Dresdner Gallerie. Sie hängen in dem Cabinet der Pastellgemälde, das vorzugsweise die Schöpfungen Rosalba Carriera’s enthält.

Die Sage erzählt ferner, daß die beiden andern Parzen, Klotho und Lachesis, die Portraits der Rosalba und Magdalena wären, und schenkt man dieser Tradition Glauben, würde dann in einem kleinen Raume zusammengedrängt die verfolgte Tugend, ihre Verfolgerin und ihr Schutzengel sich dem Beschauer darstellen, und diese Geschichte im Cyklus jener drei Bilder abgeschlossen sein.




Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 7. Die Jagd in den Hochalpen.
(Schluß.)


Mit trotziger Gebehrde schlug der kampfbegierige Hirsch sein stolzes Geweih – es war ein Zwölfender – an die Stämme einzeln stehender, verkrüppelter Fichten, so daß die Schale in langen Streifen ringsumher abflog und die Wipfel erzitterten. Dann trollte er mit vorgestrecktem, reichgemähntem Halse eine kleine Strecke vor, um das abseits getretene Schmalthier zum Trupp zu treiben, und umkreiste den letzteren. Mit in die Höhe gehaltenem Kopfe und emporgezogener Oberlippe die Atmosphäre seiner Auserwählten wollüstig einschlürfend, ließ er hinterher den Ruf erschallen, der jeden etwaigen Nebenbuhler schrecken sollte. All’ dieses leidenschaftliche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_059.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2017)