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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Diesen Worten, welche vom Herzen kamen und zum Herzen gingen, folgte der Segen, den ein Student noch über die Versammlung sprach. Unvergeßlich war der Eindruck, den diese Feier überall zurückließ.


III.
Das Autodafé.

Ein fröhliches Mittagsmahl vereinte die sämmtlichen Teilnehmer des Festes in dem berühmten Minnessängersaal der Wartburg. Dort wurde manches heitere Lied gesungen, mancher Toast „auf den Mann Gottes Doctor Martin Luther“ und „auf die Sieger bei Leipzig“ ausgebracht. Auch der Todten vergaß man nicht und die Namen „Schill, Scharnhorst und Körner“ klangen von den begeisterten Lippen, ihr Andenken ehrend.

So kam der Abend heran; ein großartiger Fackelzug sollte den Schluß des schönen Tages bilden. Bald strahlte der Markt im hellen Flammenglanz und purpurner Gluth. Von hier aus setzte sich der Zug in Bewegung nach dem der Wartburg gegenüberliegenden Wartenberge, wo der Eisenacher Landsturm mächtige Holzstöße, achtzehn an der Zahl, zuvor angezündet hatte zur Feier der Gegenwart und Mahnung an die Vergangenheit. Prächtig stieg die feurige Lohe zum nächtlichen Sternenhimmel auf, an dem der helle Mond erglänzte. Berg und Thal glühten von dem Wiederschein, und die alte Wartburg stand in wunderbarer Beleuchtung wie eine mittelalterliche Schildwacht, vom Lagerbrand beschienen. Der Wind blies schneidend kalt in die Scheiterhaufen und in das Fackelmeer, daß die hellen Funken um die Locken ihrer Träger stäubten. Die Lust war nur um so größer und der jugendliche Uebermuth, der bisher vor der Bedeutung des Tages zurückgetreten war, begann sich jetzt zu regen.

Während noch einige Redner das Wort ergriffen, sah man eine geschäftige Gruppe mehrere dunkle Ballen herbeischaffen. Aus dem Kreise der Studirenden trat Einer, Namens Maßmann, hervor mit einem Korbe voll Bücher und einer großen Heugabel in der Hand. Niemand außer seinen nächsten Freunden, die er in sein Vertrauen gezogen hatte, wußte, was er vorhatte; am wenigsten hatte der Festvorstand eine Ahnung von seinem Thun. – Er näherte sich dem Feuer und erinnerte an die Verbrennung der päpstlichen Bannbulle durch Luthers Hand.

„Das that Luther,“ sagte er, „mit dem Feinde der Glaubensfreiheit! So wollen auch wir durch die Flammen verzehren lassen das Andenken Derer, so das Vaterland geschändet haben durch Rath und That, und die Freiheit geknechtet und die Wahrheit und die Tugend verleugnet haben in ihrem Leben und in ihren Schriften. – Es ist wohl der rechte Augenblick gekommen in dieser heiligen Stunde, zu zeigen aller Welt, weß Geistes Kinder wir sind, welchen Geist wir meinen, daß blühen und gedeihen müsse im Vaterlande, welche Hehrgedanken das Leben erhalten und gestalten sollen, und wie der mildthätigen Liebe wir paaren sollen den tiefen, grimmigen Haß wider das Böse und Verkehrte und darum wider alle Bösen und Tauben im Vaterlande. Das soll unser Volk erfahren, das ist der treibende Gedanke zu diesem ernsten Schritte, der Manchem ein Gericht sein wird seiner Thaten, Gedanken und Schriften. Wahrlich, wir hätten des Zeugs überlang zu brennen und zu brandmarken, auch anderer Völker Schriften, so die ganze Welt verdorben haben, wenn wir allen schlechten und bösen Machwerken ihr Recht und Gericht geschehen ließen. Aber diese Feuerbrände hier mögen als die Vertreter und Reigenführer der ganzen Sippschaft büßen. – So tretet denn heran zu dem zehrenden Fegefeuer und schaut, wie Gericht gehalten wird über die Schandschriften des Vaterlandes. Möge das höllische Feuer sie alle verzehren und vernichten, wie arge Tücke oder die Jämmerlichkeit und Erbärmlichkeit sie eingab!“

Hierauf las der Redner eine Reihe von Schriften ab, welche durch ihren unsittlichen oder freiheitswidrigen Inhalt das Mißfallen der studirenden Jugend auf sich geladen hatten, und jetzt zum Scheiterhaufen verdammt werden sollten. Zugleich erschien der Titel des so genannten Buches mit großer Fracturschrift auf einen besondern Bogen geschrieben. Bei jedem dieser Bücher stellte Maßmann an die Eingeweihten zunächst die Frage, ob es den Flammen übergeben werden sollte.

„In’s Feuer, in’s Feuer!“ lautete die Antwort.

Dann wurde ein Haufen Maculalur mit der Heugabel unter lautem Jauchzen und Jubeln in das Feuer geschlendert, gewöhnlich von einer Erklärung begleitet, die ein solches Verdammungsurtheil zu rechtfertigen suchte. So wanderten die Werke von Ancillon, des berüchtigten Haller, der allgemeine Codex der Gensd’armerie von dem preußischen Minister von Kamptz, die Schriften des Geheimraths Schmalz, Werner’s Weihe der Kraft und Kotzebue’s Geschichte des deutschen Reichs in die lodernden Flammen. Zuletzt wurde noch ein Schnürleib, ein Patentzopf und ein großmächtiger Corporalstock als die Repräsentanten des Gamaschendienstes und als Schmach des ernsten heiligen Wehrstandes mit verbrannt. Darum sang der Chor lustiger Burschen den Vers:

„Zuletzt nun rufet Pereat
Den schuft’gen Schmalzgesellen
Und dreimal Pere – Pereat!
So fahren sie zur Höllen!
Auf, auf, mein theures Vaterland
Ihr Brüder, reichet Euch die Hand
Und schwört: so woll’n wir’s halten.“

Die um den Scheiterhaufen Zunächststehenden gaben sich die Hände und tanzten im tollen Reigen, beleuchtet von den zuckenden Flammen um die lodernde Gluth, welche die hineingeworfenen Bücher rasch verzehrte. – Die meisten der Anwesenden waren mit diesem Strafgericht vollkommen einverstanden, besonders Sand, der am lautesten rief: „In’s Feuer!“ – Keiner von den anwesenden Jünglingen hatte jedoch eine Ahnung von den möglichen Folgen eines derartigen Autodafé’s, das mitunter die angesehensten Schriftsteller und die einflußreichsten Staatsmänner traf, deren Eitelkeit auf die empfindlichste Weise beleidigt worden war. Mit einem gewissen Mißton schloß das schöne Fest, und die feiner organisirten Naturen fühlten sich einigermaßen dadurch verletzt, daß ein mit Liebe und Eintracht begonnener Tag in einen Act des Hasses und der Verdammung endete. – Zu diesen Verstimmten gehörte auch Hagen, und seine Verdrießlichkeit wurde nicht dadurch gemildert, daß sich bei dem Rückweg der schleichende Berthold zu ihm gesellte.

„Nun,“ redete ihn dieser lauernd an. „Das wird in Berlin und ganz Deutschland Aufsehen machen, wenn es bekannt wird, wie man hier zu Gericht gesessen. Der Herr Geheimrath Schmalz wird, wie ich glaube, nicht allzu erfreut über die Auszeichnung sein, die man ihm erwiesen hat. Und gar der Herr Minister Kamptz, dessen Codex der Gensd’armerie mit verbrannt worden ist, wird nicht wenig wüthen.“

„Mir ist die ganze Geschichte nicht angenehm,“ entgegnete Hagen kurz, bemüht, dem Gespräche eine andere Wendung zu geben.

„Das kann ich mir wohl denken, da Dein Vater unter dem Minister steht.“

„Deshalb nicht; denn mein Vater billigt keineswegs den Geist der Reaction, der in Preußen immer mehr zum Vorschein kommt, und verleugnet seine Gesinnung nicht. Er ist Mitglied des Tugendbundes und gehört zu jenen Männern, welche, wie Stein und Hardenberg, das Heil des Vaterlandes nur in einem zweckmäßigen Fortschritte sehen.“

„Ich weiß, daß Deine ganze Familie freisinnig ist und darum mit dem gegenwärtigen Regiment nicht zufrieden sein kann. Der Wind weht jetzt freilich von einer andern Seite her; man will jetzt nichts vom Volke wissen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kann gehen. Große Herren haben ein kurzes Gedächtniß und vergessen leicht, was sie in der Noth versprochen haben. Aber es kann wieder einmal eine Zeit kommen, wo sie das Volk brauchen werden.“

Die ganze Rede Berthold’s schien darauf angelegt zu sein, Hagen zu veranlassen, seine innern Gesinnungen Preis zu geben; sie verfehlte jedoch diesmal ihren Zweck, weil dieser eine gewisse Zurückhaltung beobachtete, ohne sich eines bestimmten Grundes bewußt zu werden. Desto mehr sprach der Andere von der Nothwendigkeit, die eben erst errungene Freiheit zu bewahren und der in Preußen auftauchenden Rückschrittspartei entgegen zu arbeiten. Mitten in seinen pathetischen Auseinandersetzungen, welche meist in nichtssagenden Phrasen bestanden, wurde er durch Sand’s Dazwischenkunft unterbrochen.

Da Hagen am nächsten Tage zu seinen Eltern nach Berlin zurückkehren wollte, so bot sich ihm Berthold sogleich zum Reisegefährten an, was er füglich ihm nicht abschlagen konnte. Ueberaus zärtlich war der Abschied, den er am Morgen von seinem neuen Freunde nahm. Sand, der zurückblieb, da er in Jena seine Studien fortsetzen wollte, begleitete Hagen und Berthold bis zum nächsten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_091.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)