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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

nur die Vergrößerungspolitik seines Hauses und seines Vaters im Kopfe habe. Er stand deshalb auch zu der constitutionellen Partei in gar keinen Beziehungen. Besonders haßte er die Priester, denen er die meiste Schuld an dem Unglücke Italiens beimaß.

Wir waren alle drei ebenso erstaunt als erfreut, uns so zufällig hier in Como wieder zu treffen; der Graf und ich beschleunigten die Beendigung unsers Diners, und als wir von der flammenäugigen Luigia und ihren hübschen Schwestern für den Abend Abschied genommen hatten, schlenderten wir in den Straßen von Como plaudernd umher. Als wir aus dem Gastzimmer auf die Straße traten, saßen drei Männer, anscheinend Landleute, an einem in der Ecke stehenden Tische und tranken Wein. Sie summten, als wir an ihnen vorübergingen, halblaut ein italienisches Lied, welches ich nicht verstand, und sahen uns finster an. Der Graf und ich hatten einige Mal bei Beendigung unserer Mahlzeit deutsch gesprochen.

„Die Comasken sind ein rauhes und energisches Volk,“ sagte der Marchese im Herausgehen zu mir. „Es war ein republikanisches Lied, was sie sangen, als wir vorübergingen, ich kenne es recht wohl. Sie sahen Sie so finster an, weil sie Sie für einen Tedesco hielten. Hier in den Bergen wird die österreichische Regierung recht gehaßt.“

Nur die Straße, welche in Como von der Eisenbahnstation an den Hafen führt, war lebendig, die übrigen Straßen waren eng, finster und wenig belebt. Die Häuser waren hoch, und selbst einige palastartige neue Gebäude, welche mit vielem Geschmacke aufgeführt waren, machten einen düstern Eindruck. Die wohlhabenden und reichen Bürger und Adelsfamilien waren noch auf dem Lande. Die Stadt Como ist für den Sommer kein angenehmer Aufenthalt. Die Trennung und Zurückhaltung von Deutschen war hier noch weit entschiedener und schärfer durchgeführt, wie in Mailand und in den andern Städten der Lombardei, wie mir der Marchese erzählte; den Officieren, welche in Como in Garnison standen, mußte der Aufenthalt hier noch weit öder und langweiliger sein, als in den andern italienischen Städten. Wir gingen in den Dom, der zu den schönsten Kirchen Oberitaliens gehört, und dessen vordere Seite ganz mit vorzüglich gearbeiteten Reliefs und Statuen bedeckt ist, sahen uns das eherne Standbild des großen Physikers Volta an, der in Como geboren ist, und setzten uns dann in der Halle des großen Kaffeehauses am Hafen hin, um unsern Kaffee zu trinken und auf den See hinaus zu sehen.

Ich äußerte den Wunsch, in das Officierkaffeehaus zu gehen, weil ich einen Gruß an einen der Officiere auszurichten hatte. Es war in Como gerade so, wie überall in der Lombardei. Die Officiere hatten sich ein eigenes Kaffeehaus ausgesucht, welches sie ganz allein frequentirten und welches von den Bürgern seit der Zeit nicht mehr besucht wurde. Der Marchese verweigerte es, mich zu begleiten, und versprach mir, mich mit meinem Reisegefährten am Hafen zu erwarten, um später in’s Theater zu gehen. Ich ging allein in die Stadt zurück in das Officierkaffeehaus.

Das Officierkaffeehaus in Como lag in der Straße, welche an dem schönen Portal des Domes vorüber zum Hafen führt. Die Straße war eine der breitesten in Como; dennoch war das Kaffeehaus düster und gewährte einen nichts weniger als freundlichen und eleganten Anblick, denn die Straße hatte an beiden Seiten Bogengänge, Lauben, wie man in Südtyrol sagt, und unter diesen Lauben befand sich das Officierkaffeehaus.

Diese weit vorspringenden, steinernen Bogen mögen im heißen Sommer zur Kühlung der Temperatur viel beitragen, ihre großen Schlagschatten geben aber den hinter ihnen befindlichen Räumen ein düsteres und unfreundliches Colorit. Das Officierkaffeehaus in Mailand lag an dem großen belebten Domplatz und hatte nach der andern Seite die Aussicht auf den prächtigen Corso Francesco, und in seinen eleganten und hellen Räumen verkehrte das ganze Officiercorps einer Garnison von 20,000 Mann; hier, im Officierkaffeehaus in Como, blickte man auf einen Halbdunkeln Bogengang, und drinnen saßen drei Officiere, ein alter pensionirter Rittmeister, der in Como seine Pension verzehrte, und ein deutscher Postbeamter und spielten Domino. Die Garnison in Como besteht aus einer Infanteriecompagnie, das ganze Officiercorps wird also durch den Compagniechef und einige Lieutenants repräsentirt, welche in Betreff ihres gesellschaftlichen Umgangs einzig und allein auf sich angewiesen sind. Ich bestellte dem Hauptmann meine Grüße, welche mir in Mailand aufgetragen waren, setzte mich zu den Officieren an den Tisch und sah ihrem Dominospiel zu. Der Hauptmann war ein intelligenter junger Mann.

In der österreichischen Armee macht man schnell Carriere. Ich habe Hauptleute kennen gelernt, welche noch nicht vierundzwanzig Jahre alt waren und Aussicht hatten, in einigen Jahren zu Majors zu avanciren; ich fand Oberstlieutenants und Obersten, welche noch nicht die Mitte der Dreißig überschritten hatten, sie waren aber immer intelligente und befähigte Männer. Intelligenz, Fähigkeit und Tapferkeit können in der österreichischen Armee immer auf schnelle Beförderung rechnen. Ist diese schnelle Beförderung innerhalb des Regimentes wegen der älteren Officiere nicht möglich, so ist die Versetzung in ein anderes Regiment leicht ein Mittel, um einen Officier wegen seiner Befähigung zu befördern. In keiner europäischen Armee wird wohl so wenig auf Stand, Familie, persönliche Protection und Anciennetät gegeben, wie in der österreichischen; Fähigkeiten finden dort immer ihre Würdigung. Wenn ich Officiere kennen lernte, welche, trotz ihres vorgeschrittenen Lebensalters, noch nicht über die Hauptmannscharge hinaus waren, so zeichneten sie sich auch gewiß nicht durch große Befähigung aus.

So theilte mir auch der Capitain, welcher die in Como garnisonirende Compagnie befehligte, mit, daß er in spätestens zwei Jahren Major zu sein hoffe – er konnte kaum sechsundzwanzig Jahre alt sein –, übrigens seine Versetzung von Como recht sehnlichst herbei wünsche. Die Trennung zwischen dem Militair und der Bürgerschaft sei noch weit schärfer und prononcirter, als in Mailand, und die Officiere seien ganz auf den Umgang unter sich beschränkt. Kein Haus und keine Familie öffne sich ihnen. Im Sommer biete ihnen die Nähe des Gebirges und der Seen, überhaupt die außerordentlich schöne landschaftliche Umgebung freilich viel Gelegenheit zu interessanten Ausflügen; der Langeweile und Eintönigkeit des Winters könne er aber nur mit Schrecken entgegensehen. Es ist wahr, die österreichischen Officiere haben in Tyrol und Italien viel Sinn für Natur und landschaftliche Schönheiten und kennen das Land ganz vortrefflich; ich habe gewöhnlich von ihnen bei meinen Streifereien die genauesten und auch gediegensten Notizen erhalten. Alle ihre Bemühungen, auf den Landhäusern in der Brienza einige Bekanntschaften anzuknüpfen, seien gänzlich fruchtlos gewesen, und diese unangenehme Situation würde sich auch bestimmt für die Wintersaison, wo die Familien vom Lande in die Stadt zurückkehrten, gewiß nicht ändern. Besuche der Cameraden aus den benachbarten Garnisonen und Bekanntschaften mit durchreisenden Fremden seien ein wahrer Trost.

Der Officier mochte Recht haben. Es war selbst im Officierkaffeehause recht eintönig und langweilig. Die Unterhaltung des pensionirten Rittmeisters und des kaiserlichen Postbeamten war auch nicht sehr anregender Natur. Und ich sah die Herren doch alle zum ersten Mal. Auch geistreiche und interessante Menschen werden sich ja schließlich langweilig, wenn sie im Umgange immer auf sich allein beschränkt sind; es liegt das in der menschlichen Natur, welche äußere geistige Anregung zu ihrem Wohlbefinden gebieterisch fordert. Meine Cigarre war deshalb kaum ausgeraucht und der Café Nero getrunken, als ich das Kaffeehaus verließ und wieder zum Hafen ging, um meine Freunde wiederzufinden. Die Dominosteine klapperten wieder von Neuem, als sich die Thüre noch nicht hinter mir geschlossen hatte.




Die Traglasten der Frauen.
Von K. v. Sp…e.

Zahllos sind die Gegenstände der socialen Frage; aber ihr Feld ist so verschieden, wie die Staaten, worin sie spielt. Das Leben im Staate vernünftig, bequem und angenehm zu machen, den Menschen mit sich und der Welt zu versöhnen, Körper-, Geistes- und Herzensbildung zu fördern, religiöse und sittliche Pflege, daneben Erwerb und Vertrieb der materiellen Güter und endlich Entwicklung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_128.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2023)