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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Ich setzte mich mit einigen jungen Männern in Verbindung, die, wie man sich in der Gesellschaftssprache ausdrückt, „den Platz kannten“, und erfuhr bald, daß Alphonse seine Abende bei Mademoiselle Zoë zubringe.

„Wer ist Mademoiselle Zoë?“

„Parbleu!“ lachte man, „er kennt Zoë nicht. Zoë ist eine alte, bekannte Löwin! Ein prächtiges Weib! Es ist wahr, man sieht sie wenig in der Welt, aber man kann sie, so oft man will, bei ihr zu Hause sehen.“

„Wo wohnt Mademoiselle Zoë?“

„In der Rue de la Madeleine hat sie ein prächtiges Appartement, das ihr ein reicher Kaufmannssohn aus Bordeaux eingerichtet hat; er hat sich für sie ruinirt.“

„Kann man bei Mademoiselle Zoë eingeführt werden?“

„Nichts leichter als das. Wollen Sie jetzt gleich? Bon! Kommen Sie!“

Das Gespräch fand im Café du Helder statt. Wir wanderten die Boulevards hinab, die Madeleine vorbei, in die schöne neue Straße, die sich hinter dieser berühmten Kirche hinzieht. Wir stiegen zwei hell beleuchtete Treppen hinauf, und traten in einen eleganten Salon, der weiß und golden verziert und mit schönen Damastmöbeln angefüllt war. Vier bis fünf junge Männer umgaben die Dame des Hauses, die nachlässig, aber nach der neuesten Mode gekleidet, am Kamin stand, und deren ausgelassenes Gelächter wir schon im Vorzimmer gehört hatten. Unter den vier anwesenden jungen Männern befand sich Alphonse, und Mademoiselle Zoë war keine andere als meine alte Bekannte, Madame Adeline, Modehändlerin in der Seitengasse, ganz nahe von hier, und Madame Adeline Raymond, die tugendhafte Capitainsfrau aus der sehr fernen Rue de Turin. Meine Ueberraschung war groß. Ich vergaß Alphonse und den Zweck meiner Sendung und starrte nur Zoë oder Adeline an. Sie war es, und sie war es nicht. Die Züge, die Gestalt, das Haar waren Adelines; der ganze Ausdruck, die Stellung, kurz das ganze Wesen gehörte einer Andern. Die bescheidene, verlassene, Frau war verschwunden – die kecke, verführerische herausfordernde Löwin stand vor mir. Zwar war auch sie bei meinem Anblick einen Moment lang überrascht, aber bald fasste sie sich wieder und lachte laut auf.

„Sehen Sie das Gesicht dieses Herren an!“ rief sie den Andern zu, „sehen Sie, wie lang, wie erstaunt, wie erstarrt es ist! Sollte man nicht glauben, er sehe ein Monstre, indem er mich ansieht?! Sehe ich so erschreckend aus?“

Und wieder erfolgte ein lautes und freches Gelächter, in das die andern Anwesenden, Alphonse ausgenommen, mit einstimmten.

„Sie werden zugeben,“ sagte ich schnell gefaßt, „daß ich Ursache habe, ein wenig erstaunt zu sein.“

„C’est vrai!“ rief sie. „Ich will Ihnen das erklären, Messieurs, dieser Herr kennt mich nur als honette Frau.“

Von diesem Augenblicke an fühlte sich Zoë nicht mehr beengt, und zeigte sich vor mir als das, was sie war; sie bat mich nur, ihr das Geheimniß zu wahren, besonders beim Professor und im Hause in der Rue de Turin, da sie ihre Ursachen habe, für eine honette Frau zu gelten. Ich versprach es ihr unter der Bedingung, daß sie Alphonse aus ihren Schlingen loslasse.

„Nichts leichter als das,“ sagte sie, „ich verspreche Ihnen, daß er in vier bis fünf Tagen meiner überdrüssig sein soll. Ich kann ihn ohnedies nicht brauchen; er ist zu sentimental, zu verliebt; er nimmt die Dinge nicht, wie man sie nehmen soll, und genirt mich. Ich kann solche Provinzialen nicht brauchen.“

Sie hielt Wort. Nach wenigen Tagen war Alphonse dem ordentlichen bürgerlichen Leben und seiner Braut wieder gegeben. Ich erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß Adeline, denn das war ihr wirklicher Name, seit vielen Jahren dieses Doppelleben führte und die zwei Haushaltungen habe. Sie hatte die Leidenschaft, für eine anständige Frau gelten zu wollen, und konnte sich doch dem Leben nicht entziehen, das ihr allein angenehm war. Auch ist sie nie an einen Capitain verheirathet gewesen.




Das neue Museum zu Leipzig.

Am 18. December 1858 feierte die Stadt Leipzig in der würdigen Vollendung und Uebergabe des für Aufnahme und Aufstellung von Kunstwerken bestimmten neu erbauten Museumgebäudes ein Freudenfest, dessen Veranlassung wohl nicht ohne Nachahmung bleiben wird. Die Entstehung dieses Baues, der in seiner Intention und in seiner Lösung das Interesse auch außerhalb Leipzigs auf sich gezogen hat, verdanken wir dem reichen Erbe an Kunstschätzen und eines erheblichen Capitals, welches ein edler Bürger Leipzigs, A. Schletter, seiner Vaterstadt vermachte, und einer reichlichen Spende, welche die Stadt in höchst ehrender Weise aus ihren eigenen Mitteln diesem Unternehmen zuwies.

Der Plan zu diesem Gebäude, welches sowohl die alte Leipziger Gallerie nebst ihren sonstigen Kunstschätzen wie die von Schletter geschenkten Gemälde aufnehmen sollte, wurde durch eine Concurrenz bestimmt; unter achtzehn eingelaufenen Plänen wurde der von Professor Ludwig Lange in München für den besten erklärt und in Folge dessen demselben die Ausführung des Baues übertragen.

Ein nach allen Seiten freiliegender Platz war für dieses Gebäude bestimmt und somit nach allen Richtungen hin eine ebenbürtige Ausführung bedingt. – Im Juli 1856 wurde der erste Stein gelegt und in der kurzen Zeit von nicht ganz drei Jahren wurde das Ganze vollendet.

Der überaus günstige Eindruck, den das Gebäude an sich und hinsichtlich seiner Einrichtung und Ausstattung bei der Eröffnung auf den Beschauer machte, gibt uns Veranlassung, diesen Bau und besonders sein Inneres in unserem vielgelesenen Blatte näher zu besprechen. Ein besonderes Verdienst erwarb sich hierbei der Architekt durch seinen klar gedachten Plan, dessen Aeußeres und Inneres in der schönsten Harmonie sich abwiegt; kein verlorner Raum, keine Ueberschreitung von Maß, sondern was ist, das ist bedingt.

Wir wollen nun zur näheren Beschreibung des Baues übergehen und, um das System kennen zu lernen, welches unser Architekt dabei zu Grunde legte, eine Wanderung durch dasselbe vornehmen.

Am südlichen Ende der Längenachse des großen Grimmaischen Platzes, der die Alt- und Vorstadt östlich scheidet, erhebt sich auf einem soliden Unterbaue von Rustika-Quadern das in seiner Höhe in zwei Geschosse abgetheilte Museumsgebäude und bietet diesem Platze entgegen die Hauptfronte; längs derselben breitet sich eine Terrasse aus, die durch schmälere Treppen von der Seite und durch eine majestätische Haupttreppe in der Mitte zugängig ist. Von der Ebene derselben führen noch einige Stufen zu dem durch Säulen und einen Balkon besonders ausgezeichneten Portale, und zu der mit Sculpturen, die drei Künste darstellend, nach Zeichnungen von M. Schwind, geschmückten Eingangsthüre.

Von da gelangt man zuerst in einen breiten schönen Corridor, der in seinem architektonischen Schmucke, mit seinen Pilastern, Gesimsen und Casettendecke zu einem würdigen Empfange eingekleidet ist. Zu beiden Seiten führen daselbst Thüren nach der Garderobe und dem Versammlungssaale. – Dem Eingange gegenüber schließt sich das Vestibule (Vorhalle) an, zu dem man einige Stufen aufwärts durch einen Porticus (Bogenthor) gelangt. Sogleich beim Eintritt in das Gebäude gewährt der Blick dahin, der sich durch das Vestibule nach dem daranliegenden Sculptursaale und so in’s Freie fortsetzt, eine überraschende Perspective, die um so anmuthiger wirkt, als verschiedene Raumverhältnisse und verschiedene Lichtwirkung in diesem Bilde zur Erscheinung kommen, was noch höher gesteigert werden könnte, wenn in der Mitte des Sculptursaales ein größeres plastisches Werk unmittelbar das Auge fesseln würde. Das Vestibule nimmt die Mitte des Gebäudes ein und bildet ein von acht Portiken umschlossenes Octogon (Achteck), das in vier Zugänge und vier Fensternischen abgetheilt ist und durch die hell beleuchteten Nachbarräume sein Licht empfängt, was auf den im Ganzen hell gehaltenen, reich decorirten Raum eine magische Wirkung ausübt.

Von dem Vestibule gelangt man östlich durch eine der Portiken nach dem Treppenhause. Eine reiche Treppenwange mit festen Doggen und dunklen Marmorsäulen, die das Treppenpodest tragen, zeigt uns den Weg nach diesem Raume, über den durch ein mächtiges Oberlicht eine brillante Beleuchtung ausgegossen ist. – Bei näherem Zutritt dahin wird der Beschauer unwillkürlich durch den Anblick eines Fensters gefesselt, das oberhalb der Treppe nach einer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_143.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2023)