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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)


den Kopf zum Fenster hinaus und erkundigt sich, ob ein Aufstand der Heloten ausgebrochen sei. Was sollen wir weiter sagen? Die Dunkelheit bricht herein, ehe zwei christliche Männer gefunden und überredet werden, den Trunkenbold umsonst nach Hause zu schleppen; mehrere Mütter kommen und holen ihre Knaben vom Schauplatz mit Püffen nach Hause; gegen sechs Uhr Abends ist der Friede leidlich wieder hergestellt, die Frachtwagen langen an, um die zu versendenden Güter nach den Bahnhöfen zu fahren, die Droschken bringen das schaulustige Publicum in’s Theater, die unruhigeren Elemente der Straße sind sämmtlich verstummt und der Schutzmann ist von seinem Kreuzwege erlöst. Nimmt man ihn nicht noch in Anspruch, um den gordischen Knoten irgend einer verworrenen Mägdeangelegenheit zu lösen, wird nicht noch ein schon frühzeitig am Abende stehlender ungeschickter Dieb ergriffen: so hat er für heute Ruhe und darf sich aus dem stürmischen Leben in das Bureau des Revierhauptmannes zurückziehen, wo in einer dicken Tabakswolke die Schreiber in Uniform sitzen und Alles, was sich im Revier zuträgt, in der Santa Casa graueingebundene Register schreiben.


Blätter und Blüthen.

Das deutsche Lied und Frau Schröder-Devrient. Es ist so viel über die Bedeutung des deutschen Liedes und dessen Mission geschrieben worden, daß es Wasser in die Donau tragen hieße, wollte man noch einmal in Ausführlichkeit darauf zurückkommen. Ueberall, wo das deutsche Lied erklingt, erobert es im Sturme die Herzen und schmiedet Fesseln der Sympathie für unser schönes Vaterland. Dort, wo man – Dank unserer politischen Schwäche – Deutschland und der Deutschen sonst nur mit höhnischem Achselzucken gedenkt, in den parquetirten Salons von Paris und London und Petersburg, da durchwandert der deutsche Genius siegend die Säle in Gestalt des „deutschen Liedes“ und die stolzen Lady’s und reich geschmückten Herzoginnen des Kaiserreichs unterwerfen sich tiefergriffen der Macht des unwiderstehlichen Eindrucks. Singend und klingend lebt es im Herzen des Deutschen fort, wohin und wie weit er sich auch fortwendet von dem Vaterlande. Der Auswanderer in Amerika, der tief in den Wäldern oder Prairien mit Groll im Herzen des Landes gedenkt, das einst seine Heimath hieß, er zerdrückt die Thräne im Auge, wenn in der Ferne ein deutsches Lied erklingt, das mit einem Schlage alle die süßen Erinnerungen an die schon halb vergessene und doch so liebe Heimath zurückzaubert. Mit seiner Einfachheit, mit seiner tiefgefühlten Wahrheit, mit seiner Innigkeit und Wärme kettet es die Herzen an unsere nationalen Klänge, die so schön, so lieb und ergreifend keine zweite Nation zu schaffen vermag.

Um die hohe Bedeutung und Macht des deutschen Liedes begreifen und würdigen zu können, muß man es aus dem Munde von Sängern oder Sängerinnen hören, die ein Herz haben für deutsche Kunst und deutsche Auffassung. Deutschland ist nicht arm an ausgezeichneten Sängerinnen, die ihre schöne Kunst zu etwas mehr als zu Rouladen und Trillern verwenden, aber was Innigkeit und Feuer des Vortrags, was Verständnis; des deutschen Liedes anlangt, werden sie alle überstrahlt von einer jetzt schon alternden, aber musikalisch ewig jungen und genialen Frau – der Schröder-Devrient. Wer diese Frau – sie ist im Jahre 1806 geboren – vor wenigen Wochen in Dresden und Leipzig gehört, wie sie excellirte in den Schubert’schen und Schumann’schen Liedern: „Der Wanderer“, „Trockne Blumen“, „Ungeduld“, „der Erlkönig“, „Ich grolle nicht“, im Mendelsohn’schen: „Es ist bestimmt in Gottes Rat!“; diese Lieder, die wir Alle so oft und übersatt und doch niemals so innig, so groß gedacht und tief gefühlt, wie von dieser Frau, gehört haben, der wird und muß uns bei stimmen. Jedes Lied ist eine Herzerquickung, der Ton fällt wie frischer Thau in die Seele! Deutsches Wesen und deutsche Innigkeit bat vielleicht nie eine deutsche Sängerin so großartig und herzinniglich aufgefaßt, wie diese geniale Frau, an der die Jahre machtlos vorüberstrichen. K.     


König Glaß. Ein kürzlich in London erschienenes Buch, dessen Verfasser Dr. Knighton ist, enthält unter andern folgende interessante Erzählung, deren Inhalt gewiß der deutschen Leserwelt noch nicht bekannt ist. Fern in der Südsee liegt ein Eiland, Aumda genannt, welches so entlegen ist, daß es selten ein Schiff zu Gesicht bekommt, wenn man den schmutzigen Wallfischfänger abrechnet, der hin und wieder hier anlegt. Diese Insel wurde während der Gefangenschaft des Kaisers Napoleon auf St. Helena von der englischen Regierung mit einer Artillerieabtheilung besetzt, und in diesem Commando diente als Corporal ein Mann, Namens Glaß, welchem das öde Eiland so wohl gefiel, daß er beschloß, einem Robinson ähnlich, sein noch übriges Leben hier zu verbringen.

Als die Insel wieder aufgegeben und seine Dienstzeit abgelaufen war, brachte er diesen Entschluß wirklich zur Ausführung. Die Regierung ging ihm dabei hülfreich an die Hand und er ward, mir Weib und Kindern so wohl, als auch mit mehreren seiner Freunde, die er für seinen Plan gewonnen hatte, nach seiner 1100 Meilen vom nächsten bewohnten Orte entfernten Insel zurückgebracht. Dieselbe war vor der Besetzung durch das erwähnte Commando nie bewohnt gewesen, aber diese hatte sie in etwas für die Aufnahme der kleinen Colonie vorbereitet.

Glaß landete im Jahre 1623 mit 6 Gefährten, welche sämmtlich verheirathet waren und zusammen 11 Kinder hatten, und schon 1829 zählte, einer sichern Quelle vom Cap der guten Hoffnung nach, der junge Staat 29 Seelen, nämlich 7 Männer, 6 Frauen (eine war gestorben) und 16 Kinder. Im Jahre 1849 waren 86 Einwohner auf der Insel; Glaß lebte noch immer als Monarch dieses kleinen Reiches. Man hatte 600 Acker Land urbar gemacht und der Viehstand hatte sich bedeutend vermehrt, denn aus 5 Stück Rindvieh waren 100 geworden und die Zahl der Schafe war von einem Dutzend auf 300 gestiegen. Die Schweine und Ziegen, die noch von der Besetzung durch die Soldaten her da waren, waren wild geworden und auf der ganzen Insel zu finden. Alles war in einem viel versprechenden Zustande und man konnte sehen, daß Glaß sein Scepter gut zu führen verstehe. Er hatte und hat vielleicht noch alle einem Fürsten nothwendigen Eigenschaften und war der König und der Priester seines Volkes zugleich. Dieses betrachtete ihn als den Weisesten der Weisen und liebte ihn dabei wie einen Vater! trotzdem aber hielt er streng auf Ordnung und seine Unterthanen hatten eine heilsame Furcht vor ihm.

Am meisten mußten sie die Wallfischfänger fürchten, deren Mannschaft in der Regel das Eigenthum Anderer nicht sehr achtet, und in früheren Jahren floh Glaß mit seinen Gefährten in das Gebirge, welches die halbe Insel einnimmt, sobald man ein solches Schiff auf dieselbe zukommen sah. Ein 8000 Fuß hoher Berg nahm dann Heerden und Familien in seinen Schluchten auf, und die Räuber fanden gewöhnlich nicht, was sie brauchten. Im letzterwähnten Jahre jedoch war die Bevölkerung der Insel bereits mächtig genug, um sich vor solchen Angriffen zu schützen, und so sehr man früher der Annäherung eines Schiffes mit Besorgniß entgegengesehen hatte, eben so sehr war man jetzt darüber erfreut. R. W.     


Die Journalistik in der Schweiz. Wohl kein Staat in Europa hat im Verhältniß seiner Bevölkerung eine solche Menge periodisch erscheinender Blätter auszuweisen, als die Schweiz.

Im Jahre 1858 erschienen nämlich in derselben 260 periodische Schriften, wovon 181 in deutscher, 70 in französischer, 7 im italienischer und 2 in romanischer Sprache, Davon wurden ausgegeben: 44 täglich, 70 wöchentlich 2 bis 4 Mal, 91 wöchentlich einmal, 55 alle 14 Tage oder monatlich. Auf die vier Landessprachen vertheilt, kommt ein täglich erscheinendes französisches Journal auf 28,695, ein deutsches auf 29,588, ein italienisches auf 50,296 und ein romanisches auf 14,000 Einwohner der betreffenden Sprache.

In diesem Jahre hat sich die Zahl der periodisch erscheinenden Blätter jedenfalls noch vermehrt.



Schach.


Aufgabe Nr. 4.
Von Herrn G. Seeberger in Graz.
Schwarz.

Weiß.
Weiß zieht an und setzt im vierten Zuge matt.


Berichtigung.

Die letzte Aufgabe von Dufresne enthält einen Druckfehler. Statt des Springers ist auf b 4 ein weißer Thurm zu stellen.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal, und ersuchen wir die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen. Ernst Keil. 


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_192.jpg&oldid=- (Version vom 29.11.2023)