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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

einem Federstriche die bisherige Freiheit in religiösen Dingen unterdrückte und das Volk in die Barbarei des Mittelalters zu stürzen drohte. Beide Männer gehörten einer geheimen Verbindung an, welche sich im Schooße des Freimaurerordens unter dem Einflusse verkappter Jesuiten und Abenteurer aller Art entwickelt hatte. Schon seit längerer Zeit bestand der Bund der sogenannten Rosenkreuzer, welche sich rühmten, im Besitze geheimnisvoller Kräfte zu sein, Gold machen zu können, das Lebenselixir und andere Wundertincturen aufgefunden zu haben. Durch allerlei mystische Gaukeleien, phantastische Symbole, geheime Weisen und feierliche Eidschwüre verstanden es die Mitglieder dieses Ordens, einen gewissen Nimbus zu verbreiten, schwache Gemüther zu verführen und die Phantasie der leichtgläubigen zu erhitzen. Selbst die Besseren und Gebildeteren in jener Zeit ließen sich von dem Auftreten eines Cagliostro, eines St. Germain zuweilen blenden. Je mehr der zersetzende Verstand sich geltend machte, eine frivole Literatur alles Heilige bezweifelte und zu zerstören suchte, desto empfänglicher wurde die Menge in ihrer Sehnsucht nach einem Höheren für die Geheimnisse einer unbekannten Wunderwelt. Wo der wahre Glaube fehlt, stellt sich der Aberglaube mit seinem finsteren Gefolge ein. Er findet den fruchtbarsten Boden in einer entnervten und sittlich aufgelösten Gesellschaft, wie die des achtzehnten Jahrhunderts war.

Schon als Kronprinz hatte sich der König diesem mystischen Treiben zugeneigt; er erwartete von der Rosenkreuzerei nicht nur Schätze und neue Lebenskraft, sondern auch Kenntniß des menschlichen Herzens. Wie Mirabeau zu verstehen gibt, hatte man ihm vorgespiegelt, daß dem Eingeweihten die geheimsten Gedanken seiner Umgebung erschlossen würden. Diesen Wunsch nährte vor Allen Hans Rudolph von Bischofswerder, ein geborener Sachse. Als ein armer Edelmann trat er in das preußische Heer, nach dem Frieden wurde er in Dresden Kammerherr; später kam er in die Dienste des Herzogs Karl von Kurland, der ein bekannter Anhänger der Rosenkreuzer war. In diesen Verhältnissen lernte er den berüchtigten Schrepfer kennen, einen ehemaligen Leipziger Kellner, der eine bedeutende Rolle als Geisterbeschwörer spielte und zuletzt als Betrüger und Selbstmörder endete. Es war in Dresden, wo der kühne Abenteurer in Gegenwart des Herzogs von Kurland, des Ministers von Wurmb, des Obersten von Fröden, des Barons von Hohenthal, des Kammerherrn von Hopfgarten und unseres Bischofswerder den abgeschiedenen Geist des Chevalier de Saxe erscheinen ließ. Zugleich rühmte sich Schrepfer, im Besitze eines unermeßlichen Schatzes zu sein, den er zum Besten der Gläubigen verwenden wollte. Diese plumpen Lügen fanden bei den hochgestellten Personen wirklich Glauben und es wurde ein Tag angesetzt, wo der Schatz gehoben werden sollte, nachdem Schrepfer bedeutende Summen darauf erhalten hatte. Während der Messe begab er sich in Begleitung von Bischofswerder und Hopfgarten nach dem bei Leipzig gelegenen Rosenthal, wo die mystische Hebung des versprochenen Schatzes auch erfolgen sollte. An dem bezeichneten Orte angelangt, wies Schrepfer seinen Begleitern ihre Plätze an, indem er zu ihnen sagte:

„Rühren Sie sich nicht von der Stelle, bis ich Sie rufen werde; ich gehe jetzt in dieses Gebüsch, wo Sie bald eine wunderbare Erscheinung sehen sollen.“

Sobald er sich entfernt hatte, fiel ein Schuß, den die Herren indeß nicht weiter beachteten. Des Wartens endlich müde, gingen sie in das Gebüsch, wohin sich Schrepfer vor ihnen begeben hatte; sie fanden seine Leiche mit zerschmettertem Gesicht auf dem Boden ausgestreckt; neben ihm lag die Pistole, mit der er sich selbst erschossen hatte. – Bischofswerder soll sich damals, wie behauptet wird, in den Besitz des Apparates und der ganzen Vorrichtung gesetzt haben, womit Schrepfer seine Geisterbeschwörungen bewerkstelligt hatte.

Nach diesem Abenteuer trat er von Neuem in preußische Dienste und machte den bairischen Erbfolgekrieg mit. Bei Gelegenheit eines Sturzes, den der damalige Kronprinz vom Pferde that, war Bischofswerder in seiner Nähe und rettete ihn aus augenscheinlicher Lebensgefahr. Diesem Umstande hatte er seitdem eine Gunst zu verdanken, welche er geschickt zu benutzen und durch die angegebenen Mittel noch zu steigern wußte. Aus einem von Schrepfer Betrogenen war er zum Betrüger geworden, um sich einen unbeschränkten Einfluß auf den schwachen Fürsten zu sichern. Eines Abends, wo der damalige Thronfolger bei seiner Geliebten in Charlottenburg verweilte, erzählt die Gräfin Lichtenau nach einer mündlichen Mittheilung, rief ihn Bischofswerder ab und führte ihn in ein entlegenes Haus, um ihn endlich an der langersehnten Unterhaltung mit den abgeschiedenen Geistern Theil nehmen zu lassen.

Wie geschickte Taschenspieler dem Uneingeweihten ein ganzes Spiel Karten vorhalten mit der Aufforderung, nach seinem Belieben einige zu ziehen, und ihm demungeachtet nur diejenigen in die Hände zu spielen wissen, die sie vorher ausgewählt haben, so überließen es diese Geisterbanner dem Prinzen ebenfalls, diejenigen Abgeschiedenen zu nennen, die er zu sehen verlangte, waren aber im Voraus sicher, daß er von denen, die man ihm vorschlug, nur diejenigen wählen würde, für deren Erscheinung Vorsorge getroffen war. Diesmal war es der römische Kaiser Marc Aurel, der Philosoph Leibnitz und der große Kurfürst. Für diese drei hielt man die Personen und Anzüge in Bereitschaft; man hätte aber auch mit demselben Apparat dem Verlangen nach jeder andern geschichtlichen Größe genügen können. Die Zauberei bestand darin, daß während einer feierlichen Beschwörungsformel und unter den nervenangreifenden Tönen einer Glasharmonika der geforderte Geist im Nebenzimmer sich leibhaftig so vor einem Hohlspiegel aufstellte, daß sein Bild von einem gegenüberstehenden Spiegel aufgefangen, auf dem Milchflor in dem dunklen Zimmer sichtbar wurde, in welchem der geängstigte Prinz sich allein befand. Es war ihm gestattet worden, Fragen an die Abgeschiedenen zu richten, allein er war nicht im Stande, auch nur einen Laut über seine bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er von den heraufbeschworenen Geistern strenge Worte und geheimnißvolle Drohungen, die ihn tief erschüttertem. Mit banger Stimme rief er nach seinen vermeintlichen Freunden; er bat sie inständig, den Zauber zu lösen und ihn von seiner Todesangst zu befreien. Erst nach einigem Zögern trat Bischofswerder in das Zimmer und brachte den erschöpften Prinzen nach Potsdam, wo die eingeweihten Ordensbrüder zu seinem Empfange versammelt waren. Hier mußte er ein ihm vorgesprochenes Gelübde feierlich beschwören, durch das sich Bischofswerder und seine Helfer die unbedingte Herrschaft über den schwachen Geist des zukünftigen Regenten zu verschaffen wußten.

Derartige Gaukeleien wiederholten sich noch öfters bei verschiedenen Gelegenheiten; dabei besaß Bischofswerder eine ungemeine Schlauheit, die er unter einer anscheinenden Biederkeit und Einfachheit versteckte. Er lenkte den König mit solcher Feinheit und so unbemerkbar, daß dieser fortwährend in dem Glauben bleiben konnte, vollkommen selbstständig zu handeln und zu beschließen. Wenn der König über die gesehenen Wunder und Geistererscheinungen doch noch zuweilen einen Zweifel hegte, so hütete sich der gewandte Günstling, ihm zu widersprechen, höchstens äußerte er:

„Ja, es ist sonderbar, meine Vernunft sträubt sich stets gegen diese wunderbaren Erscheinungen, aber ich kann mich doch nicht entbrechen, fortgesetzte Forschungen anzustellen.“

„Da haben Sie Recht,“ pflegte dann der gutmüthige König zu antworten, „wir müssen neue Versuche anstellen.“

So umstrickte ihn Bischofswerder immer mehr und mehr, bis der betrogene Monarch ihm und seinem Gaukelspiel den festesten Glauben schenkte. Jener ließ außerdem stets nur die reinsten Lehren der Tugend und Sittlichkeit in den Unterredungen mit dem König hören; seine Lippen flossen von christlicher Liebe, Enthaltsamkeit und den Grundsätzen der Moral über, was ihn jedoch nicht abhielt, mit den Schwestern seiner Frau in einem anstößigen Verhältniß zu leben. Erst ein während des Kriegs aufgefangener und von dem französischen Nationalconvent veröffentlichter Brief voll zärtlicher Ausdrücke öffnete dem Könige die Augen über das heuchlerische Treiben seines Günstlings; dieser saß indeß so fest, daß selbst ein derartiger Beweis ihn nicht zu stürzen vermochte. Er bekannte seine Schuld und verwies mit frömmelnder Salbung auf die Schwäche des menschlichen Fleisches und die Macht des Versuchers, der selbst die heiligen Männer der Bibel nicht geschont. Ebenso heuchelte er einen hohen Grad von Uneigennützigkeit, nahm aber nichts desto weniger von dem König ansehnliche Güter in dem durch die letzte Theilung von Polen erworbenen Südpreußen geschenkt, die er sich von dem Reichsgrafen von Lüttichau mit 50,000 Ducaten bezahlen ließ.

Ein solcher Mann mußte der natürliche Gegner jeder freieren Richtung sein; er bestärkte den befangenen Monarchen in seinem Vorhaben, die damals auftauchende französische Revolution zu bekämpfen, und veranlaßte ihn zu jenem abenteuerlichen Zuge nach der Champagne, der in so schmachvoller Weise für Preußen und seine Verbündete endete. Bischofswerder, welchen Friedrich der Große wegen seiner grünen Uniform spottweise den „Laubfrosch“ zu nennen pflegte, war der eigentliche Vertreter jener kleinlichen Politik, welche

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