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verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

den Spott meiner Cameraden zu, die schon vertrauter mit dieser Musik waren.

„Alles in Allem,“ sagte ich zu mir selbst, „ist eine Bataille doch nicht so entsetzlich, als man meinen sollte.“

Wir eilten nun im Sturmschritt vorwärts, die Scharfschützen voran. Plötzlich schallte aus der Redoute dreimal Hurrah! Dann trat eine tiefe Stille ein.

„Ich habe solch’ Schweigen nicht gern,“ sagte der Hauptmann, „es bedeutet nichts Gutes.“

Ich dagegen fand unsere Soldaten zu lärmend, und konnte nicht umhin, eine innerliche Vergleichung zwischen ihrem Geschrei und dem imposanten Schweigen des Feindes anzustellen.

Wir gelangten jetzt rasch an den Fuß der Redoute; die Pallisaden waren von unsern Kugeln zersplittert. Die Erde war aufgewühlt. Die Soldaten drangen auf diesen neuen Ruinen vor, indem sie noch stärker schrieen, als zuvor: „Es lebe der Kaiser!“

Ich schlug meine Augen auf. Nie werde ich den Anblick vergessen, der sich mir darbot. Der größte Theil des Rauches hatte sich erhoben und schwebte wie ein Traghimmel etwa zwanzig Fuß über der Redoute. Durch einen bläulichen Dunst bemerkte man hinter der halbzerstörten Brustwehr die piemontesische Linie, die Gewehre hoch haltend und unbeweglich wie Bildsäulen. Ich glaube noch jeden Soldaten, das linke Auge auf uns geheftet, das rechte hinter dem Flintenlauf verborgen, zu erblicken. In einem Winkel, kaum einige Fuß von uns, hielt ein Artillerist die Lunte neben einer Kanone.

Ein Schauder überlief mich. Ich glaubte, meine letzte Stunde habe geschlagen.

„Nun fängt der Tanz an!“ rief der Hauptmann. „Gute Nacht.“ Das waren seine letzten Worte.

Das Wirbeln der Trommeln erschallte in der Redoute. Sogleich neigten sich alle Gewehre. Ich verschloß die Augen und vernahm ein entsetzliches Krachen, auf welches Geschrei und Stöhnen folgte. Ich blickte um mich, erstaunt, noch zu leben. Die Redoute war von Neuem in Rauch gehüllt. Rings um mich her sah ich nur Todte und Verwundete. Der Capitain lag ausgestreckt zu meinen Füßen. Eine Kanonenkugel hatte ihm den Kopf zerschmettert. Ich war von seinem Blute und seinem Gehirn bespritzt. Von der ganzen Compagnie waren nur noch sechs Mann auf den Beinen.

Nach dieser Explosion blieb einige Minuten Alles ruhig. Dann steckte der Oberst seinen Hut auf den Degen und kletterte zuerst mit dem Ausrufe: „Es lebe der Kaiser!“ die Brustwehr hinan. Alle noch Lebenden folgten ihm.

Ich habe kaum noch eine genaue Erinnerung von dem, was nun geschah. Wir betraten die Redoute, ich weiß nicht wie. Man schlug sich Faust gegen Faust, Brust gegen Brust, mitten in einem so dicken Rauche, daß man sich nicht sehen konnte. Ich glaube, daß ich um mich hieb, daß ich mehrere Feinde verwundete oder tödtete, denn mein Säbel war ganz mit Blut bedeckt.

Endlich hörte ich schreien: „Sieg! Sieg!“ Der Rauch verminderte sich. Ich sah mich mitten im Blut und unter Leichen. Man ging nur auf Todten. Die Kanonen selbst waren unter denselben begraben. Etwa zweihundert Mann in österreichischer Uniform waren ohne alle Ordnung gruppirt. Einige ladeten ihre Gewehre. Andere wischten ihre Bajonette ab. Elf schwarz-italienische Männer standen als Gefangene neben ihnen.

Der Oberst war der Länge nach auf einem zerbrochenen Pulverkasten ausgestreckt. Es war ganz mit Blut besudelt. Einige Soldaten beschäftigten sich mit ihm. Ich näherte mich ihm.

„Wo ist der älteste Capitain?“ fragte er einen Unterofficier.

Dieser zuckte auf eine sehr bezeichnende Weise mit der Achsel.

„Und der älteste Lieutenant?“

„Herr P., der gestern angekommen ist?“

Der Oberst lächelte bitter.

„Wohlan,“ sagte er endlich zu mir gewendet, „Sie haben den Oberbefehl. Lassen Sie den Eingang der Redoute mit Wagen befestigen. Der Feind ist zahlreich genug. Aber der General C. ist nicht fern.“

„Herr Oberst,“ rief ich, „Sie sind schwer verwundet.“

„Zum Henker!“ entgegnete er, „aber die Redoute ist genommen!“




Blätter und Blüthen.

Schulze-Delitzsch, der bekannte Schöpfer und Gründer der vielen jetzt so segensreich wirkenden Associationen, Vorschuß- und Credit-Vereine (auf Selbsthülfe fußend), hat vor einigen Tagen von der Schuhmacher-Association in Wolfenbüttel als „dankbare Anerkennung seines edlen Strebens, den Handwerkerstand aus der Gefahr der Vereinzelung und in Folge dessen von einer nothwendig eintretenden Verarmung zu befreien“, einen kostbaren silbernen Pocal empfangen. Die schöne Gabe war von einem herzlichen Schreiben begleitet, aus dessen Worten recht deutlich die Verehrung und Liebe hervorging, die man dem Wirken des thätigen Mannes von allen Seiten zollt. – Schulze-Delitzsch hat übrigens einen „Vereinstag deutscher Vorschuß- und Credit-Vereine“ zusammenberufen, der in der Pfingstwoche in Dresden tagen soll. Wir lassen nachfolgend die uns soeben zugekommene Einladung folgen:

„Auf mehrfache Aufforderung haben es die Unterzeichneten übernommen, eine von den deutschen Vorschuß- und Credit-Vereinen zu beschickende Versammlung zu Dresden in der Pfingstwoche, und zwar in den Tagen vom 14. bis 16. Junius d. J. zu veranstalten. Zweck der Versammlung ist Mittheilung der bei den verschiedenen Vereinen bestehenden Einrichtungen und gemachten Erfahrungen, sowie Verständigung über manche gemeinsame Interessen der jungen, bereits über einen großen Theil des gemeinsamen Vaterlandes verbreiteten Institute.

„Es ergeht daher an sämmtliche auf Selbsthülfe der Creditbedürftigen aus dem kleineren und mittleren Gewerbs- und Arbeiterstande beruhende Vereine hierdurch die ergebenste Einladung, die anberaumte Versammlung zu beschicken und diejenigen Gegenstände, deren Erörterung man wünscht, durch bestimmte Formulirung zur Berathung vorzubereiten, auch womöglich sich schriftlich über die zu verhoffende Betheiligung unter der Adresse des Advocaten B. Miller (Dresden, Neue Gasse 36. III.) vorher zu erklären.

„Sämmtliche örtliche Arrangements werden vom Verwaltungs-Rathe des Dresdner Vorschuß-Vereins, der die Functionen eines Local-Comité für die Versammlung übernommen hat, besorgt, und wird der schon genannte Herr Advocat Miller auf briefliches Ersuchen auch die Sorge für das Unterkommen der Gäste übernehmen. Die persönliche Anmeldung und die Empfangnahme der Eintrittskarten, gegen Zahlung von 1 Thaler für jeden Verein zur Deckung der unvermeidlichen Kosten, geschieht dagegen in der Restauration des Herrn B. Engel am Postplatze, wo auch die erste Vorberathung, Dienstag, den 14. Juni, Abends 8 Uhr stattfindet, und Local und Stunde der eigentlichen Sitzungen am 15. und 16. Juni bekannt gemacht werden.

„Möge unsern gemeinnützigen Instituten durch eine recht zahlreiche Betheiligung ein weiterer Anstoß und nachhaltige Förderung in dem weitesten Kreise aus dieser ersten Vereinigung erwachsen!“

Delitzsch, im April 1859.

Schulze (Delitzsch). Hallbauer (Meißen). Schöne (Dresden). Winter (Leipzig). Görgel (Eisleben). Behm (Zerbst). Steinacker (Sangerhausen). Zapp (Luckau). Gerlach (Luckenwalde).




Berka an der Ilm. Bei dem sich immer mehr steigernden Zudrang von Reisenden, welche zur Herstellung ihrer Gesundheit oder zur Erholung einen Aufenthalt in den lieblichen Thälern des Thüringerwaldes suchen, möchte man Allen, welche vorzugsweise eine gesunde, kräftige und doch dabei milde Luft einathmen wollen, den zwei Stunden von Weimar entfernten Badeort Berka an der Ilm empfehlen. Es liegt dieses Städtchen in einem reizenden Wiesenthal an den malerischen Krümmungen der Ilm, rings umschlossen von Eichen-, Buchen- und Tannenwäldern, deren reine und balsamische Luft einen wunderbar befriedigenden Athemproceß erzeugt. An und in dem nahen Tannenwald finden sich Hütten und sonstige Vorkehrungen, um den Tag daselbst verweilen zu können. In allen Richtungen führen gut gebahnte Wege durch Wälder, und Wiesen (in denen besonders kränkliche Kinder sichtlich aufleben) nach benachbarten romantisch-gelegenen Dörfern; auch kann man in wenig Stunden die schönsten Punkte des Thüringerwaldes, Schwarzburg, Paulinzelle, Ilmenau u. a. erreichen; nach Weimar, Rudolstadt, Koburg u. s. w. ist dreimal täglich Postwechsel. Wohnung und Kost sind einfach, gesund und billig. Die dortige Badecommission, an deren Spitze der rationell tüchtige Arzt Dr. Ebert steht, hat neben den Stahl- und Schwefelbädern auch Fichtennadelbäder eingeführt, die je nach Gefallen benutzt werden können. Wir von unserm Standpunkt aus, die wir den verschiedenen Badewässern Deutschlands und des Auslandes sehr wenig Heilkraft zutrauen, können natürlich Berka nur wegen seiner wirklich reizenden und gesunden Lage und seiner sonstigen vielen Annehmlichkeiten Allen, welche einige Monate Ruhe und gesunde Luft suchen, empfehlen.


Die Illustrationen vom Kriegsschauplatze werden in einer der nächsten Nummern ihren Anfang nehmen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1859, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_292.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)