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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

„Ja wohl, ganz gut und recht! Gedankt sei dem Gott meiner Väter, daß der schreckliche Schein wieder in meinen Händen ist!“

„Aber, Herr Lissauer,“ rief Günther, der die Goldstücke nachzählte, „einige dieser Füchse sind gewaltig leicht!“

„Muß man sie doch nehmen, wie man sie bekommt,“ sagte Lissauer entschuldigend.

„Die ich Ihnen gab, waren alle vollwichtig!“

„Ach, so lassen Sie doch die Kleinigkeit, Herr Baron. Sind auch ein paar Goldstücke zu leicht, ist doch meine Angst zu schwer gewesen.“

Günther lachte und strich das Geld ein.

„Ihre nähere Bekanntschaft ist mir sehr schätzenswerth gewesen,“ sagte er. „Bitte, besuchen Sie mich zuweilen, Herr Lissauer, wenn wir auch in keiner geschäftlichen Verbindung mehr stehen!“

„Sie sind gar zu gütig, Herr Baron.“

„Kann ich Ihnen noch mit einer Manilla aufwarten?“

„Sprechen Sie mir nicht mehr von Manilla!“ rief Lissauer schaudernd. „Ich habe gedacht, es würde sein mein Tod, so schwirrte es mir im Kopfe und vor den Ohren. Leben Sie wohl, Herr Baron, und wenn Sie einmal etwas brauchen in Damenartikeln oder Sie sind in einer kleinen Verlegenheit – nu, so ’was kann ja vorkommen! – dann beehren Sie mich. Sie kennen ja mein Geschäft.“ Damit empfahl er sich.

Günther glaubte, seinen Gegnern bei der Nasenwette einen Schadenersatz schuldig zu sein. Er lud sie Alle, sowie auch die drei Schiedsrichter, zu einem Souper nach der goldenen Gans und schilderte ihnen bei dieser Gelegenheit die Auftritte, welche er mit dem „Nutznießer seiner eigenen Nase“ durchlebt hatte. Sein Vorschlag, die zurückgezahlte Kaufsumme zum Besten der unglücklichen Tischlerfamilie zu verwenden, fand allgemeinen Beifall und ward schon am nächsten Tage zur That.

Günther und seine Freunde sind längst würdige Hausväter und zum Theil ernste Staatsdiener, doch lachen sie noch heute gern über die lustige Geschichte mit der erkauften Nase. Lissauer’s Modewaaren-Magazin aber ist immer noch auf der Ohlauer Straße und erfreut sich des lebhaftesten Zuspruches.




Moritz August von Bethmann- Hollweg.
(Mit Portrait.)

Durch körperliche Leiden behindert, die Zügel der Regierung weiter zu führen, übertrug König Friedrich Wilhelm IV. seinem Bruder, dem Prinzen von Preußen, am 23. October 1857 die einstweilige Stellvertretung; und als die erwünschte Besserung nicht eintrat, als fortdauernd eine düstere Wolke seinen Geist umlagerte, übernahm kraft der Verfassung des Landes, wie in Folge eines königlichen Erlasses vom 7. October 1858 der stellvertretende Prinz als nächster Agnat die Regentschaft mit königlicher Machtvollkommenheit, mit der „alleinigen Verantwortlichkeit vor Gott“. Eine kleine, aber mächtige Partei ausgenommen, welcher der Staat ganz und gar in die Hände gefallen und deren Autorität der Oberkirchenrath Stahl war, ging eine schwere, jedem Einsichtigen, jedem wahrhaften Patrioten die höchste Besorgniß erregende Verstimmung durch die Nation, eine Verstimmung, die diesmal beim Wechsel der Regenten nicht sofort wich. Wir können es heute, wo die Dinge doch schon anders stehen, getrost sagen: Die Nation erwartete nichts sogleich zu ihrem Frommen, und einzelnen Hoffnungslustigen rief man: Abwarten! entgegen. Ebenso lautete und lautet noch jetzt die Parole derjenigen Partei, welche eher fürchten als hoffen durfte. Nur eine zweite kleine politische Genossenschaft, die sogenannten Gothaer Constitutionellen, von denen ein bekanntes Mitglied des Abgeordnetenhauses zu Berlin im Nvbr. 1848 gesagt halte: „Mit dem Ministerium Manteuffel muß man durch Dick und Dünn gehen,“ vermochte ihre Natur auch diesmal nicht zu verleugnen: freudetrunken begrüßte sie ohne factischen Anhalt den Wechsel und quittirte die alte Freundschaft völlig. Aber die erste That des Prinz-Regenten, die „glückliche Beseitigung“ des Ministeriums Manteuffel, die damit verbundene Neubildung des Cabinets erweckte im ganzen preußischen Volke ungemeines Wohlgefühl, und die nun erwachte Hoffnung, von seinen Wunden geheilt, in den Besitz der ihm verfassungsmäßig gebührenden Rechte gesetzt zu werden und zu einem gesunden, naturgemäßen Fortschritte zu gelangen, diese Hoffnung ist seitdem nicht getäuscht worden. Der Platzregen, den Herr Leo nach dem Morgenrothe als unvermeidlich prophezeihte, hat die der Kräftigung bedürftigen Glieder des Volkes noch nicht durchweicht, der Jubel der Constitutionellen ist fürder kein Verrennen in Knechtschaft, ja noch mehr, das Programm der Demokratie, wie es ein Führer der Preußischen Volkspartei, Johann Jacoby, kürzlich öffentlich darlegte, ist der Bewahrheitung wenigstens etwas näher gerückt, als es zur Zeit irgend Jemand erwartete. Trotz alledem ist noch viel, sehr viel zu thun, und in das unbedingte Jubelgeschrei, das einige preußische Blätter ausgestoßen, können wir vorläufig nicht einstimmen. Aber rühmend hervorheben müssen wir, daß alles Gute, was bis jetzt das neue Ministerium geschaffen, freiwillig von diesem gegeben wurde, nicht gedrängt oder abgenöthigt von Zeitereignissen oder Kammerdebatten.

Von den neuberufenen Mitgliedern des Ministeriums waren Alle, bis auf den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen, ihrem politischen Charakter nach hinlänglich bekannt. Daß durch ihr bloßes Eintreten schon der Bruch mit der radikalen Reaction angekündigt wurde, wußte und fühlte Jeder. Allein wie weit sie den Sinn des großen Wortes Vorwärts, welches der Prinz-Regent in richtiger Erkenntniß seiner Zeit und seines Berufes ausgesprochen, ausdehnen, wie weit sie in das Streben der Nation eingehen würden, das unterlag anfänglich allgemeinem Zweifel. Der Cultusminister vornehmlich war es, welchem man von Seiten der Menge, in Würdigung seiner bisherigen Thätigkeit auf kirchlichem Gebiete, mit den bescheidensten Erwartungen nahte, wozu die Auslassungen über ihn in den letzten sogenannten conservativen Wahlvorversammlungen wesentlich beitrugen. Und gerade er hat seitdem eine That verrichtet, wie sich derselben kein anderer deutscher Minister rühmen darf, eine That verrichtet, die den Staatsmann zum Volksmanne – was er auch sein soll – gemacht hat; gerade er hat die Gelegenheit ergriffen, sich ein Ehrendenkmal zu setzen, das seinen Namen im Gedächtniß des Volkes verewigen wird: es ist, wie männiglich bekannt, Herr von Bethmann-Hollweg, in dessen Vergangenheit wir hier nur einen Blick thun.

Unter den glänzendsten Verhältnissen am 10. April 1795 zu Frankfurt a. M. geboren – sein Vater ist Johann Jakob Hollweg, der sich durch Verschwägerung und Associirung mit dem Banquier Bethmann dessen Namen beizulegen Veranlassung fand –, standen ihm alle Mittel zu einer vollkommenen, von jedweder subsistentiellen Rücksicht unabhängigen geistigen Ausbildung zu Gebote, welche bis zu seinem Eintritt in das Frankfurter Gymnasium der berühmte Karl Ritter leitete, der ihn auch auf Reisen begleitete und noch beim Uebergange zur Universität Göttingen, 1813, ihm zur Seite blieb. Das Studium der Jurisprudenz wählend, hat Savigny, dessen Schüler er 1815 zu Berlin ward, wohl den meisten Einfluß auf ihn ausgeübt. Von diesem dazu bestimmt ließ er sich, nachdem er im Jahre vorher in Göttingen promovirt, 1819 in Berlin als Docent nieder und rückte 1823 zum ordentlichen Professor auf. In diese Zeit seiner akademischen Wirksamkeit fällt die Veröffentlichung seiner Schrift: „Gerichtsverfassung und Proceß des sinkenden römischen Reiches“, die zu Bonn 1827, in demselben Jahre erschien, in welchem ihm die Berliner Universität das Rectorat übertrug, und seine Betheiligung (seit 1832) an der Herausgabe des Rheinischen Museums. Mehrere den Civilproceß betreffende Schriften sind nicht von der Bedeutung der eben und weiter unten erwähnten. Im Jahre 1829 vertauschte er die Berliner Professur mit einer zu Bonn, welche er bis 1842 bekleidete, worauf er, 1849 geadelt, den Rang eines geheimen Oberregierungsrathes und das Curatorium der letztgenannten Universität erhielt, das er bis 1845 verwaltete. Alsdann dem Staatsrathe beigesellt, schließt sich hiermit eine Periode seines Lebens und Wirkens ab.

In religiösen Dingen von jeher aus reiner Ueberzeugung der orthodoxen Richtung angehörig, verfolgte er jetzt mit vorwiegendem Interesse die seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm’s IV. besonders lebhaften Bewegungen auf kirchlichem Gebiete, und so sehen wir ihn 1846 auf der evangelischen Generalsynode zu Berlin und von da ab auf einer Reihe an verschiedenen Orten tagender Kirchenversammlungen, zum Theil als deren Vorsitzenden. Wie in einer nicht zu verkennenden Hinneigung zu mittelalterlicher Romantik

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_298.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2023)