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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Gott! Etwas, das stärker ist, als die einzelne Thatsache: das Recht! Etwas, das höher steht, als götzendienerische Verehrung: die Zeit!

Vermögen Sie, Gott vom Throne zu stoßen?
Können Sie das Recht austilgen?
Können Sie die Zeit vernichten?
„Die Männer des Rechtes und der Freiheit haben die Inquisition und das große Kaiserreich besiegt; verlassen Sie sich darauf, Herr, daß auch Sie besiegt werden! Joseph Mazzini.“

Dieses Actenstück hat Napoleon’s Moniteur natürlich nicht abgedruckt. Er wird dazu wohl seine guten Gründe gehabt haben. Complimente sind freilich nicht darin, auch keine Aussichten auf Ruhm in der Nachwelt, wie in dem Briefe des „Tölpels“ Orsini.




Im Busch.
Von Friedrich Gerstäcker.
(Fortsetzung)

Derartige Menschen, mit Nichts zu verlieren und Alles zu gewinnen, hatten sich schon aus schwierigeren Lagen befreit, und er befahl dem Schooner deshalb, mit zwei von seinen Leuten als Wache an Bord, ohne Weiteres wieder unter Segel zu gehen und diese kostbare Ladung erst einmal an das County-Gefängniß abzuliefern. Dann sollte er ohne Zögern wieder umkehren, sie selber abzuholen oder vor Anker zu bleiben, bis sie an Bord kämen.

Tolmer behielt, nachdem er zwei von seinen Leuten der Schoonermannschaft beigegeben, noch mit Borris, sieben Mann und dem Matrosen. Der Seemann hatte sich freilich mit auf dem Schooner einschiffen wollen, Tolmer war aber viel zu vorsichtig, das zuzugeben, denn er wußte nicht, ob er vielleicht mit ein oder dem anderen der Gefangenen schon früher Bekanntschaft gemacht hätte, und wollte sich nicht muthwillig selber einen Helfershelfer für die Schaar in das Fahrzeug setzen. Mit ihnen versprach er ihm aber freie Passage nach Adelaide, wenn er sie dahin begleiten wolle.

Nun galt es vor allen Dingen, den jetzigen Aufenthaltsort John Mulligan’s herauszubekommen, und das schien viel schwerer, als es Tolmer in: Anfange erwartet hatte.

Mulligan war mit allen Schlichwegen der Insel genau bekannt, und Lindsay, an den er sich wieder wandte, versicherte ihm von vornherein, daß es ein verzweifeltes und völlig nutzloses Unternehmen sei, dem kecken und verwegenen Burschen auf diese Weise nachzustellen. Er schien es dabei nicht einmal gern zu sehen, daß ihn Tolmer auf seiner Station besuchte, denn wie leicht konnte Mulligan das durch irgend einen seiner eigenen Leute erfahren und dann, in dem Glauben, der Stationshalter stecke mit der Polizei unter einer Decke, Rache an ihm nehmen.

Tolmer sah bald, daß mit dem Manne nichts anzufangen war, und doch gewöhnt fast stets auf eigene Hand zu handeln, schrak er auch vor einer solchen Aufgabe nicht zurück.

So viel schien gewiß, daß Mulligan, nachdem sie die übrige Bande glücklich überlistet, keine weiteren Begleiter mehr hatte, auf deren Hülfe er sich verlassen konnte.

In seine alte Hütte war er übrigens nicht wieder zurückgekehrt, und Tolmer, um seine beiden Wachen nicht länger dort unnütz zu verwenden, ließ das Nest in Brand stecken. Hatte der Buschrähndscher dann noch irgend etwas darin versteckt oder vergraben, so sollte es ihm wenigstens schwer werden, es wiederzufinden.

Außerdem entwarf Tolmer einen anderen Plan. Er schickte nämlich seine Mannschaft als Bündelleute vereinzelt auf alle Stationen in der Nachbarschaft, sich dort zu zerstreuen und selber auf den verschiedenen Stellen die Nachricht zu verbreiten, daß die Polizei gelandet wäre und die Buschrähndscher aufgehoben hätte. Während sie sich natürlich unter die Arbeiter mischten, erfuhren sie dann vielleicht, ob der flüchtige Verbrecher wohl irgendwo gesehen worden.

Am zweiten Tage hatten sich aber Alle wieder in der Nähe der verbrannten Hütte einzufinden, um gemeinschaftlich zu operiren.

Der Plan mochte ganz gut sein, erwies sich aber als erfolglos. Allerdings brachten die Leute von drei, vier verschiedenen Seiten die Nachricht mit, Mulligan sei dort in der Nähe gesehen worden. Die wahrscheinlichsten dieser Stellen wurden auch untersucht, doch ohne den geringsten Erfolg. Nicht einmal die Spur des Flüchtigen fand man, und es blieb jetzt außerordentlich schwer, zu sagen, ob sich der Buschrähndscher nach dem Osten oder Westen der großen Insel gewandt habe.

Borris selber war dafür, nach dem festen Lande zurückzukehren und lieber wieder hierher zu kommen, wenn Mulligan auf’s Neue irgendwo einen bestimmten Aufenthalt genommen. Tolmer aber, starr wie immer den einmal gefaßten Plan im Auge, wollte davon nichts hören und gedachte einen anderen Versuch zu machen.

Er theilte seine Leute in zwei Trupps – den einen von fünf Mann unter Borris’ Führung schickte er nach Osten zu und die anderen, wie den Matrosen, der sich freiwillig erboten hatte ihnen beizustehen, behielt er bei sich, um damit nach Westen hin die Insel abzusuchen. In vier Tagen spätestens sollten Alle wieder am Schooner zusammentreffen, und hatten sie den Flüchtigen dann nicht eingefangen, so wollten sie die Jagd für dies Mal aufgeben.

Borris schüttelte den Kopf zu dem ganzen Unternehmen, denn er kannte besser, wie sein Vorgesetzter, das Innere der Insel und die Schwierigkeit, darin von einer Stelle zur andern zu gelangen. Tolmer aber, Feuer und Flamme für den jetzt entworfenen Plan, ließ keine Einrede gelten, und die beiden Parteien trennten sich noch an demselben Morgen.

Einem schmalen Kuhpfade folgend, wanderte Tolmer mit seinen Leuten ab, gerieth aber bald in ein so furchtbares Dickicht von jenen nichtswürdigen Känguruhdornen, von denen das ganze Innere der Insel überwuchert war, daß sie sich nur mit Mühe und Noth einen Weg seitwärts hindurch und mehr der Küste zu brechen konnten. Was sollten sie auch in einem solchen Dickicht, in dem Mulligan selber nicht fortkonnte, sich also auch wohl hüten würde es zu betreten?

Ziemlich erschöpft und ohne den ganzen Tag ein lebendes Wesen angetroffen zu haben, erreichten sie Abends einen kleinen Bach und lagerten dort, und Tolmer sah jetzt die Unmöglichkeit ein, das eigentliche Innere des Busches, wie er beabsichtigt hatte, abzusuchen. Es blieb ihm nichts übrig, als sich auf die besiedelten oder doch wenigstens zugänglichen Theile der Küste zu beschränken.

Gegen Morgen hörten sie einen Hund bellen; schon am letzten Abend hatten sie Schafspuren gefunden und es ließ sich erwarten, daß sie wenigstens nach der Richtung und in der Nähe des Trinkwassers eine Schäferhütte finden würden. Darin hatten sie sich auch nicht geirrt. Als sie nach rasch eingenommenem Frühstück dorthin aufbrachen, fanden sie mitten im Busch, aber an einer von Dornen vollkommen freien Stelle, eine kleine Rindenhütte liegen, und Tolmer ließ seine Leute noch zurück, erst selber allein den Platz zu recognosciren.

Der Schäfer war mit seiner Heerde schon vor einer Stunde ausgezogen, den Hutkeeper oder Hüttenwächter fand Tolmer aber gerade beschäftigt, die gewöhnlichen Damper zu backen, und ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein.

„Holla, Mate,“ sagte er nach einer Weile, als er am Feuer saß und den für ihn rasch warmgestellten Becher Thee trank, „Ihr seid ja hier außerordentlich fleißig mit Brodbacken. Da stehen, wie ich sehe, zwei große fertige Damper, hier unter der Asche liegt auch noch einer und Ihr rührt schon wieder frische an. Macht Ihr sie zum Verkauf?“

„Ja, schön zum Verkauf,“ sagte der eben nicht besonders appetitlich aussehende Bursche mit einem Kernfluche, „ein prächtiger Platz wär’ das hier im Busche zum Verkauf, wo man das ganze gesegnete Jahr keinen blanken Schilling zu sehen bekommt. Die Käufer, die hierher kommen, soll überhaupt der Teufel holen, sobald er Lust hat, und wenn meine Zeit um ist, will ich verbrannt werden, wenn ich nur eine Stunde länger in den blutigen Dornen sitzen bleibe.“

„Es treibt sich hier viel Gesindel im Busche herum, wie?“ warf Tolmer hin.

Der Hutkeeper sah ihn mißtrauisch von der Seite an und meinte dann:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_303.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)