Seite:Die Gartenlaube (1859) 324.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

„Sie mögen in gewisser Beziehung Recht haben.“

Eifrig fuhr Schellenberg fort: „Und in welcher traurigen Menschenumgebung befindet sich hier ein vereinsamtes weibliches Wesen! Der nächste Nachbar scheint ein harter, unzugänglicher Mann, die übrigen Nachbarn mögen wohl nur aus Schmugglern und Wilddieben bestehen, das Städtchen Eversburg ist für den Verkehr zu entfernt – – an wen soll sich da ein alleinstehendes Weib anlehnen? Welcher Sonnenstrahl kann in die Verdüsterung seines Gemüthes fallen? Zwar erkenne ich darin einen großen Trost für die Einsame, daß ihr in Ihnen ein jugendliches Wesen von großer Aufopferungsfähigkeit zur Seite steht, aber woher gewinnt Ihre junge Seele auf die Dauer den nöthigen Lebensmuth, um eine so trostreiche Gefährtin zu bleiben?“

Er hatte in seinem Eifer die Hand des Mädchens ergriffen, es entzog ihm dieselbe erröthend und sagte leise: „Es ist meine Bestimmung, hier mein Leben zu verbringen.“

Angelegentlich rief Schellenberg: „Sie verdienen aber die schönste, die lieblichste Lebensbestimmung!“

Sie schüttelte mit dem Kopfe. „Die Vorsehung leitet Jeden auf den ihm geeigneten Pfad,“ sagte sie. „Was übrigens die Absicht betrifft, die Sie hierher führte, so glaube ich, daß mit Hülfe des Müllers und mit Beistand aus dem Wolfsgrund einige Ihrer Leute hier ein Unterkommen finden werden. Senden Sie dieselben nur her. Der Müller ist augenblicklich nicht da, aber ich werde mit ihm reden.“ – Eine leichte Verneigung verabschiedete den Officier, aber plötzlich drehte sie sich wieder um und sagte: „Hüten Sie sich übrigens vor Marx im Wolfsgrund!“ Dann war sie verschwunden.

In eigenthümlicher Aufregung trat Schellenberg seinen Rückweg an. Die Warnung, die ihm noch zuletzt zugerufen worden war, beschäftigte ihn weniger, als die Warnerin, welche einen gewissen Eindruck auf ihn gemacht hatte. Wo man vor der Biegung des Pfades den Waldhof’ zum letzten Male übersehen konnte, da blieb der junge Mann stehen und sagte zu sich selbst: „Doch – doch, es ließe sich hier wohnen und glücklich sein, wenn man ein geliebtes Wesen zur Seite hätte, an dem das Herz mit voller Liebe hinge. Aber allein – ganz allein – das ist hart.“

Gedankenvoll und bewegt setzte er langsam seinen Weg fort.

(Fortsetzung folgt.)




Eine Hirschjagd auf Java.
Vom Grafen E. Andrasy.[1]

Nach einem Aufenthalte von ungefähr zehn Tagen eröffnete sich uns endlich die Aussicht auf eine etwas erfolgreichere Jagd. Unser Freund, der Engländer, beantragte, wir sollten einen Versuch in der Richtung nach seinem Wohnbezirke hin machen; mittlerweile nahmen wir jedoch noch die Einladung des Residenten an, welcher den Tag vor unserem Aufbruche eine Hirschjagd in den umliegenden Ebenen veranstaltete. Wie in England, so ist auch hier und in einem Theile von Borneo die Hirschjagd so zu sagen eine National-Passion, welche von den Eingeborenen mit einer gewissen Feierlichkeit und stets im großartigen Maßstabe betrieben wird. Um fünf Uhr früh saßen wir bereits im Wagen und eilten dem Sammelplatze zu. Auch die Gattin des Residenten begab sich in Begleitung mehrerer Damen dahin. Von allen Seiten strömten die eingeborenen Honoratioren herbei, einer komischer gekleidet, als der andere, Alle aber mit ausgezeichnetem Jagdzeuge versehen; so trabten sie auf ihren kleinen Pferden dem Sammelplatze zu, um an der National-Unterhaltung Theil zu nehmen. Am Sammelorte waren bereits bei zweihundert Reiter eingetroffen und die herrlichen Pferde des die Jagd arrangirenden Directors, meist persischer, mitunter aber auch inländischer Abkunft, zogen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich; besonders war es ein Hengst, dessen wunderbare Schönheit Jedermann entzückte.

Das bei solchen Jagden übliche Costum ist: ein aus Ruthen geflochtener vergoldeter runder Hut zum Schutze gegen die sengenden Strahlen der Sonne; ein eng anliegender, ganz zugeknöpfter, bei den Beamten überdies mit Gold gestickter Dolman; um die Hüfte ein den unserigen ähnlicher goldener Gürtel, darin ein „Golog“ genanntes, zwei Schuh langes Messer, welches den zu Pferde verfolgten Hirschen in das Rückgrat gestoßen wird; die Beinkleider sind mitten aufgeschlitzt, so daß der Reiter mit dem nackten Leibe auf den bloßen Rücken des Pferdes zu sitzen kommt und, durch den Schweiß gleichsam daran festgeklebt, um so sicherer reiten kann; endlich Stiefel gleich denen der alten Ritter mit Leder umwunden und mit gekrümmtem Schnabel.

Unter den vornehmeren Eingeborenen war der Vater des Residenten, ein ehrwürdiger Greis, der trotz seines vorgerückten Alters noch viel auf sich zu halten schien, die auffallendste Figur; es that dem Auge völlig wohl, ihn auf seinem grauen Hengste sitzen zu sehen.

Der Zaum an den Pferden ist von ganz eigenthümlicher Art; die Halfter wird nämlich gerade so gedreht, wie bei uns, wenn die Thiere zur Tränke gehen. Der Unterschied ist blos der, daß die Zügel als Zaum in zwei Streifen gegen den Hals des Pferdes hingehen, wo sie in einen Knoten gebunden werden und von da nur in einem einzigen Streifen weiterlaufen, welcher seiner Länge halber, wie dies an Schiffen üblich ist, in einem Knäuel zusammengedrückt in der Hand des Reiters ruht. Diese Halfterleine ist deshalb so lang, damit der Jäger, wenn er in schnellem Laufe den Hirsch verwundet und dann herabspringt, um dem Thiere den Todesstoß zu versetzen, sein Pferd, welches nicht augenblicklich stehen bleibt, an dem sich von selbst abwickelnden Leitseil noch einige Schritte vorwärts laufen lassen und dann an dem in seiner Hand zurückgebliebenen Ende der Halfter zurückhalten kann.

Die Ebene, in welcher die Jagd abgehalten werden sollte, war von der Natur mit verschwenderischer Schönheit ausgestattet und wie zur Jagd geschaffen. In der Mitte erhob sich ein zuckerhutartiger Hügel; er diente den Damen als natürliche Tribüne, von welcher aus sie unter Musikklängen der Jagd zusehen konnten, wir Männer aber sahen zunächst auf den emporwirbelnden Rauch und den gedeckten Tisch und schlossen aus diesen Vorkehrungen mit aller Zuversicht, daß wir diesmal wenigstens nicht leer nach Hause zurückkehren würden.

Man fragte uns, ob wir reiten könnten, und als wir dies bejahten, führte man uns zwei gesattelte Schindmähren vor. Wir bedankten uns natürlich für diese Auszeichnung und erklärten, wir seien keineswegs als bloße Zuschauer gekommen und würden, wenn es gerade so Sitte und unumgänglich nothwendig sei, gleichfalls ohne Sattel reiten können. Der Franzose betheuerte uns wiederholt, er habe schon zu Hause derlei Jagden mitgemacht. Zu dieser Aeußerung bestimmte ihn wahrscheinlich die Bemerkung des Residenten, daß solch’ eine Hirschjagd nur den Eingeborenen zusage, da die Herren Europäer nicht im Stande seien, ohne Sattel zu reiten; wir wollten diesen seinen stolzen Glauben durch unser Beispiel wankend machen.

Der Herr Resident ließ uns sofort die drei schönsten Pferde seines Stalles vorführen, unter denen er uns frei zu wählen gestattete. Ich griff sogleich nach einer 16 Faust hohen prächtigen Isabelle, was dem Herrn Residenten, wie ich aus seiner sauern Miene schloß, eben nicht sehr angenehm sein mochte. Wahrscheinlich war dies sein Lieblingspferd, wie sich auch schon aus der Farbe vermuthen läßt, da die Isabellen hier, wie in China, ungemein gut bezahlt werden. Damit wir aber doch nicht so ganz auf dem bloßen Pferde zu sitzen kämen, legte man Jedem von uns ein Haarkissenunter, welches wir als Sattel benutzen sollten. So viel ist gewiß, daß es hier in diesen Ebenen platterdings unmöglich wäre, mit einem gewöhnlichen Sattel zu jagen, denn das Gras, welches sich während des Laufes in die Steigriemen verwickeln würde, dürfte

  1. Wir entnehmen Text und Abbildung dieses Artikels mit Genehmigung des Verlegers dem soeben bei Herm. Geibel in Pesth erschienenen großen Prachtwerke: „Reise des Grafen Andrasy in Ostindien“, auf das wir unsere Leser aufmerksam machen. Der bekannte ungarische Edelmann schildert darin seine Jagd- und andere Erlebnisse auf den Inseln Ceylon und Java, in Bengalen und China, und liefert zugleich 16 charakteristische Abbildungen dazu, die von dem bekannten Pferdezeichner Adam lithographirt und im berühmten Pariser Atelier von Lemercier prachtvoll in groß Folio-Quart in Farbendruck ausgeführt sind. Die beigegebenen Holzschnitte sind weniger gut.                D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_324.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2023)