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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 25. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Der alte Schmuggler.
Novelle von Ludwig Rosen, Verfasser des „Buchenhofes“.
(Fortsetzung.)


Winrich fuhr fort: „Ich würde den Namen hier im Hause, wo leicht die Wände Ohren haben konnten, nicht genannt haben, wenn ich nicht eben den alten Sünder hätte über den Hof gehen sehen. Marx kommt mit dem Juden zu heimlichen Zwiegesprächen zusammen; das mag wohl früher hier auf dem Wolfsgrunde gewesen sein, aber weil Sie nun hier sind, so haben sie sich einen anderen Ort suchen müssen.“

„Ihre Nachricht, Winrich, ist viel Werth,“ entgegnete Schellenberg, „sie kann vielleicht von großem Nutzen sein. Ich glaube mich nicht zu irren: Marx ist vielleicht das eigentliche Haupt der Schmugglerbande, er ist aber so klug gewesen, daß die Steuerbeamten in Eversburg, an deren Scharfsinn ich schon längst gezweifelt habe, keine Ahnung davon besitzen; er hat uns alle hinter’s Licht geführt, indem er sogar an unseren Besprechungen Theil nahm, und es ist also kein Wunder, daß wir noch nichts ausrichten konnten. Wir wollen dem Burschen das Spiel verderben!“

„Was haben wir zunächst zu thun, Herr Lieutenant?“

„Wir sprechen zu Niemand ein Wort, nicht einmal zu den Steuerbeamten; wir verdoppeln unsere Aufmerksamkeit, ohne daß es auffallen darf; die kluge Henriette setzt ihre Beobachtungen fort; ich warte ab, bis Marx uns wieder mittelbar oder unmittelbar einen Rath gibt, wir thun dann gerade das Gegentheil oder handeln sonst den Umständen gemäß. Da wir einmal wissen, wo unser Hauptfeind steckt, so müßte es schlimm sein, wenn wir ihn nicht mit seinen eigenen Waffen schlügen. Aber ist die Nachricht auch sicher, daß er mit dem Juden heimlich zusammenkommt?“

„So sicher, wie das Weltmeer! Die Henriette ist an sich klug, jetzt aber ist sie aus Aerger und – meinetwegen und meiner Pläne wegen doppelt klug; sie hat ein heimliches Gespräch des Juden mit Marx von weitem gesehen und kann darauf schwören. Sie können’s sicher glauben, Herr Lieutenant.“

„Ich glaub's auch, denn es stimmt nur zu sehr mit Allem, was ich mir jetzt in die Erinnerung zurückrufe. Also vor allen Dingen reinen Mund und die allergrößte Vorsicht!“

„Sorgen Sie nicht. Sie, ich und die Henriette wollen zusammen ein Complot bilden, das den verfluchten Schmugglern einen Stein in den Weg legen soll, der ihnen schwer genug zu überspringen sein wird.“

Am nächsten Vormittage näherte sich Winrich seinem Vorgesetzten auf eine geheimnißvolle, aber etwas bedrückte Weise und flüsterte ihm zu:

„Ich soll Ihnen ein Compliment sagen von der Henriette, und ob Sie nicht in Zeit von einer halben Stunde einen Spaziergang nach dem Waldhofe machen wollten, aber ganz allein?“

„Will sie mir etwas anvertrauen?“

„Es muß wohl so sein, aber sie thut selbst gegen mich so verschwiegen und zurückhaltend, daß ich ordentlich bedenklich geworden bin.“

Seine eigene Verlegenheit unter einem Scherze verbergend, sagte Schellenberg: „Sie sind doch nicht eifersüchtig?“

„Offenherzig gestanden, ich würde es sein, wenn Sie es nicht wären, Herr Lieutenant, aber ich habe zu Ihnen ein felsenfestes Vertrauen. Warum die Henriette es nicht durch mich abmachen kann, sehe ich freilich nicht ein.“

„Nun, ich werde gehen. Bleiben Sie so lange hier, Winrich, und sorgen Sie dafür, daß Niemand von unseren Leuten mir nachfolgt.“

Einigermaßen gespannt trat Schellenberg bald darauf seinen Weg an, mit dem Anscheine, als wolle er ein wenig umherschlendern. Er mußte sich gestehen, daß damals bei der ersten Zusammenkunft das Mädchen einen nicht geringen Eindruck auf ihn gemacht hatte, er ging daher dieser zweiten nicht ohne eine gewisse Aufregung entgegen. Vor jeder Schwäche schützte ihn freilich der Umstand, daß er die Beziehung des Mädchens zu Winrich kannte und daß Beide ihm vertrauten, aber er schrak doch ein wenig zusammen, als er an der engsten Stelle des Weges, kurz vorher, ehe sich der Blick auf den Waldhof öffnete, die weibliche Gestalt erblickte; sie saß wartend auf einem Steinblock, in derselben Kleidung, wie früher, doch in eine Art von Regenmantel gewickelt, wie sie in dortiger Gegend bei Frauenzimmern der niederen und mittleren Stände üblich war. Als sie den Herankommenden gewahrte, stand sie auf und ging ihm einen Schritt entgegen, seiner Anrede mit den Worten zuvorkommend: „Ich würde nicht so kühn und so anmaßend gewesen sein, Sie um eine Zusammenkunft zu ersuchen, wenn ich Ihnen nicht eine Angelegenheit von der allerhöchsten Wichtigkeit mitzutheilen hätte, welche auf keine andere Weise sicher und vollständig zu Ihnen gelangen konnte.“

„Was es auch sein mag,“ erwiderte Schellenberg, „so freue ich mich, daß es mir Veranlassung gab, Sie wieder zu sehen.“

Sie machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand und sagte: „Es handelt sich um nichts Geringeres als um Ihr Leben.“

Mit ungläubigem Erstaunen sagte er:

„Das wäre freilich für mich die allerwichtigste Angelegenheit, aber ich kann nicht glauben, daß es Jemand gebe, der es auf das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_349.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)