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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 26. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Der alte Schmuggler.
Novelle von Ludwig Rosen, Verfasser des „Buchenhofes“.
(Schluß.)

„Das ist ja gräßlich!“ rief Schellenberg nach einer kurzen Pause entsetzt aus.

Marx wandte ihm sein Gesicht zu und sagte: „Nicht wahr, es ist mehr, als ein Mensch, den es trifft, ertragen kann? wenigstens wird’s unter Hunderten kaum Einer ertragen. Nachdem Sie dies gehört haben, werden Sie vielleicht über das, was Sie nun hören sollen, weniger erschrecken.“

„Nach solchem Leid,“ sprach Schellenberg, „wüßte ich fast keine Unthat, die der gequälte Mensch an seinem Quäler verüben könnte und die man nicht verzeihen müßte.“

Mit einer gewissen Erleichterung begann Marx: „Mögen Sie gesegnet sein für dieses Wort, aber mögen Sie es auch nicht vergessen bei dem, was nun kommt. Doch bevor ich fortfahre, reichen Sie mir doch das Glas, das da auf dem Tische steht, daß ich mich ein wenig erfrische. – So, nun will ich Ihnen weiter berichten. Der Aufenthalt im Zuchthaus war schlimm für mich; meine Seele brütete über Rachegedanken, von meinen Umgebungen lernte ich viel Böses. Als ich frei war, ging ich nach dem Irrenhause, aber Christine war bei einer Gelegenheit den Wächtern entsprungen und hatte sich in’s Wasser gestürzt. Dann suchte ich die Stelle, wo meine Mutter begraben war; man hatte sie neben den Begräbnißplatz vom Waldhof eingescharrt. Ich gab mich Niemand zu erkennen, aber als ich den Waldhof vor mir liegen sah, sprach ich einen harten Fluch und einen gewaltigen Schwur aus: daß ich nicht ruhen und rasten wolle, bis die ganze Familie vernichtet und der Waldhof verödet sei. Ich verband mich mit Wilddieben und Schmugglern, aber nur, um die Saaten des Barons zu vernichten, sein Vieh zu tödten oder fortzutreiben, sein Eigenthum auf jede Weise zu beschädigen. Ich sorgte dafür, daß die Forstaufseher keinen Meineid wieder schwuren, daß kein Pachter es aushalten konnte, fast kein Dienstbote sich annehmen lassen wollte. Ich stahl den Knaben des Barons unter solchen Umständen, daß die Eltern ihn für verunglückt halten mußten und keine Nachfrage anstellten, und dieser Knabe waren Sie, Herr Lieutenant.“

„Ich konnte es schon denken!“ murmelte Schellenberg.

„Soll ich auch fortfahren?“

„Gewiß, fahren Sie fort.“

„Ich hätte Sie tödten können, aber ich wollte es nicht, ich wollte, daß der letzte Lohfels als ein Lump und armseliger Strolch ein unglückliches und schlechtes Leben führen und, wie es mit solchen Leuten meist geht, in Schimpf und Schande enden sollte. Darum brachte ich den Knaben, ohne daß ein Mensch in der Welt außer mir um seine Herkunft wußte, unter eine Bande von Gauklern, aber ich gab ihm einen Ring mit, den ich einmal von einem Herumstreicher erhandelt hatte, als wenn der Knabe daran seine Angehörigen wieder erkennen könnte, und machte es den Vagabunden zur Pflicht, diesen Ring dem Knaben zu lassen, theils um ihn, wenn er erwachsen wäre, sich in vergeblichen Versuchen abmühen zu lassen, theils um vielleicht selbst einmal mein Opfer an diesem Zeichen zu erkennen und mich an seiner Herabwürdigung zu freuen. So stieß ich den Knaben in’s Leben, hörte von dem Jammer der Eltern und sprach zu mir: die Rache ist süß!“

„Fürchterlich!“ rief Schellenberg.

„Soll ich weiter erzählen?“

„Ja, erzählen Sie weiter.“

Nach einer Pause fuhr Marx fort: „Auf eine Zeit lang ging ich in das benachbarte Herzogthum, verschaffte mir dort falsche Papiere, kehrte unter dem Namen Marx zurück und kaufte dem Baron. der bereits mit eiligen Schritten völliger Verarmung entgegen ging, das vernachlässigte Vorwerk ab, auf dem ich geboren war. Meine früheren Genossen und Spießgesellen waren meist verkommen und verschollen, nur mit dem Juden Feibes Itzig war ich in fortwährender Verbindung geblieben, und ich muß ihm zum Ruhme nachsagen, er hat sich immer als treuer Bundesgenosse bewiesen. Durch seine Vermittelung vollzog ich auch den Ankauf dieses Vorwerks. Von da an wurde ich ein thätiger Landmann und bald wohlhabend, aber mein beständiges Augenmerk war, dem immer mehr verarmenden Baron einen Acker, eine Wiese, eine Waldung nach der andern abzukaufen. Um baares Geld in den Händen zu haben, organisirte ich mit Feibes ein großartiges und sehr gewinnreiches Schmuggelgeschäft, wobei ich selbst mich persönlich ganz zurückhielt, während Feibes, der immer ein großes Vergnügen daran gefunden hat, sich bei der unmittelbaren Ausführung gern betheiligte. Als ich glaubte, daß der Baron den bitteren Trank des Armwerdens genug gekostet habe und nun wirklich beim Armsein angelangt war, da steckte ich ihm sein Schloß in Brand; in der Feuersbrunst kamen seine Frau und seine Tochter um, weil sie in der tiefsten Nacht unter ihren Zimmern ausbrach, ihn selbst rettete ich fast mit eigener Gefahr, nachdem er sich im vergeblichen Bemühen, die Seinigen den Flammen zu entreißen, lebensgefährlich beschädigt hatte. Ich schaffte ihn nach dem Wolfsgrunde, und während ich ihn scheinbar mit großer Theilnahme pflegte, entdeckte ich ihm, wer ich sei und wie ich seine Unthat gegen mich vergolten habe. Unter dem Entsetzen dieser Mittheilung verschied er. Als

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_361.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)