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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

und bilden so die Masse verschiedenartiger Körper der Natur. Einige allgemein bekannte Stoffe sind z. B. in folgender Weise zusammengesetzt: das Wasser besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff; die Kohlensäure, welche in reicher Menge in den Mineralwässern enthalten ist, aus Kohlenstoff und Sauerstoff; die Schwefelsäure (Vitriolöl) aus Schwefel und Sauerstoff; der gebrannte Kalk aus Calcium und Sauerstoff; das Leuchtgas aus Kohlenstoff und Wasserstoff; das Holz, der Zucker, die Stärke etc. aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff; das Fleisch aus Kohlen-, Wasser-, Sauer- und Stickstoff; das Eiweiß aus Kohlen-, Wasser-, Sauer-, Stickstoff und Schwefel, und so fort.

Zunächst scheidet man alle unorganischen Verbindungen, die durch Vereinigung von zwei Elementen entstanden sind, in drei Classen, und zwar in 1. Säuren, 2. Basen und 3. indifferente Stoffe. Eine derartige Verbindung ist eine Säure, wenn sie einen sauren Geschmack zeigt und verschiedene blaue Pflanzenfarben, besonders Lackmusblau, röthet; basisch oder eine Base ist sie, wenn sie laugenhaft, ätzend schmeckt und die durch Säure geröthete blaue Farbe wieder bläut; zeigt sie jedoch keine dieser Eigenschaften, ist sie geschmacklos, wie das Wasser, wirkt sie weder auf blaue, noch auf geröthete Farbe, so heißt sie indifferent.

Säuren und Basen besitzen eine mehr oder weniger große Verwandtschaft zu einander, suchen sich zu verbinden, und liefern dann ein Salz, wie die Soda, die Pottasche, das Glaubersalz, das Bittersalz etc. In der Soda haben wir als Säure die Kohlensäure, als Base das Natron; in der Pottasche ebenfalls Kohlensäure und Kali; im Glaubersalz Schwefelsäure und Natron; im Bittersalz Schwefelsäure und Bittererde (Magnesia).

Von den organischen Verbindungen gilt nicht ganz dasselbe. Diese werden zwar sämmtlich nur von den wenigen Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und in seltenen Fällen noch Schwefel oder Phosphor gebildet, aber sie sind complicirter zusammengesetzt, als die unorganischen Verbindungen, und obgleich es auch organische Säuren und Basen gibt, ist doch die größte Zahl derselben indifferenter Natur, und die Art und Weise, wie die Elemente darin verbunden sind, ist uns meist noch ganz unbekannt, denn es sind eben keine Salze, in denen wir eine Säure und eine Base nachweisen könnten.

Es wird Manchem unerklärlich scheinen, wie die wenigen Elemente die Masse der Naturkörper bilden können, aber leichter erklärlich wird es, wenn man weiß, in wie mannichfacher Weise, in wie verschiedenen Verhältnissen sich diese Elemente verbinden und wie sie so ganz abweichende Eigenschaften annehmen. Einige einfache Versuche mögen das eben Gesagte bekräftigen. Die Soda besteht, wie erwähnt, aus Kohlensäure und Natron, sie bildet ein festes Salz, löst sich aber leicht in Wasser auf. Nimmt man solche Sodalösung in ein Gläschen und gießt zu ihr etwas starken Essig, so bemerkt man ein Aufbrausen, es entweicht eine Gasart, und dies ist die Kohlensäure. Vorher in der Soda festgebunden, entweicht sie jetzt als Gas, hat also ihre Eigenschaft, gasförmig zu sein, in der Soda, also in Verbindung mit der Base Natron, ganz verloren, ist fest geworden. – Oder übergießt man in einem Fläschchen einige Messerspitzen gelöschten Kalks mit reinem Wasser, schüttelt es mehrmals durch und läßt es dann sich absetzen, so erhält man über dem Bodensatze eine klare Flüssigkeit, die Kalk gelöst enthält. Gießt man nun das Klare ab und bringt einige Tropfen Schwefelsäure hinzu, so entsteht eine weiße Trübung, denn der erst im Wasser lösliche Kalk ist mit der Schwefelsäure eine darin unlösliche Verbindung eingegangen.

Derartige Fälle zeigt die Chemie noch ungemein viele und beweist damit, wie oft ein Element und ein zusammengesetzter Stoff seine Eigenschaften ändert; man findet darin die Erklärung, wie es möglich ist, daß 63 Elemente die Menge der verschiedenen Stoffe der Erde bilden können.

Es ist nun die Sache der Chemie, die Elemente in allen ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften zu beschreiben. Sie gibt uns an, wie selbige aussehen, ob sie fest, flüssig oder gasförmig sind, welches specifische Gewicht sie besitzen, unter welchen Verhältnissen sie sich mit einander verbinden, welche Eigenschaften die entstehenden Verbindungen haben, sodaß man sie unter allen Umständen erkennen kann, und wodurch und in welcher Weise letztere wieder in ihre Bestandtheile oder andere, besonders auffallend charakterisirte Verbindungen zerlegt werden.

Die durch genannte Beobachtungen gesammelten Erfahrungen werden dann in der verschiedensten Weise angewendet. Dem Arzte und dem Apotheker müssen die Zusammensetzungen und chemischen Eigenschaften der Arzneimittel bekannt sein, um sie in geeigneter Weise zusammenstellen oder andre aus ihnen darstellen zu können. Der gerichtliche Chemiker muß bei Vergiftungen das Gift im Körper nachweisen; er muß untersuchen, ob Nahrungsmittel, die zum Verkauf kommen, echt oder verfälscht sind. Der Ackerbau-Chemiker bestimmt die Tragfähigkeit des Bodens und die Frucht, die am geeignetsten auf ihm zu erbauen sein wird; er prüft die Düngmittel, künstliche wie natürliche, auf ihren Gehalt an wirksamer Substanz. Der technische Chemiker muß in Färbereien als Colorist die Farben, in Soda-, Pottasche-, Bleiweiß-, Chlorkalk-Fabriken die betreffenden Präparate bereiten u. s. f.

Soviel jedoch die Chemie auch leistet, so birgt die Natur, besonders die organische, noch immer viele Geheimnisse für dieselbe, und sicher kann sie noch lange Jahre in der rüstigen Weise, wie sie es jetzt thut, fortschreiten, ohne zum Ziele zu gelangen. Wir sind z. B. noch keineswegs im Stande, organische Verbindungen künstlich darzustellen, denn die Kraft, unter deren Einfluß die Bildung derselben nur möglich zu sein scheint, die sogenannte Lebenskraft, ist uns noch gänzlich unbekannt und wird es vielleicht auch bleiben.

Die Physik. – Die Physik fragt zunächst: was ist ein Körper? und antwortet: alles das, was einen Raum einnimmt. Sie gibt dann die allgemeinen Eigenschaften der Körper an, die wir schon kennen lernten und die also allen gemein sind, natürlich diese oder jene dem einen in höherem oder minderem Grade, als dem andern. Da jeder Körper einen Raum einnimmt, so besitzt er eine gewisse Ausdehnung; wo ein Körper ist, kann ein andrer nicht sein, er ist undurchdringlich; man kann jeden Körper in kleinere Theile zerlegen, er ist theilbar; jeder Körper ist durch Wärme ausdehnbar, durch Kälte und Druck zusammendrückbar, also zusammengenommen elastisch; die Körper lassen zwischen ihre Theilchen Luft und Flüssigkeit mehr oder weniger eindringen, sie sind porös; Trägheit oder Beharrungsvermögen zeigt sich bei den Körpern dadurch, daß sie sich bestreben, in dem Zustande zu verbleiben, in welchem sie sich befinden (ein ruhender Körper ruht, ein sich bewegender bewegt sich fort, solange, bis äußere Kräfte ihn zwingen seinen Zustand zu ändern); endlich besitzen alle Körper ein Gewicht, eine bestimmte Schwere.

Nachdem die Physik hierauf die Gesetze über Gleichgewicht und Bewegung fester, flüssiger und gasförmiger Körper, über Wellenbewegung des Wassers, des Schalles etc. abgehandelt hat, wendet sie sich zur Betrachtung der Naturkräfte, also der Wärme, des Lichts, des Magnetismus, der Elektricität und des Galvanismus.

Vom Wesen all dieser Kräfte oder Materien kann man sich bis jetzt nur ungenügende Erklärungen geben, denn sie sind eben keine Körper, sie besitzen nicht die allgemeinen Eigenschaften derselben, und da sie in Folge dessen auch ohne jedes Gewicht sind, so heißen sie Gewichtslose, Imponderabilien.

Wärme. – Wir besitzen verschiedene Wärmequellen, doch ist es besonders die Sonne, von der wir sie in größter Menge erhalten. Ferner erzeugen wir uns durch den chemischen Proceß der Verbrennung große Wärmemengen, im thierischen Körper selbst entwickelt sich vermöge der Lebensthätigkeit Wärme, und außerdem entsteht solche in geringer Menge bei Reibung, bei chemischen Verbindungen und Zersetzungen.

Sie pflanzt sich strahlend fort, theilt sich den Luftschichten und den übrigen Körpern nach und nach mit, es gleichen sich abweichende Temperaturen aus. Bekannt ist es, daß verschiedene Körper die Wärme verschieden schnell aufnehmen und abgeben, verschieden gut oder schlecht leiten. Pelz z. B. leitet die Wärme schlechter, hält sie mehr an den Körper, als Tuch oder Leinwand, und deshalb kleiden wir uns im Winter mit ersterem, im Sommer mit letzteren.

Die Wärme wirkt sowohl physikalisch, also nur äußerlich verändernd, als auch chemisch, zersetzend. Ihre physikalischen Wirkungen sehen wir in der Ausdehnung der Körper und in der Veränderung der Zustände derselben, denn sie macht feste Körper flüssig und flüssige gasförmig, und wie wichtig diese Wirkung der Wärme in Bezug auf die Umwandlung des Wassers in Wasserdampf ist, zeigen uns die Dampfmaschinen in hohem Maße. Chemisch wirkt sie insbesondere bei jedem Verbrennungs- oder Verkohlungsproceß, sowie außerdem bei einer Menge chemischer Verbindungen und Zersetzungen, die nur unter dem Einfluß der Wärme vor sich gehen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_456.jpg&oldid=- (Version vom 12.8.2023)