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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Originalmittheilungen vom Kriegsschauplatze.
V.
Vertheidigung und Abzug der österreichischen Besatzung von Laveno am Lago maggiore.[1]

Am 28. Mai wurden die Oesterreicher von dem Freischaarencorps von Camerlata bis nahe gegen Monza zurückgeworfen, und Garibaldi zog an der Spitze seiner siegesfreudigen Schaaren um zehn Uhr Abends in Como ein, wo ihn, wie in Varese, ungeheurer Jubel erwartete. Dreifarbige Fahnen wehten aus den glänzend erleuchteten Fenstern und von den Balconen; die Straßen waren mit Teppichen belegt und mit Blumen besäet; Mädchen und Weiber umdrängten, herzten und küßten die frisch einherziehenden Gesellen, und umschwärmten vor Allem den kühnen Führer, welcher hoch zu Roß mit freundlich lächelndem Blicke die Menge musterte, und auf die zahllosen Evvivas mit ruhiger, doch fester und heller Stimme sein gewöhnliches Losungswort erwiderte: „Alle arme, Lombardi, per la libertà d’Italia“ (Auf, zu den Waffen, Lombarden, für die Freiheit Italiens)! – Ohne sich die mindeste Rast zu gönnen, entsandte er sogleich einige Compagnien nach Lecco und anderen Uferorten des Comersees, um die daselbst stationirten Dampfschiffe und Barken in Beschlag zu nehmen; er selbst dagegen mit dem Kerne seiner Truppen verschwand, um sich, wie man bald erfuhr, gegen Laveno[2] zurückzuwenden, welches er mit einigen Hundert seiner Alpenjäger durch Ueberfall wegzunehmen hoffte.

Abzug der österreichischen Flottille von Laveno.

Die österreichische Besatzung Laveno’s, schon seit einiger Zeit ohne Nachricht, gleichsam von der Außenwelt abgeschnitten, hielt sich mittelst sorgfältigen Wach- und Patrouillendienstes sehr auf ihrer Hut, und setzte dabei eifrig ihre Forschungen zu Wasser, nämlich die Kreuz- und Querzüge ihres Geschwaders auf dem See, fort. Hierbei bombardirten die beiden Dampfer, der „Radetzky“ und der „Benedek“, das bereits mit Feldschanzen und Geschütz versehene Canobbio, zogen jedoch ab, als der Benedek eine Stückkugel in den Rumpf und einige Verwundete auf dem Verdeck erhielt. Auch waren schon den 27. und 28. Nachts feindliche Versuche bemerkt worden, mit Hülfe von Ueberläufern in die vereinzelten Forts einzudringen; jedoch war es nicht zum eigentlichen Gefecht gekommen, und einige Plänklerschüsse hatten hingereicht, die nicht sehr zahlreichen Angreifer, welche mehr nur durch Verrath zu wirken suchten, in die Flucht zu schlagen.

Mit seinem Hauptmann in einem außerhalb des Castells gelegenen Hause wohnend, hatte unser berichterstattender österreichischer Unterofficier in der dunklen Nacht vom 30. auf den 31. Mai den Auftrag erhalten, auf Kundschaft auszugehen. Von dem etwas hochliegenden Castell sachte gegen die Stadt zurückkehrend, hörte er plötzlich

  1. Ueber diese Episode aus dem italienischen Kriege ist so viel Falsches und absichtlich Uebertriebenes durch die deutschen Zeitungen gelaufen, daß eine authentische Darstellung, wie wir sie in obiger Mittheilung geben, wohl nicht ohne Interesse sein dürfte. Unser Correspondent in Tessin hat sie nach den Berichten eines gebildeten österreichischen Unterofficiers zusammengestellt, der die ganze Affaire mitmachte. D. Redact.     
  2. Laveno“, nicht zu verwechseln mit dem am jenseitigen, piemontesischen Ufer des Lago maggiore gelegenen Oertchen Baveno, ist ein kleines, aber ziemlich gewerbreiches italienisches Städtchen am Ostgestade des genannten Sees, den prachtvollen Borromeischen Inseln beinahe gegenüber und selbst in einer bergumschlossenen reizenden Lage, mit einem im Frieden als Landungsplatz der österreichischen Seeschiffe dienenden Hafen und einigen Befestigungswerken,[470] welche durch die jüngstverflossenen Kriegsereignisse eine gewisse vorübergehende Bedeutung erlangten. Von drei Compagnien des österreichischen Infanterie-Regiments Erzherzog Karl nebst einer Abtheilung des Flottencorps (Schiffsmannschaft), zusammen beiläufig 650 Mann, besetzt und mit 28 Geschützen verschiedenen Kalibers ausgerüstet, beherrschen diese Festungswerke, nämlich zwei unbedeutende Forts und eine kleine, „Il Castello“ genannte Citadelle die Stadt und den Hafen, welch letzterer nunmehr den sowohl für den Personen- und Waarentransport als auch für den Kriegsgebrauch ausgerüsteten österreichischen Schiffen als improvisirter Kriegshafen Schutz und Deckung gewährte. Drei Dampfer und mehrere Barken bildeten die Flottille der Oesterreicher, wovon die Schiffe der „Benedek“ und der „Ticino“, jedes mit zwei Achtzehnpfündern bewaffnet, ganz gewöhnliche Dampfschiffe vorstellten, wie wir sie auf unseren Seen und Flüssen finden, während der „Radetzky“ von 100 Pferdekraft, mit Platz für 500 Mann Besatzung und mit sechs Geschützen schweren Kalibers ausgestattet, als prächtiges Kriegsfahrzeug stolz die Wogen des Langensees durchfurchte, und die unbewaffneten sardinischen Schiffe gleich aufgescheuchten Eulen vor sich hertrieb.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_469.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)