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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Bald legten die mit den noch hochgehenden Wogen kämpfenden eidgenössischen Boote an, und der an Bord gestiegene graubündtnerische Major Latour, ein entfernter Verwandter des ehemaligen österreichischen Kriegsministers Graf Latour, übernahm das Commando, wofür er auch, wie billig, später in seinem Heimathkanton und unter den schweizerischen Besatzungstruppen selbst den scherzhaften Beinamen „der Flottenadmiral“ erhielt. Die Waffen der Oesterreicher wurden in’s Wasser ausgeschossen, was vielen Fischen Leides gethan haben soll, sodann in ordentlichen Haufen auf das Verdeck niedergelegt; Vorder- und Hinterdeck jedes Schiffes waren bereits mit einem Piquet urwüchsiger Hinterwäldner Infanteristen besetzt, welche sich sehr wunderten und freuten, so plötzlich auch zum Flottendienst berufen zu sein. Hierauf wieder gegen Magadino zu in Bewegung gesetzt, wurde der ganze Zug von dem daselbst stationirten Brigadecommando freundlich empfangen und einem Theile der zwar ganz gut aussehenden und ganz wohlbefindlichen, aber doch durch das Ungewohnte und jedem[WS 1] Soldaten selbst Peinliche der Lage etwas niedergedrückten Mannschaft die Ausschiffung gestattet, diese Erlaubniß aber schnell wieder zurückgenommen, als zwei Italiener der Schiffsmannschaft, wahrscheinlich durch die umherstehenden Tessiner angeeifert, im Nu entsprungen waren.

Sehr herzlich, theilnehmend und selbst freundschaftlich war das Benehmen der größtentheils deutschschweizerischen, eidgenössischen Officiere und Soldaten gegen die Quasi-Gefangenen; sie unterhielten sich freundlich mit ihnen, lobten ihre gute Haltung und waren bald im besten Einvernehmen, wenigstens in so weit sie sich wechselseitig verständlich machen konnten, da ein Theil der Schiffsmannschaft aus Lombarden und die Infanterie größtentheils aus slavisch sprechenden Mähren bestand; doch halfen wohlwollende Händedrücke, gutmüthig ausdrucksvolle Gebehrden auch hier hinlänglich ergänzend nach. Auffallend roh und feindlich dagegen zeigten sich die zum ungewohnten Schauspiele aus allen Kantonstheilen herbeigeströmten Italianissimi oder echten Ticinesen; hämische Schadenfreude blitzte aus ihren stechenden Augen, spitze Bemerkungen in ihrem echten Kauderwelsch flogen hin und her, natürlich nur halblaut, da sie sich vor der ernsten, strengen Haltung der aufgestellten eidgenössischen Truppen scheuten. Man sah jedoch so recht deutlich den Ausdruck dieses tückisch-welschen Charakters, welcher sich herzinnig freut, wenn er am wehrlosen Feinde, an den er sich früher nicht getraute, nun so ganz gefahrlos sein Müthchen kühlen kann; welche Freude ihnen nun freilich hier die braven „Confederati“ (Eidgenossen) selbst verdarben, wofür sie später aber auch „maledetti Austro-Svizzeri“ (verd… Oesterreichische-Schweizer) geschimpft wurden.

Um 2 Uhr Nachmittags war die Uebergabe der mitgebrachten Geschütze, bestehend aus zehn schönen achtzehnpfündigen Kanonen und zwei vierundzwanzigpfündigen langen Haubitzen, nebst mehreren Raketengestellen, sodann der Handwaffen, zusammen 530 schöne, neuartige Bajonnetflinten und 440 Säbel, nebst der dazu gehörigen Ausrüstung und endlich der Schiffe selbst geschehen. Hieraus begann in militairischer Ordnung die Ausschiffung der Truppen mit 2 Hauptleuten, 10 Lieutenants, 5 Chirurgen, 3 Maschinisten nebst 636 Infanterie- und Flottillensoldaten, im Ganzen 656 Mann stark, welche unter den Augen des eigens hierzu hergekommenen eidgenössischen Truppen-Divisionscommandanten an’s Land stiegen und sich daselbst in Reih und Glied formirten; die Mannschaft in Marschadjustirung mit Czackos, blauen Pantalons und Mantel, nebst aufgeschnalltem Tornister, Feldflasche und an der Seite herabhängendem Brodsack, die Officiere gleich adjustirt, jedoch mit ihren Seitengewehren (Säbel in Stahlscheide) bewaffnet.

Sogleich nach beendeter Inspection begann der Abmarsch unter Begleitung eines halben Bataillons (3 Compagnien) Urner-Infanterie in ihrer schmucken Felduniform, nämlich schwarzen, niedrigen Filzczackos mit weißrothen Pompons, blauer Tuchtunika (Waffenrock) und Pantalons, braunem Kalbfelltornister mit aufgerolltem Mantel, ferner auf der Brust gekreuztem weißem Riemenzeug und einer Feldflasche; die Officiere trugen silberne Franzenepauletten und Säbel in Lederscheide an der unter der Tunika um den Leib geschnallten Hängekuppel; die Hälfte, nämlich 1½ Compagnien, ging an der Spitze und die andere Hälfte am Schlusse der Colonne. Hierbei ward als erste Marschstation Bellinzona bestimmt, wo bereits im Voraus die Quartiere gemacht waren oder vielmehr – hätten gemacht sein sollen.

Einen eigenthümlichen Eindruck machte es, als sich beim Abzuge die Blicke dieser tapferen Soldaten, gleichsam unwillkürlich und zum stummen Lebewohl, nach ihren verlassenen Schiffen wandten, auf deren Verdeck nunmehr die schweizerischen Schildwachen ganz gemüthlich hin und her spazierten. Ruhig neben ihnen und in gleicher Weise bewacht, lagen die fünf sardinischen Dampfer; gestern erbitterte Todfeinde, heute auf neutralem Gebiete zu friedlicher Vereinigung, zu schweigendem Aneinanderliegen gezwungen, zeigten sie so recht das Bild der Vergänglichkeit irdischer Macht und die Nichtigkeit menschlicher Blutkämpfe zu wechselseitiger Vernichtung. Lustig flaggten übrigens noch auf den kaiserlichen Schiffen die österreichischen Marinefarben, während die kahlen Maste der Piemontesen traurig in die Luft starrten, was auch sogleich zu Reklamationen der sardinischen Schiffscapitaine und selbst der Bevölkerung Anlaß gab; daher wurden die verhaßten „Disegni Croati“ (kroatische Flaggen) später auch herabgenommen und so das Gleichgewicht Europa’s an der Nordspitze des Lago maggiore wiederhergestellt. Auf wie lange, können wir freilich nicht vorhersagen.

So weit unser gemüthlicher österreichischer Unterofficier, den ich in Bellinzona zum letzten Male sprach. Die ferneren Schicksale der österreichischen Colonne sind bekannt. Vielfach geschmäht von den Bellinzonesen, die dafür von den wackern begleitenden Schweizertruppen mit Kolbenstößen reichlich tractirt wurden, zogen die Oesterreicher durch die schauerlich schöne Via Mala nach dem freundlichen Chur, von wo ab eine Abtheilung nach Zürich, eine zweite nach St. Johann in Toggenburg und eine dritte Abtheilung nach Schloß Lenzburg, ganz in der Nähe der alten kaiserlichen Habsburg, einquartiert wurden. Ueberall liebreich und freundlich aufgenommen, haben Officiere und Gemeine dort schöne Tage verlebt, die ihnen unvergeßlich bleiben werden.




Post hoc, – ergo propter hoc;
weil’s darauf kommt, – darum’s auch daraus kommt, oder: weil darnach, – also auch darum.

Z. B.: weil ein Sonntagsjäger beim Ausmarsche zuerst einer alten Frau begegnete, darum schoß er auf der Jagd stets fehl. – Weil ein Soldat ein Amulet auf der Brust trug, darum wurde er in der Schlacht nicht verwundet. – Weil ein Gichtbrüchiger seit einiger Zeit stets einen Kalbsknochen in der rechten Hosentasche bei sich hatte, darum wurde er während dieser Zeit nicht vom Zipperlein befallen. – Weil Einer sein Testament gemacht hat oder weil er in einer Gesellschaft als Dreizehnter unter oder vor dem Spiegel saß, darum starb er bald nachher. – Weil man einer Mutter wegen der Gesundheit ihres Kindes gratulirte und dabei nicht dreimal ausspuckte und „Gott behüte es“ sagte, darum wurde das Kind krank.

Nichts zeugt so deutlich für den Unverstand, die Denkfaulheit und Unwissenheit der jetzigen Menschheit in Bezug auf Alles, was die Natur und vorzugsweise den menschlichen Körper betrifft, als die Beurtheilung des Verhältnisses einer Ursache zu ihrer Wirkung. Die Meisten, sogar sogenannte Gebildete, sind so abergläubisch und haben so gar kein Verständniß von der Art der Wirksamkeit einer Ursache, daß sie sehr häufig, allen bestehenden Naturgesetzen und dem gesunden Menschenverstande zuwider, Erscheinungen und Ereignisse solchen Ursachen zuschreiben, die in gar keinem Zusammenhange damit stehen können. Oder wo wäre da Verstand, wenn man dem Beisichtragen eines Kalbsknochens das Wegbleiben der Gicht, einem Amulete die Unverwundbarkeit, dem Begegnen einer alten Frau eine unglückliche Jagd, und gar dem Testamentmachen oder dem Dreizehntersein den Tod zuschreibt?

Es versteht sich wohl von selbst, daß die meisten Ereignisse wirklich in einem ursächlichen Zusammenhange mit einander stehen, darum werden wir auch in den meisten Fällen eine stets gleichbleibenbe Aufeinanderfolge von bestimmten Ereignissen wahrnehmen und Folgen gewisser Ursachen genau voraus bestimmen können. Wo aber durch eines der Naturgesetze der Zusammenhang zwischen Ursache

und Wirkung nicht aufzuklären ist, da müssen Tausende von Experimenten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: jeden
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_471.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2023)